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KI-generierte Inhalte im Film

Chancen und rechtliche Herausforderungen

Miriam Martiny

Dr. Miriam Martiny L.L.M. ist Rechtsanwältin in Hamburg. Sie berät nationale und internationale Kino- und Serienproduktionen sowie Kreative, z. B. Autor:innen und Schauspieler:innen. Darüber hinaus ist sie auf das Datenschutzrecht und KI-Recht spezialisiert. Sie ist regelmäßig als Referentin und Autorin zu diesen Themen tätig.

Auch in der Filmbranche wird künstliche Intelligenz eingesetzt. Dabei stellen sich die Fragen: Welche vertraglichen Regelungen sind erforderlich, um KI im Rahmen einer Produktion verwenden zu dürfen? Und geht es auch ohne Zustimmung der Darsteller:innen und Sprecher:innen?

Printausgabe mediendiskurs: 29. Jg., 1/2025 (Ausgabe 111), S. 79-84

Vollständiger Beitrag als:

Einleitung

Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) hat technische Möglichkeiten geschaffen, Visionen, die einst nach Science-Fiction klangen, plötzlich greifbar nah wirken zu lassen. Alles scheint möglich – es ist nur noch eine Frage des Budgets. Aufseiten der Darsteller:innen hingegen machen sich Sorgen um den Schutz des eigenen Abbildes, aber auch der eigenen Stimme breit. Die Synchronbranche fürchtet zudem nicht nur um die Stimmen, sondern vielmehr um die Existenz eines gesamten Berufszweiges.

Dass es sich dabei nicht nur um theoretische Möglichkeiten handelt, zeigt z. B. der Anfang des Jahres 2025 erschienene Kinofilm Putin, in dem der russische Präsident Wladimir Putin von einer KI-bearbeiteten, täuschend echt aussehenden Reproduktion porträtiert wird. Jüngst wurde zudem bekannt – und teilweise scharf kritisiert –, dass bei dem Oscargewinner The Brutalist KI verwendet wurde, um die ungarischen Dialoge der englischsprachigen Hauptdarstellerinnen zu perfektionieren.

Im Jahr 2023 führte die wachsende Nutzung von KI in der Filmbranche in den USA bereits zu einem Streik der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA, die klare Regeln zum Schutz vor der unkontrollierten Verwendung digitaler Nachbildungen forderte. Nach monatelangen Verhandlungen wurden Vereinbarungen getroffen, die u. a. Mindeststandards für die Nutzung von Aussehen und Stimme der Darsteller:innen festlegen. Auch die deutsche Filmbranche hat bereits reagiert und im neuen Manteltarifvertrag des TV FFS eine Anlage zum Einsatz generativer künstlicher Intelligenz in Filmproduktionen geschaffen, die den Umgang mit digitalen Veränderungen und digitalen Nachbildungen in den Grundzügen zu regeln versucht.

Für beide Seiten stellen sich daher die Fragen: Welche vertraglichen Regelungen sind erforderlich, um KI im Rahmen einer Produktion verwenden zu dürfen? Und geht es auch ohne Zustimmung der Darsteller:innen und Sprecher:innen?
 


Einsatzzwecke der KI im Film

Die Verwendung von KI-Reproduktionen bietet Produzent:innen eine Vielzahl innovativer Möglichkeiten, die sowohl praktische als auch kreative Vorteile mit sich bringen. So könnten KI-Reproduktionen dazu beitragen, arbeitsrechtliche Einschränkungen zu umgehen, die bei Dreharbeiten oft hohe Kosten verursachen. Beispielsweise könnten sich Szenen mit Kindern oder die Einhaltung strenger Arbeitszeitregelungen durch den Einsatz digitaler Darsteller:innen deutlich einfacher und kosteneffizienter gestalten. Auch in unvorhergesehenen Situationen, z. B. dem plötzlichen Tod einer Darsteller:in während der Produktion, könnte die Technologie eine nahtlose Fortsetzung der Dreharbeiten ermöglichen, indem die verstorbene Person in den verbleibenden Szenen digital reproduziert wird. Ein weiterer Aspekt ist die Nutzung von KI für die Synchronisation von Filmen. Mit dieser Technologie kann ein Film in beliebigen Sprachen mit der Originalstimme der Darsteller:innen synchronisiert und die Lippenbewegungen angepasst werden – ganz ohne den Einsatz von Synchronsprecher:innen. Aber auch mühsame Terminfindungen für Nachsynchronisationsarbeiten könnten entfallen, wenn diese zukünftig von der KI übernommen würden.

