Barbara Sichtermann
Die "alten" sach- oder personenbezogenen Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender wie „Drei nach neun“ oder „Keute“ haben die Kritik zwar auch schon angestachelt; man ärgert sich über das viele belanglose Gerede und hatte offenbar das Bedürfnis, für eine Füllung der Sendezeit mit interessanterem Inhalt zu plädieren. Aber im Großen und Ganzen stießen diese vereinzelten Vorläufer des heutigen breiten Talkshow-Angebotes auf Akzeptanz und sogar auf Sympathie. Das tun "seriöse" Shows, die von Alfred Biolek oder Roger Willemsen moderiert werden, immer noch. Beim so genannten Affektfernsehen, bei den "Daily Talks", ist das nicht so -, obwohl sie sich inzwischen als fester Programmbestandteil etabliert und mehrere Studien ihnen allgemeine Sozialverträglichkeit attestiert haben. Man regt sich auf – zwar nicht mehr über das viele "Gerede", sondern über das "fürchterliche Gequatsche" – und erblickt in der Inflation von Talk-Formaten quer durch die Kanäle vom Mittag bis zur Kaffeezeit einen Indikator für den Niveauverfall des Gesamtprogramms.
Printausgabe tv diskurs: 3. Jg., 4/1999 (Ausgabe 10), S. 74-79