Film als Medium der Verführung

Einführung in die Seduktionstheorie des Films

Marcus Stiglegger

Wiesbaden 2023: Springer VS
Rezensent/-in: Uwe Breitenborn

Buchbesprechung

Printausgabe mediendiskurs: 28. Jg., 4/2024 (Ausgabe 110), S. 81

Vollständiger Beitrag als:

Film als Medium der Verführung

Filme sind ein hochkomplexes Zeichensystem. Um die verschiedenen Symbolkonfigurationen, latente und offensichtliche Inszenierungsweisen und Tiefenstrukturen von Filmen zu verstehen, bedarf es einer hermeneutischen Methode. Stigleggers Buch, das als Update von Ritual & Verführung (2006) sowie anderer Texte von ihm gelten kann, stellt nun solch ein analytisches Werkzeug noch einmal ausführlich vor: die Seduktionstheorie des Films.

Der Begriff „Verführung“ (franz.: séduction) deutet auf eine besondere Qualität des Mediums Film hin. Die Manipulation und Täuschung, das Spiel mit dem Unbewussten ist Filmen zutiefst eigen und kann je nach Genre vielfältige Affekte bei uns hervorrufen: Freude, Lust, Erregung, Grauen, Angst, Ekel u. v. m. Der Autor begibt sich kenntnisreich auf eine Reise durch ein illustres Panorama an alten und neuen Filmen, um Konventionen filmischer Vereinnahmungsmechanismen offenzulegen.

Die Seduktionstheorie beschreibt das Medium Film als ein Mittel der Verführung und knüpft an Aspekte der Psychoanalyse an. Stiglegger benennt drei Stufen der Verführung: In einem ersten Schritt verführt der Film das Publikum, um dessen Interesse zu wecken. Diese Erwartungen werden z. B. durch Trailer, Promotion, Cast oder Genrezuordnung stimuliert. Auf der zweiten Ebene kann der Film eine bestimmte Aussage propagieren, was in Erzählmustern, Zuweisungsstrukturen oder klaren inhaltlichen Botschaften zum Ausdruck kommen kann. In der dritten Ebene verführt der Film zu einem verborgenen Ziel. Hier geht es also um subtile Aspekte wie latente Begehrensstrukturen (vgl. S. 4).

Die psychoanalytische Herangehensweise geht über klassische filmwissenschaftliche Aspekte hinaus, was umfangreich anhand von Theorien von Lacan bis Baudrillard u. v. a. diskutiert wird. In seinen detailaffinen Filmanalysen konzentriert sich der Autor auf diese Ebene. Ein Filmregister wäre hier zur Orientierung vorteilhaft gewesen. Im Vorwort von Lothar Mikos heißt es, die Lektüre dieses Buches eröffne uns neue Sichtweisen nicht nur auf Filme, sondern auch auf uns selbst. Nicht schlecht für ein filmtheoretisches Buch, das für Studierende und ein akademisches Publikum lesenswert ist.

Dr. Uwe Breitenborn