Darüber hinaus eröffnen KI-Bearbeitungen auch kreative Freiheiten, die anders nur schwer oder gar nicht realisierbar wären. Sie erlauben es, jüngere oder ältere Versionen einer Darsteller:in abzubilden, ohne aufwendige Maskentechniken oder visuelle Effekte einsetzen zu müssen. Spektakuläre Actionsequenzen oder fantastische Szenarien, bei denen der reale Einsatz der Darsteller:innen riskant oder unmöglich wäre, lassen sich ebenfalls problemlos umsetzen. Zudem bietet die Technologie die Möglichkeit, historische Persönlichkeiten oder verstorbene Legenden der Filmgeschichte authentisch wiederzugeben.
 

KI-Bearbeitungen mit oder ohne Vertrag?

Die dargestellten technischen Möglichkeiten klingen verlockend. Dabei kommt nicht selten die Frage auf, welcher bzw. ob es überhaupt Regelungen mit den Darsteller:innen oder Sprecher:innen bedarf, um deren Aussehen oder Stimme mit KI zu bearbeiten.
 

a) Ausdrückliche vertragliche Vereinbarung

Hinsichtlich der Erstellung einer Reproduktion, also der Anfertigung etwaiger Scans oder der Sammlung bestehenden Datenmaterials (z. B. Stimmaufzeichnungen oder Videos und Fotografien) und der Einspeisung dieses Materials in die KI zum Zwecke des Trainings dieser und um diese zu befähigen, Personen oder Stimmen zu reproduzieren, ist vor allem das Datenschutzrecht zu berücksichtigen. Wird eine KI-Nachbildung einer Stimme oder des Aussehens einer Person erstellt, so werden auch stets personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der betroffenen Person verarbeitet. Für eine solche Datenverarbeitung bedarf es einer Rechtsgrundlage (z. B. einer Einwilligung oder eines Vertrags).

Hinzu kommt eine Besonderheit: Das individuelle Aussehen einer Person und deren Stimme stellen grundsätzlich biometrische Daten dar. Sofern diese „zur Identifikation einer Person“ verwendet werden, unterliegen sie einem besonderen Schutz nach der DSGVO. Greift dieser ein, ist immer eine explizite und widerrufbare Einwilligung der betroffenen Person erforderlich. Bei KI-Reproduktionen steht jedoch meist nicht die Identifizierung als solche, sondern die möglichst realitätsnahe Nachbildung im Vordergrund. Auch wenn sich daraus faktisch eine Identifizierbarkeit ergibt, fehlt es am erforderlichen Verarbeitungszweck im Sinne des Gesetzes. Die Norm zielt vor allem auf die Gesichtserkennung oder den digitalen Fingerabdruck, anhand derer bzw. dessen Personen identifiziert werden sollen. Für Szenarien wie die Erstellung technischer Reproduktionen anhand von biometrischen Daten passt der Wortlaut der Norm nicht – auch wenn eine solche Datenverarbeitung nicht weniger Risiken für die betroffene Person birgt. Im Ergebnis bedeutet dies jedoch, dass diese Spezialregelung – in der derzeitigen Form vorliegend – wohl keine Anwendung findet.

Stattdessen ist die Zulässigkeit dieser Datenverarbeitung nach den allgemeinen Vorgaben der DSGVO zu beurteilen. Im Rahmen dieser besteht die Möglichkeit, dass eine Datenverarbeitung zur Erfüllung eines Vertrags erfolgen kann. Das wäre bei einer Filmproduktion z. B. der Darsteller:innen- oder Sprecher:innenvertrag. Diese Lösung hat den Vorteil, dass keine gesonderte datenschutzrechtliche Einwilligung eingeholt werden muss, die auch immer eine Widerrufbarkeit vorsehen müsste. Erforderlich ist jedoch, dass die KI-Bearbeitung ausdrücklicher Bestandteil des Vertrags ist. Ein unauffälliges „Verstecken“ einer möglichen KI-Bearbeitung in einem kurzen Nebensatz im Rahmen des Bearbeitungsrechts reicht im Zweifel nicht aus, um eine ausdrückliche Hauptvertragspflicht zu begründen.

