Juristische Aufsätze (Ausg. 89)

Redaktion Recht

Vollständiger Beitrag als:

We’re going to Ibiza – oder: Durften „Spiegel“ und „ Süddeutsche“ das ihnen zugespielte „Strache-Video“ veröffentlichen?

Vermutlich mittlerweile allseits bekannt, veröffentlichten der „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ ein Video, aufgenommen mit versteckter Kamera, in dem die zwei ranghohen FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, dessen Ehefrau sowie eine vermeintlich russische Oligarchin zu sehen sind. Strache buhlt um das Geld der Oligarchin und bietet ihr als mögliche Gegenleistung für horrende Spenden den Verkauf der „Kronen-Zeitung“ an. Bei der rechtlichen Einordnung sind zwei Ebenen klar voneinander zu trennen: das heimliche Aufnehmen der Konversation der vier Gefilmten und die spätere Veröffentlichung durch die Medien. Heimliches Filmen. § 201a Strafgesetzbuch (StGB) sanktioniert die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Das Video enthält wohl neben dem veröffentlichten politischen Gespräch auch Sequenzen, die intime Gesprächsinhalte festhalten und damit den höchstpersönlichen Lebensbereich berühren. Die Aufnahme wäre damit rechtswidrig entstanden, eine Strafbarkeit nach § 201a StGB zu bejahen. Gleichsam ist an eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes zu denken (§ 201 StGB).

Veröffentlichen des Videos durch die Zeitungen. Dass die Aufnahme gegebenenfalls rechtswidrig entstanden ist, hindert die beiden Zeitungen grundsätzlich nicht an einer legalen Veröffentlichung, so beurteilen das die höchsten Gerichte seit Jahren. Damit die Aufgabe der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ nicht gefährdet ist, sehen die Gerichte auch die Veröffentlichung rechtswidrig entstandener Informationen von der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Grundgesetz) umfasst. Es bedarf jedoch einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Interessen: der Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten auf der einen und das öffentliche Interesse auf der anderen Seite. Und diese Abwägung fällt in diesem Fall angesichts der schwerwiegenden Aussagen – mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen vermuteter Korruption – klar zugunsten der Berichterstattung/des öffentlichen Interesses aus. Für ein zulässiges Veröffentlichen spricht auch, dass die Zeitungen sich auf das Verbreiten der politisch bedeutsamen Sequenzen beschränkt haben.

Aufsatz: Strache Video – War die Veröffentlichung des Strache-Videos durch die Medien zulässig?
Autor: Fachanwalt Karsten Gulden, L L.M.
Quelle: ggr.law.com, 23.05.2019.
Abrufbar unter: https://ggr-law.com (letzter Zugriff: 19.06.2019)
 



Influencer-Marketing: Bundesjustizministerium denkt über klare gesetzliche Regelungen nach

Gegenwärtig herrscht große Unsicherheit unter den Influencerinnen und Influencern darüber, was sie beispielsweise bei ihren Instagram-Posts als Werbung kennzeichnen müssen und was nicht. Die bisher dazu uneinheitlich ergangene Rechtsprechung schürt diese Unsicherheit gerade in Bezug auf Posts, Tags, Verlinkungen, für die die Influencerinnen und Influencer keine finanzielle Gegenleistung erhalten. Während das Landgericht Karlsruhe z.B. eine Kennzeichnung auch für unbezahlte Beiträge erwartet, verneint das Landgericht München eine solche Verpflichtung (siehe Urteil „Blauer Elefant“, S. 90 dieser Ausgabe). Ein „hilfreiches“ Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes fehlt bislang, da die Influencerinnen und Influencer die oftmals kostspieligen und langwierigen Gerichtsverfahren scheuen. Gerd Billen, Staatssekretär des Bundesjustizministeriums, möchte nun klare gesetzliche Regelungen schaffen. Eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), insbesondere des § 5a Abs. 6 UWG, befindet er für möglich. Klar hingegen ist die Rechtslage, wenn die Influencerinnen und Influencer von dem Unternehmen dafür bezahlt werden, ein Produkt zu bewerben; Entsprechendes ist in Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG gesetzlich geregelt:

„Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 sind […] der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung) […].“

Verbände und Institutionen äußern jedoch Zweifel, ob die Zeit reif für eine gesetzliche Regelung ist, und plädieren dafür, weitere Gerichtsentscheidungen abzuwarten, um zu sehen, welche Maßstäbe die Gerichte entwickeln. Christina Kiel-Otto, Rechtsanwältin der Wettbewerbszentrale, kann sich auch vorstellen, dass Unternehmen und Influencerinnen und Influencer das Problem selbst in den Griff bekommen. So denkt sie an einen Kodex, der festlegt, welche Posts wie gekennzeichnet werden müssen.

Aufsatz: BMJV will klare Regeln für Influencer. Was ist Werbung, was nicht?
Autorin: Annelie Kaufmann
Quelle: Legal Tribune Online (LTO), 12.06.2019.
Abrufbar unter: https://www.lto.de (letzter Zugriff: 19.06.2019)