Investigativjournalismus im Satiremagazin

Jan Böhmermann und Fynn Kliemann

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrift MEDIENDISKURS.

Am 26. Oktober 2017 plauderte Jan Böhmermann – damals bei ZDFneo – in seiner Late-Night-Show NeoMagazin Royale noch ganz freundlich und belanglos mit Fynn Kliemann über den Sinn und Zweck von Werkzeugkisten. Am 6. Mai 2022 war es mit der Freundschaft vorbei. Stattdessen gab es in der Böhmermann-Show ZDF Magazin Royale herbe Vorwürfe gegen den YouTuber.

Online seit 01.06.2022: https://mediendiskurs.online/beitrag/boehmermann-investigativjournalismus-im-satiremagazin-beitrag-1122/

 

 

Hintergrund: Kliemann, der als Multitalent in sozialen Medien sowie bei YouTube auftritt, betreibt mit seinem Freund Tom Illbruck ein Unternehmen, das angeblich alle Produkte in Europa unter fairen Bedingungen herstellt. Mit seiner Firma LDGG (Lass dir gut gehen) tritt er auch als Vermieter von Ferienunterkünften auf, womit er angeblich nichts verdient und freiwillige Spenden der Kunden für Personen zur Verfügung stellt, die sich sonst keinen Urlaub leisten könnten. Es geht ihm angeblich um die „Demokratisierung von Urlaub als Sozialexperiment“.

Während der Coronazeit will er 2020 – ebenfalls zu fairen Bedingungen – die Produktion von Atemschutzmasken in Auftrag gegeben haben, um damit selbstlos und ohne eigenen Gewinn die große Nachfrage in diesem Bereich zu bedienen. Kurzum: Kliemann verkauft sich als selbstlosen, der Gemeinschaft und nicht dem eigenen finanziellen Profit verpflichteten Wohltäter.

Allerdings scheint es mit dieser Selbstlosigkeit nicht weit her zu sein. Böhmermann recherchierte und kam zu dem Ergebnis, dass die Masken in Bangladesch unter schlechten sozialen Bedingungen hergestellt worden seien und Kliemann entgegen seiner eigenen Darstellung daran ordentlich verdient habe. Die Informationen entnahm er unter anderem den WhatsApp-Nachrichten zwischen Kliemann und Illbruck, wie er an diese gekommen war, blieb sein Geheimnis.

Fynn Kliemann: SCHEISSE bauen (DIY) | ZDF Magazin Royale



Die ersten Masken aus Bangladesch waren fehlerhaft und für den Handel in Deutschland unbrauchbar. Der Hersteller hat Kliemann deshalb die fehlerhaften Produkte kostenlos überlassen. Dies nutzten Kliemann und sein Kompagnon Illbruck für eine PR-Aktion: Sie spendeten als angeblich verantwortungsbewusste Unternehmer hunderttausend weitgehend unwirksame Masken an Flüchtlingscamps. Auch die Spenden der Kunden aus Kliemanns Ferienhaus-Unternehmen LDGG, die ärmeren Familien zugutekommen sollten – etwas über 10.000 Euro – seien bisher nirgendwo angekommen, so Böhmermann. Verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen gaben zwar an, in der Sache mit Kliemann im Gespräch gewesen zu sein, aber letztlich kamen die Verhandlungen zu keinem Abschluss. Kliemann bekam Gelegenheit, in der Sendung zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, was er über seinen Instagram-Kanal auch wahrnahm. Seine Rechtfertigung unter der Überschrift „Transparenz statt Anwalt“ wurde in der Sendung gezeigt. Allerdings bestritt Kliemann alle Vorwürfe.

Böhmermanns Veröffentlichung stieß auf ein breites Medienecho, an dessen vorläufigem Ende Kliemann in seinem Instagram-Kanal kleinlaut zugeben musste, dass er inzwischen Wirtschaftsprüfer beauftragt habe, die Vorwürfe Böhmermanns zu untersuchen. Er sei sich am Anfang sicher gewesen, dass sie den Falschen getroffen hätten, aber nun müsse er zugeben, dass Böhmermann richtig gelegen habe. Kliemann entschuldigte sich damit, in seinen Unternehmungen den Überblick verloren zu haben, und versprach, den Verdienst nun im Nachhinein zu spenden. Ob er damit seinen Ruf wiederherstellen kann, scheint aber gegenwärtig eher unwahrscheinlich.

 

Quellen:

Böhmermann, J.: ZDF Magazin Royale, 06.05.2022. Abrufbar unter: www.youtube.com (letzter Zugriff: 01.06.2022)

Kliemann, Fynn: Instagram-Post, 28.05.2022. Abrufbar unter: www.instagram.com (letzter Zugriff: 01.06.2022)