Ist eine datenschutzrechtliche Grundlage für die Erstellung von KI-Bearbeitungen geschaffen, so sind zudem die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten: Je größer die mit der Darstellung verbundene Persönlichkeitsgefährdung ist, desto genauer sollten Inhalt, Zweck und Ausmaß der KI-Bearbeitung in dem Vertrag bestimmt werden. Demzufolge empfiehlt es sich, neben der Erstellung der KI-Reproduktion als solcher auch die konkreten anschließenden Verwendungszwecke zu bestimmen. Mithin sollte klar definiert werden, für welche Produktion die Reproduktion verwendet wird und zu welchem konkreten Zweck die KI-Bearbeitung erfolgt. Außerdem sollte ein Bezug auf die finale Drehbuchfassung vereinbart werden. Durch diese Konkretisierungen können sich Produzent:innen vor etwaigen späteren Einwänden der Darsteller:innen schützen.
 

b) KI-Verwendung ohne vertragliche Regelung?

Aber kann KI auch dann verwendet werden, wenn darüber keine vertragliche Regelung mit der Person geschlossen wurde? Etwa, weil die Person satirisch oder kritisch dargestellt werden soll, sie bereits verstorben ist oder der Film längst produziert, die Verträge durchgeführt wurden, aber nun doch noch eine Auswertung in anderen Sprachen vorgenommen werden soll?

Das Datenschutzrecht erlaubt eine solche Datenverarbeitung ohne Vertrag und Einwilligung dann, wenn diese zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen (Produzent:in) erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen (KI-bearbeiteten) Person überwiegen. Es bedarf mithin einer Abwägung. Eine solche Abwägung ist nicht neu, betraf jedoch bisher Darstellungen von Personen und deren Lebensbild in Filmen durch andere Darsteller:innen. Eine Zulässigkeit solcher Darstellungen wäre z. B. im Rahmen einer Verfilmung von Geschehnissen mit zeitgeschichtlicher oder gesellschaftspolitischer Bedeutung denkbar. Dabei hängt die Intensität des Eingriffs in die Rechte der dargestellten Person stets davon ab, wie gut diese erkennbar ist. Bei einer (technisch gelungenen) KI-Reproduktion ist in der Regel eine absolute Erkennbarkeit gewollt und gegeben. Die Zuschauer werden in einem solchen Fall, trotz einer etwaigen Kennzeichnungspflicht nach der KI-Verordnung, nach kurzer Zeit das Gefühl bekommen, die echte Person zu sehen, und annehmen, dass die dargestellten Handlungen durch die Person auch tatsächlich selbst erfolgt sind. Im Falle einer Reproduktion ist es für die Zuschauer kaum möglich, das realistische Abbild nicht als die echte Person zu begreifen. Hinzu kommt der Schutz der dargestellten Person gegen tatsachenwidrige Darstellungen der eigenen Person und damit verbundene Verfälschungen des Lebensbildes, der Schutz vor Ehrverletzungen sowie der Schutz gegen unautorisierte kommerzielle Ausnutzung von Persönlichkeitsmerkmalen. Wenn die reproduzierte Person in dem Film auch als sie selbst dargestellt wird, ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht besonders schwerwiegend. Die Zuschauer könnten in diesem Fall glauben, dass die Darsteller:in selbst ihre Erlebnisse auf der Leinwand teilt. In solchen Fällen ist insbesondere die Wahrheitserwartung der Zuschauer hinsichtlich der dargestellten Handlungen und Inhalte im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.

