Die Zeit läuft ab

Wie TikTok den langjährigen Marktführer YouTube bedrängt

Ferdinand Prösch

Ferdinand Prösch studiert Sportjournalismus an der Hochschule Macromedia in Hamburg.

Der Name „TikTok“ implementiert eine tickende Uhr. Diese dürfte auch der Videoriese YouTube wahrgenommen haben, denn die Plattform für Kurzvideos rückt auf dem Markt näher heran und verzeichnet exzessiv wachsende Zahlen. Eine vergleichende Inhaltsanalyse im Rahmen eines studentischen Forschungsprojekts der Hochschule Macromedia (Hamburg) bestätigt diese Tendenzen und zeigt Gründe auf.

Printausgabe mediendiskurs: 26. Jg., 4/2022 (Ausgabe 102), S. 36-37

Vollständiger Beitrag als:

Untersuchung

Vorreiter in einer modernen Inhaltsvielfalt ist DAZN. Bei diesem Streaminganbieter für Sport können Nutzer:innen für einen monatlichen Beitrag alle verfügbaren Events live und auf Abruf anschauen. Ebenso bedient sich das Unternehmen der bekannten sozialen Medien, um sein Angebot zu erweitern. Um die Unterschiede in der Contentstrategie herauszuarbeiten, wurden jeweils 50 Beiträge von DAZN auf TikTok und YouTube untersucht. (vgl. Tabelle 1)
 

 

Die Inhalte sind deutlich auf das eigene Sportangebot ausgerichtet und spiegeln zum Großteil Szenen aus Übertragungen wider. Trotzdem unterscheiden sich die Videos in den beiden sozialen Medien. Im Durchschnitt ist ein audiovisueller Beitrag auf TikTok nur 37 Sekunden lang, während dieser Wert bei YouTube bei 3 Minuten und 32 Sekunden liegt.

Aufgrund einer eigens erstellten Humor-Skala lässt sich zudem ein weiterer gravierender Unterschied herausstellen. Eine Skalierung von 1 bis 4 wurde mit Ankerbeispielen versehen, um den objektiven Faktor des Humors in statisch messbare Daten zu verwandeln. Eine 4 auf der Skala ist das Video mit dem größten Humor-Fokus. Es ist nur darauf ausgelegt, den/die Nutzer:in zum Lachen zu bringen.1 Eine 1 hat hingegen lediglich leichte humoristische Tendenzen.2

Der Fokus der TikTok-Beiträge liegt auf einer humoristischen Darstellung, was auf die junge Gruppe an Rezipienten zugeschnitten ist. Die kurzen Videos erreichen hohe Aufrufzahlen und positive Reaktionen in Form von „Likes“. Einen Beitrag auf TikTok sehen durchschnittlich 100.000 Nutzer:innen mehr als auf YouTube. Zudem „likt“ nur etwa jeder 40. das gesehene Video auf YouTube, während bei TikTok ca. jeder Zehnte auf den „Gefällt-mir“-Knopf für das soeben geschaute Video drückt. Eine ausgiebigere Interaktion findet weiterhin auf YouTube statt. Die Nutzer:innen kommentieren deutlich häufiger und tauschen sich über die im Video behandelten Themen aus.


Fazit

Eine kleine studentische Untersuchung zeigt bereits mit Deutlichkeit die aktuelle Entwicklung auf. TikTok bedient sein junges Publikum mit kurzen und lustigen Videos. Der besondere Algorithmus fördert eine lange Nutzung der App und generiert aufgrund der extremen Kürze der Beiträge eine riesige Menge an Daten. Die gestandenen Medienfirmen, zu denen DAZN inzwischen zählt, müssen ihre Inhaltsstrategie individuell anpassen. Dazu muss das Konzept von TikTok zunehmend durchdrungen werden. Diese Studie liefert einen Ansatz für ein tieferes Verständnis des künftigen Medienkonsums. Klar ist bereits am heutigen Tag: Die Uhr tickt für die gestandenen Social-Media-Plattformen, denn mit TikTok haben sie einen, trotz der lustigen Videos, ernst zu nehmenden Konkurrenten.