Die Lage ist gut, die Stimmung schlecht

Orientierungssuche und der Mangel an Wertschätzung

Joachim von Gottberg im Gespräch mit Stephan Grünewald

Spätestens seit 2015, als die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor allem aus humanitären Gründen beschloss, eine große Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen, sind die politische Landschaft und das Stimmungsbild in Deutschland durcheinandergeraten. Was die einen als Weltoffenheit und humane Geste begrüßten – was damals in den meisten Medien der Fall war –, sahen andere als Bedrohung ihrer Kultur oder ihres Arbeitsplatzes.

Das Land verliert zunehmend den Zusammenhalt, die Spaltung ist in den sozialen Netzwerken unübersehbar. Dabei hat sich die tatsächliche Lebenssituation der meisten Deutschen in den letzten Jahren eher verbessert. Die Parteien indes, die in der Großen Koalition für diese positive Wirtschaftslage mitverantwortlich sind, verlieren dramatisch an Zustimmung. Woher kommt diese schlechte Stimmung? Stephan Grünewald, Psychologe und Geschäftsführer des rheingold-Instituts in Köln, hat die Deutschen auf die Couch gelegt und ein Psychogramm ihres Seelenzustandes in dem Buch Wie tickt Deutschland? beschrieben.

Printausgabe tv diskurs: 23. Jg., 3/2019 (Ausgabe 89), S. 26-31

Vollständiger Beitrag als:

Sie diagnostizieren eine große Diskrepanz zwischen den positiven wirtschaftlichen Daten und gleichzeitig einer großen Unzufriedenheit bei den Menschen. Ist diese Angst vor dem Abgrund nicht eine typische menschliche Konstante? Oder was steckt dahinter?

Goethe hat schon festgestellt: „Alles in der Welt lässt sich ertragen, nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.“ Aber da sind wir schon mitten im Problem. Die Menschen haben selber das Gefühl, in einem Auenland zu leben, mit niedriger Arbeitslosigkeit, guter Gesundheitsversorgung und wirtschaftlicher Prosperität. Nun gibt es die Sehnsucht, dieses Auenland auf ewig zu konservieren. Und all das, was den Menschen Unbehagen bereitet und was sie ängstigt – Globalisierung, Digitalisierung, Terrorismus und Migration –, wird abgespalten und ins Grauenland verschoben. Aber diese Spaltung führt letztendlich dazu, dass die Zukunft nicht als Möglichkeitsraum, sondern als Bedrohung erlebt wird. Je besser es den Menschen geht, desto größer ist die Angst, das Erreichte zu verlieren. Sie beschleicht die Sorge, dass irgendwann das Grauenland in ihr Auenland einbricht. Statt Veränderungsbereitschaft überwiegt derzeit der Wunsch, das Auenland abzuschotten, die Zeit anzuhalten und sich in einer permanenten Gegenwart zu verschanzen.

Die Menschen haben also Angst, ihre positive Lebenssituation zu verändern oder zu verlieren?

Ja, man ist ja viel mehr bereit, sein Leben zu ändern und sich auf die Zukunft einzulassen, wenn man etwas gewinnen kann oder wenn die Not einen treibt. Es gibt ja diesen Begriff der Notwendigkeit: Die Wendigkeit kommt aus der Not. Wenn wir aber das Gefühl haben, alles sei Gold, wie es ist, kann die Zukunft eigentlich nur dazu führen, dass wir Einbußen erleben, dass wir an Wohlstand verlieren oder dass das Klima sich verschlechtert. Das verstärkt unsere Beharrungstendenzen. Aber Beharrung macht uns nicht glücklich, wir Menschen sind vielmehr auf Verwandlung, Umgestaltung und Optimierung angelegt.

Ist das, diese Art der Selbstbespiegelung und Selbstbezweiflung, etwas typisch Deutsches oder gibt es das auch in anderen Ländern?