Bei bereits verstorbenen Personen sieht das Kunsturhebergesetz (KUG) einen postmortalen Bildnisschutz von zehn Jahren nach dem Tod des Abgebildeten vor. Außerdem soll der postmortale Persönlichkeitsrechtsschutz der verstorbenen Person auch nach ihrem Tod Schutz vor schwerwiegenden Verfälschungen ihres Lebensbildes bieten. Diese Rechte können von den Angehörigen der verstorbenen Person durchgesetzt werden, weshalb in solchen Fällen auch ein Vertragsschluss mit diesen ratsam sein kann.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Verwendung von KI im Rahmen einer Produktion ohne eine vertragliche Vereinbarung mit den betroffenen Personen ein hohes rechtliches Risiko birgt und daher eng durch anwaltliche Beratung begleitet werden sollte.
 


Je größer die mit der Darstellung verbundene Persönlichkeitsgefährdung ist, desto genauer sollten Inhalt, Zweck und Ausmaß der KI-Bearbeitung in dem Vertrag bestimmt werden.“


 

Die neue tarifvertragliche KI-Anlage

Anfang 2025 einigte sich ver.di mit der Schauspielgewerkschaft Bühne | Film | Fernsehen | Sprache (BFFS) und der Produktionsallianz über Bedingungen zum Einsatz von generativer KI in Filmproduktionen in Form einer Anlage zum TV FFS. Diese Anlage sieht für den Bereich des Schauspiels u. a. ein Einwilligungserfordernis bei dem Anfertigen, Vervielfältigen, Verbreiten oder öffentlichen Zurschaustellen einer digitalen Nachbildung einer Schauspieler:in vor. Zudem trifft der Tarifvertrag Regelungen darüber, wie eine digitale Nachbildung einer Schauspieler:in in weiteren Produktionen verwendet werden kann. Außerdem wird geregelt, welche digitalen Veränderungen keiner tarifvertraglichen Einwilligung bedürfen, wie z. B. Veränderungen im Sinne des Drehbuches oder zur Synchronisation in anderen Sprachfassungen.

Die Anlage legt einen ersten Grundstein für die Verwendung von KI im Bereich Schauspiel der deutschen Filmbranche. Hinsichtlich dieser Regelungen und insbesondere der Ausnahmen von dem Einwilligungserfordernis ist jedoch zu beachten, dass daneben weiterhin die allgemein geltenden Gesetze zu berücksichtigen sind. Daher schafft diese Anlage für die Produzent:innen (noch) keine vollständige Rechtssicherheit. Insofern empfiehlt sich auch im Anwendungsbereich des Tarifvertrags eine umfassende rechtliche Prüfung der notwendigen vertraglichen Regelungen, um gegebenenfalls etwaige zusätzliche vertragliche Anpassungen vorzunehmen.
 

Fazit und Ausblick

Rechtliche Rahmenbedingungen sind notwendig, um einen verantwortungsvollen Umgang mit KI in der Filmproduktion zu gewährleisten. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die rechtliche Einschätzung einzelfallbezogen erfolgen muss. Es ist daher absehbar, dass in Zukunft weitere gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen erforderlich sein werden, um sicherzustellen, dass technologische Fortschritte nicht auf Kosten der Rechte der betroffenen Personen oder deren Angehörigen gehen, und um zeitgleich Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.

Neben den rechtlichen Aspekten stellt sich auch die Frage nach den ethischen Implikationen. Die Möglichkeit, Aussehen und Stimme künstlich zu reproduzieren, könnte langfristig die Definition von Schauspielkunst und die Synchronbranche verändern. Wem gehört die künstlerische Leistung einer KI-Reproduktion? Welche Auswirkungen hat es auf die Beschäftigung und den kreativen Wert echter Darsteller:innen und Synchronsprecher:innen? Und sollen verstorbene Personen durch KI tatsächlich wieder zum Leben erweckt werden können? Solche Fragen müssen im Diskurs der Branche aktiv diskutiert werden.

Trotz dieser Herausforderungen überwiegen die Chancen, die KI für die Filmindustrie bietet. Sie eröffnet neue Wege der kreativen Gestaltung und macht Produktionen perspektivisch effizienter. Entscheidend ist jedoch, dass diese Technologien mit Bedacht eingesetzt werden – unter Berücksichtigung klarer rechtlicher Regelungen und ethischer Grundsätze.