Alter in den Medien
Intersektionale Analysen journalistischer Repräsentationen
Bielefeld 2025: transcript
Rezensent/-in:
Lothar Mikos
In der öffentlichen Diskussion über Medien wird das Alter selten thematisiert. In der Wissenschaft ist es der Gerontologie vorbehalten, sich damit zu beschäftigen. Auch wenn es seit 2012 die Zeitschrift „Medien & Altern“ im kopaed Verlag gibt, bleibt es im Vergleich zu den beliebten Diskussionen um alle möglichen Generationen – von den Boomern bis zur Gen Z – ein unterbelichtetes Thema. Diese Zusammenhänge weisen auf zweierlei Diskriminierungen hin: Einerseits wird das Altsein als minderwertig gegenüber dem Jungsein betrachtet, auch wenn die „jungen“, aktiven Alten immer mehr Beachtung finden, andererseits wird selten zwischen Altern und Alter unterschieden. Während das Alter einen Zustand beschreiben soll, ist mit dem Altern ein Prozess gemeint (vgl. S. 49).
In der Gerontologie wird zwischen dem Dritten Alter (etwa 60 bis 85 Jahre) und dem Vierten Alter (ab 85 Jahre) unterschieden. Dabei handelt es sich um Zuschreibungen, die wiederum mit Diskriminierungsformen einhergehen, da das Vierte Alter häufig bereits mit Pflegebedürftigkeit verbunden wird. Auch wenn die Autorin einen materiellen Prozess des Alterns anerkennt, konzentriert sie sich in ihrem Buch auf die soziale Konstruktion von Altern und Altsein im Allgemeinen sowie auf die journalistische Darstellung im Besonderen. So stellt sie denn auch zu Beginn ihrer Ausführungen fest:
Das Altsein bleibt das ‚Andere‘, welches vom Jungsein abgegrenzt wird“ (S. 48).
In ihrer Analyse hat Adlung die Berichterstattung über die Situation in Pflegeeinrichtungen während der Pandemie einerseits und die über Brigitte Macron als ältere Ehefrau eines Politikers andererseits untersucht. Dabei hat sie sich auf Artikel in überregionalen Tages- und Sonntagszeitungen konzentriert und neben den journalistischen Texten auch deren Bebilderung analysiert. Leider reicht der Platz hier nicht aus, um die detailreichen Ergebnisse ausführlich darzustellen.
Die Berichterstattung über die Coronapandemie und Alten- bzw. Pflegeeinrichtungen hat ein ebenso eindeutiges wie erschreckendes Ergebnis zutage gefördert: „Die alte Frau dagegen steht im Zentrum: Sie ist das Gesicht der Krise. […] Sie wird visuell in ihrer Gebrechlichkeit, ihrer Einsamkeit und in Hinblick auf ihr Leid während der Pandemie repräsentiert“ (S. 163). In diesem Sinn sieht die Autorin einen intersektionalen Zusammenhang mit der Darstellung von Behinderung und Geschlecht im Journalismus. Daher sind diese Alten von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen, sie haben nichts zu sagen, über sie wird nur berichtet. Denn sie kommen in erster Linie nur als anonyme Masse von Pflegebedürftigen vor.
Anders sieht es in der Berichterstattung über Brigitte Macron aus, die sich – gerontologisch gesehen – im Dritten Alter befindet. Adlung fasst ihre Analyse so zusammen: „So kann die Repräsentation der Brigitte Macron als inspirierendes Momentum, adressiert an alle Leser:innen, gedeutet werden, den Anforderungen einer flexiblen eigenverantwortlichen Subjektivität gerecht zu werden und schwierige Ausgangssituationen in persönliche Erfolgsgeschichten zu wenden“ (S. 218). Damit fügt sich ihre Darstellung in einen allgemeinen postfeministischen Zeitgeist, in dem Frauen als „Unternehmerinnen ihres Selbst“ sich jenseits diskriminierender Strukturen behaupten müssen.
Insgesamt bietet das Buch von Shari Adlung wichtige Einblicke in die journalistische und mediale Praxis der Darstellung von Altern und Altsein, auch und gerade über die kontrastive Wahl der untersuchten Objekte der Berichterstattung, Pflegebedürftige in der Pandemie einerseits und Brigitte Macron andererseits.
Die Arbeit legt zwei bedeutende Schlussfolgerungen nahe: Eine thematisiert die Autorin selbst, indem sie feststellt, „dass das Alter ganz ohne intersektionale Perspektive kaum sinnvoll untersucht werden kann“ (S. 234). Die andere möchte der Rezensent ergänzen: Es sind dringend differenzierte Blicke auf die Darstellung von Altern und Altsein in den Medien erforderlich, die auch über journalistische Praktiken hinausgehen und sich mit fiktionalen Repräsentationen befassen.
Prof. i. R. Dr. Lothar Mikos
Shari Adlung: Alter in den Medien. Intersektionale Analysen journalistischer Repräsentationen. Bielefeld 2025: transcript. 306 Seiten, 47,00 Euro