Was typisch deutsch ist: Wir haben keine fest gefügte Identität und damit keine verankerte Selbstgewissheit. Die Amerikaner haben ihren amerikanischen Traum, auch wenn er Risse bekommen hat, die Franzosen schwören auf ihre Genusskultur, aber wir sind immer die Suchenden. Deutsch sein heißt: die ewige Suche nach sich selbst. Wir sind ein zutiefst unruhiges Volk. Und im Zweifeln und Suchen werden wir, wenn es gut geht, schöpferisch. Dass wir das Land der Dichter und Querdenker und das Land der Ideen und Patente sind, hängt auch mit dieser Gabe zusammen, alles zu hinterfragen und dann auch neu zu konfektionieren.

In der Parteienlandschaft sehen wir gerade einen kompletten Umbruch. Die SPD scheint mehr oder weniger am Abgrund, die Grünen liegen in manchen Umfragen inzwischen vor der CDU. Steckt dahinter eine Art Angst vor dem Weltuntergang als Folge von Erderwärmung oder Plastikmüll?

Die Menschen haben, was die Parteien und die Politik anbelangt, ihren inneren Kompass und die Orientierung verloren. Wir haben uns in den letzten 20 bis 25 Jahren von allen Ideologien, kirchlichen Glaubensgewissheiten, aber auch von politischen Programmatiken befreit. Das war lange Zeit cool. Ich habe Anfang der 2000er-Jahre mal von diesem Zustand der „coolen Gleichgültigkeit“ gesprochen, der Anfang oder Mitte der 1990er-Jahre über uns hereingebrochen ist. Aber diese coole Gleichgültigkeit hat sich in eine entfesselte Beliebigkeit gewandelt. Und ein Gefühl, was die Menschen immer wieder haben, was sie aufwühlt, ist, in diesem Zustand keine Orientierung mehr zu haben. Der feste Standpunkt ist den Menschen verloren gegangen. Und mit Blick auf die Parteien erleben sie die Breiigkeit der Politik, die Austauschbarkeit der Positionen. Das hat vor allem der SPD geschadet. Die CDU hat sich lange Zeit als Volkspartei halten können, weil sie mit Mutter Merkel Verlässlichkeit und ein Konstanzversprechen an Bord hatte. Frau Merkel war sozusagen die Mutter des Auenlandes, ihre Raute war immer ein Sinnbild für dessen fürsorgliche Umgrenzung. Dieser Nimbus des Heimatengels hat dann im Zuge der Flüchtlingskrise Risse bekommen: Mancher Wähler hat das Gefühl, Merkel liebt die fremden Kinder mehr als ihre eigenen. Dadurch hat die CDU an Nimbus verloren. Die Grünen waren die Partei, die gegenüber dieser Breiigkeit die klarste Position hatte, sowohl bei der Flüchtlingskrise als auch jetzt in Bezug auf den drohenden Klimawandel. Sie stiften heute eine klare Orientierung. Noch vor wenigen Jahren schien ihr berechtigter Kampf für die Natur mit einem Kampf gegen die menschliche Natur verbunden zu sein, was den Grünen viele Sympathien raubte. Heute wirken die Grünen vor allem durch ihr neues Führungsduo viel bodenständiger, menschlicher und nahbarer als die moralischen Oberlehrer, die vorher bei den Grünen das Sagen hatten.

Der Pragmatismus in der Politik hat also dazu geführt, dass der Kompass verloren gegangen ist. Klare Perspektiven fehlen, alles ist etwas breiig.

Die Politik hat sich zu sehr der Demoskopie unterworfen. Ihr sind langfristige Visionen und Richtungsbestimmungen abhandengekommen. Das zeigt sich jetzt vor allen Dingen in der Großen Koalition, in der über Jahre alle Positionen absorbiert worden sind. Und selbst das, was die SPD vielleicht programmatisch eingebracht hat, wurde Mutter Merkel zugeschrieben, weil sie es besser versinnbildlichen konnte.

Wie ist es mit dem Gefühl für soziale Gerechtigkeit, das Martin Schulz als Leitthema formuliert hat?

Ich beschreibe das im zweiten Kapitel meines Buches. Wir haben nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem, sondern wir haben vor allem ein massives Wertschätzungsproblem in Deutschland. Ein Teil der Bevölkerung, der noch eine gewisse Bodenständigkeit an den Tag legt und den normalen Lebensgenüssen zugewandt ist, hat das Gefühl, dass die sogenannten Eliten naserümpfend auf sie herabblicken, weil sie immer noch Fleischberge auf den Grill hieven, weil sie immer noch Zigaretten rauchen, Alkohol trinken, Süßspeisen verzehren, die Finger in der Chipstüte fetten und Unterschichten-TV bevorzugen. Wir haben nicht nur materiell eine Zweiklassengesellschaft, sondern auch ideell und moralisch. Und das führt zu einer Entzweiung, weil im Grunde genommen diese bodenständigen Menschen das Gefühl haben, sie hätten den Schwarzen Peter, die Eliten tun so, als wenn sie sich im 21. Jahrhundert nicht verändern müssten. Sie suggerieren, wir hätten eine bessere Welt, wenn wir keine Fleischesser und Dieselfahrer mehr hätten. Eine Gesellschaft, die sich entwickelt und die zusammenhält, braucht aber eine gemeinsame Vision, an der alle bereit sind, mitzuwirken. Beide Seiten denken heute: „Ich bin richtig. Ich muss mich nicht bewegen. Sollen doch die anderen ihren komischen Lebensstil verändern.“ Und dieses Wertschätzungsproblem haben wir dann auch noch in der materiellen Sphäre, z.B. beim Thema „Wohnraum“, wenn man als Bürger das Gefühl hat, man kann sich die Wohnung in der Innenstadt nicht mehr leisten. Das wird als eine ungeheure Wertschätzungskränkung wahrgenommen, weil das existenzielle Bleiberecht gefährdet ist. Man fühlt sich quasi heimatlos und wird buchstäblich zum Flüchtling im eigenen Land. Ein anderes Wertschätzungsthema sind die niedrigen Zinsen: Man hat etwas erarbeitet und davon z.B. für die Rente gespart, aber das wirft jetzt überhaupt nichts mehr ab und man macht sich berechtigte Sorgen um sein Alter. Dann haben wir noch das Schreckgespenst der Digitalisierung: Wird meine Arbeitskraft, von der ich heute lebe, irgendwann nicht mehr gebraucht? Werde ich irgendwann komplett durch Automatismen oder künstliche Intelligenz ersetzt?

Die Digitalisierung und die Medienwelt spielen eine große Rolle in dieser Entwicklung?

Die Digitalisierung hat zwei Seiten: Beruflich fühlt man sich durch dieses Szenarium entwertet, weil man irgendwann nicht mehr gebraucht wird. Im privaten Kontext, auch das ist ein zentrales Kapitel in meinem Buch, entfaltet der digitale Absolutismus eine berauschende, euphorisierende Wirkung, weil wir über das Smartphone ein Zepter der Macht besitzen. Wir erleben heute einen Zustand der digitalen Verwachsung. Dieses Zepter der Macht haben wir immer bei uns, es suggeriert, dass wir allwissend sind, dass wir gottähnliche Macht haben. Wir haben heute einen magischen Zeigefinger, durch den wir buchstäblich im Handstreich Transaktionen tätigen oder Flüge buchen können. Selbst Dinge wie Partnersuche, die früher ungeheuer schwierig war, können wir per Fingerwisch mit Tinder, dem digitalen Bett-Casting, erledigen. Gerade die Apps geben uns das Gefühl, absolutistische Macht zu haben. Unser Erwartungsmaßstab auf das Leben verschiebt sich, aber dadurch steigert sich auch unsere Unduldsamkeit. Denn es kann nicht alles so schnell und handstreichartig geregelt werden wie über das Smartphone oder das Tablet. So kippen die Menschen im Alltag ständig aus der digitalen Allmacht in die analoge Ohnmacht, und das macht unzufrieden, führt immer wieder zur Wut. Im analogen Leben gibt es immer noch die mühsamen, kleinschrittigen Prozesse, wir haben immer noch Partner, die uns nicht verstehen, Kinder, die uns auf der Nase herumtanzen, Chefs, die uns drangsalieren. Aber das wird nicht mehr als normal oder gottgegeben hingenommen, sondern vor dem Hintergrund dieser digitalen Matrix als ungeheure Kränkung und Zumutung erlebt. Das kennt jeder aus seinem eigenen Alltag: Man sitzt am Computer und eine Seite baut sich zu langsam auf – und schon packen einen die Unruhe und Wut. Oder beim Surfen begegnet man anderen Meinungen, die einen verunsichern. Aber diese Verunsicherung wird dann direkt auch wieder in Wut verwandelt und führt zu diesem Shitstorm.

Der Medienwissenschaftler Marshall McLuhan sprach bereits in der Zeit, als das Fernsehen noch Leitmedium war, davon, dass wir durch die Medien die Welt als globales Dorf erleben. Wir können zeitgleich alle Kriege, Katastrophen oder politische Krisen miterleben. Wir müssen aber mit der Komplexität klarkommen. Ist das etwas, was unsere eigene Identitätsbildung behindert? Oder wird sie erleichtert, weil wir uns besser mit anderen Kulturen konfrontieren und uns dadurch abgrenzen können?

Die ursprüngliche Vernetzung durch das Internet haben wir als eine neue Epoche der Aufklärung erlebt, weil von jedem Punkt der Welt all das Wissen zugänglich wurde. Inzwischen ist das Internet aber zu einer inzestuösen Selbstspiegelungsinstanz geworden. Wir erleben, dass die Menschen in endlosen Weiten das suchen, was ihnen sowieso vertraut ist. Sie schließen sich in diesen ideellen Wagenburgen, den sogenannten Echokammern, zusammen. Diese Echokammern schaffen Überschaubarkeit, Hermetik, das Gefühl, unter Gleichgesinnten zu sein. Aber die Echokammern sind transparent. Und aus der Echokammer erkenne ich immer, dass da noch andere Echokammern existieren, die ganz anders ticken. Die Echokammern sind aber nicht im Kontakt und im Austausch miteinander. Sie interagieren nicht, sie diskutieren nicht, sondern wüten nur noch gegeneinander.

Und jeder glaubt, selbst recht zu haben und dass die anderen offensichtlich falsch liegen. Damit ist eine Verständigung komplett unmöglich …

Das ist wie der Geisterfahrer, der im Radio hört, dass ein Geisterfahrer unterwegs ist, und er dann denkt: „Einer? Mindestens 100!“

Stecken dahinter eine totale Selbstüberschätzung und Überheblichkeit?

Die Selbstüberschätzung haben wir ja eben mit dem digitalen App-Solutismus besprochen. Wenn sich ein 12-Jähriger mit seinem Smartphone allmächtig fühlt, dann hat er den Anspruch, dass er überall durchregieren will, dass es keinen Widerspruch mehr gibt, dass er die Welt versteht und beherrscht. Das widerspricht aber dem, was ich eingangs mit der großen Orientierungslosigkeit der Menschen angesprochen habe. Und jetzt kommen der Allmachtswunsch und die Orientierungslosigkeit zusammen. Das führt dann dazu, dass der Lüge und den Verschwörungstheorien Tür und Tor geöffnet werden. In meinem Buch gibt es ein Kapitel über Wahrheit und Lüge. Ein Professor hier in Köln hat Wahrheitskriterien von Zeugenaussagen untersucht. Das Verblüffende war: Wahre Zeugenaussagen sind differenzierter, sie sind verästelter, sie sind zäh. Die verlieren sich in Randdetails, die scheinbar völlig uninteressant sind. Die spiegeln so das Grau-in-Grau der Wirklichkeit. Die gelogenen Aussagen sind dagegen dramaturgisch zugespitzt und klingen sehr stringent, sie zielen auf ein bestimmtes Ziel hin. Und der Mangel an Wahrheit wird durch Klarheit und Leidenschaft kompensiert. Die Lüge ist oft sexy und dramaturgisch höchst spannend. Deshalb sind die Menschen bereit, hinter der nächstbesten Lüge herzulaufen, weil sie eben das Leben ordnet und überschaubar macht.

Schauen wir noch einmal auf die Gender-Stereotype. Die haben sich ja in den letzten 40 Jahren komplett verändert, obwohl sie vorher Tausende von Jahren relativ stabil waren.

Was wir in den Tiefeninterviews immer wieder hören, ist, dass Männer wirklich nicht mehr wissen, wie sie als Mann agieren sollen. Im beruflichen Kontext ist das noch nicht so. Da strotzen sie noch vor Funktionspotenz, da gibt es klare Regelwerke und Hierarchien. Wenn man aber dem gleichen Mann im Tiefeninterview sagt: „Jetzt reden wir über ihr Beziehungs- und Privatleben“, dann merkt man, wie sie in sich zusammenfallen. Aus der Funktionspotenz wird dann eine Privatinsolvenz, weil sie gar nicht mehr wissen, wie sie als Mann, vor allem in Beziehungsfragen, agieren sollen. Das hat damit zu tun, dass gerade in Deutschland nach 1968 in den 1970er- und 1980er-Jahren das Männerbild auf den Kopf gestellt wurde. Der Mann sollte nicht mehr hart wir Kruppstahl sein, sondern weich, empfindsam, selbstreflektiert und frauenverstehend. Gleichzeitig gab es aber immer noch dieses alte, patriarchalische Ideal des durchsetzungsstarken Mannes. Diese Dopplung der Ansprüche an die Männer führte dazu, dass die Männer wirklich nicht wussten: Ja, wie soll ich denn sein? Und in ihrer inneren Inszenierungsnot orientierten sie sich mehr und mehr an ihren Partnerinnen: Was erwartet sie eigentlich von mir? Ich beschreibe das im Buch anhand einer Männertypologie, die wir auch quantifiziert haben: Mit 27 % ist der größte Männertypus der sogenannte Schoßhund. Der Mann ist brav und tut das, was Frauchen ihm sagt, und im Internet zerbeißt er heimlich einen Pantoffel. In einer Gruppendiskussion haben wir die Frage gestellt, wie der Mann von heute sein soll. Da meldete sich ein Mann und sagte: „Der Mann soll heute die beste Freundin seiner Frau sein.“ Und keiner der anderen widersprach ihm.

In der Analyse der gesellschaftlichen Entwicklungen werden die Emotionen, die uns eigentlich motovieren und treiben, oft vernachlässigt …

Darum heißt der Untertitel des Buches ja auch Psychologie einer aufgewühlten Gesellschaft. Wir leben in einer Zeit übersteigerter Erwartungen und großer Kränkungen. Da gibt es Orientierungskrisen, die uns den Boden unter den Füßen entziehen. Da gibt es bei vielen Frauen und Müttern einen Überperfektionsanspruch, der in die Erschöpfung führt. Wir brauchen daher ein neues und realistisches Maß dessen, was wir leisten können, was wir uns zumuten können. Wir leben gesünder, wenn wir uns eingestehen, dass wir im 21. Jahrhundert immer noch nicht allmächtig, sondern behinderte Kunstwerke sind. Wir brauchen immer noch den anderen als Unterstützung und Ergänzung. Nur so sind wir gemeinschaftsfähig. Wir sollten uns eingestehen, dass es keine Endweisheit gibt, sondern dass wir immer Suchende sind und dabei auch Irrende. Und wir brauchen den Mut zu einer neuen Streitkultur, um uns auf dieser gegenseitigen Suche mitzunehmen.
 

Stephan Grünewald: Wie tickt Deutschland? Psychologie einer aufgewühlten Gesellschaft. Köln 2019: Kiepenheuer & Witsch. 320 Seiten, 20,00 Euro

Stephan Grünewald ist Psychologe und Geschäftsführer des rheingold instituts in Köln.

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der tv diskurs.