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Kino versus Streamingdienste

Filmfinanzierung und die Motivation junger Zuschauer

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg war bis Dezember 2023 Chefredakteur der Fachzeitschrift „mediendiskurs“ und ist aktuell Chefredakteur der Zeitschrift „Jugend Medien Schutz-Report“.

Die Internationalen Filmfestspiele Berlin sind wie immer beliebt und erzeugen hohe mediale Aufmerksamkeit. Allerdings: Die Branche klagt, die Filmfinanzierung wird immer schwieriger, die Reform der Filmförderung ist in letzter Sekunde – zumindest teilweise – vor den Bundestagswahlen dann doch noch verabschiedet worden, aber es fehlen wichtige Teile. Die digitale Konkurrenz wie Netflix feiert dagegen finanzielle Erfolge. Wie können Jugendliche als die zukünftigen Kunden ins Kino gelockt werden? Und welche kulturelle und psychosoziale Bedeutung hat das Kino heute noch?

Online seit 13.03.2025: https://mediendiskurs.online/beitrag/kino-versus-streamingdienste-beitrag-772/

 

 

Die Produktion von Kinofilmen ist teuer. 2018 kostete die Herstellung eines Films in Deutschland durchschnittlich 2,9 Mio. Euro. (vgl. Harms 2024) Während viele große Hollywoodproduktionen über 200 Mio. Dollar kosten, arbeiten deutsche Filmproduzenten  heute meistens mit Etats zwischen drei und acht Millionen Euro (Die Filmfinanzierung o. D.). Der Grund: Der deutsche Kinomarkt ist mit den rund 84 Mio. Einwohnern erheblich kleiner als der US-Markt mit ca. 340 Mio. Menschen, außerdem ist die USA ein Schmelztiegel aus verschiedenen Kulturen, sodass US-Filme fast überall in der Welt attraktiv sind und international die Kinos dominieren. Europäische Filmproduktionen haben es im Ausland dagegen sehr viel schwerer. Viele europäische Länder, allen voran Frankreich, befürchten eine kulturelle Dominanz durch US-Filme und fördern daher die Produktion der nationalen Filmindustrie.

In Deutschland gibt es die Filmförderung seit 1967, die Kinofilme in allen Phasen der Entstehung und Verwertung unterstützt - von der Drehbuchentwicklung über die Produktion bis hin zum Verleih. Das Budget der FFA-Förderungen speist sich nach dem Filmförderungsgesetz aus der sogenannten Filmabgabe, die u. a. von den Kinos, der Videowirtschaft und dem Fernsehen erhoben wird. „Darüber hinaus führt die FFA die steuerfinanzierte Filmförderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) durch. Hierzu zählen der Deutsche Filmförderfonds (DFFF), die jurybasierte kulturelle Filmförderung des Bundes und für die Produktion hoch budgetierter Serien und Filme, die nicht im Kino ausgewertet werden, der German Motion Picture Fund (GMPF). Zudem unterstützt die FFA gemeinsam mit anderen europäischen Förderinstitutionen die Entwicklung grenzüberschreitender Projekte und Koproduktionen“ (FFA 2025a). Über die FFA hinaus fördern in den Bundesländern zusätzlich zahlreiche Institutionen die Produktion von Filmen.
 


In Deutschland gibt es die Filmförderung seit 1967, die Kinofilme in allen Phasen der Entstehung und Verwertung unterstützt - von der Drehbuchentwicklung über die Produktion bis hin zum Verleih.“


 

Corona als Kinokiller

Durch die Coronakrise waren die Kinos über einen langen Zeitraum geschlossen. Gleichzeitig war es ausgesprochen schwierig, Filme zu produzieren, weil damit erhebliche Sicherheitsmaßnahmen und Auflagen verbunden waren. Was das für die finanzielle Situation des Kinos bedeutet, wertet unter anderem die FFA-Marktforschung aus, die Besucher befragt. Norina Lin-Hi, Leiterin der Marktforschung und Statistik bei der FFA, weist darauf hin, dass gerade die jungen Leute wieder ins Kino zurückgekommen sind; sie liegen bei den Reichweiten vor der Pandemie (vgl. Lin-Hi in Asel et al. 2025). Aber die Menschen, die über 60 Jahre alt sind und vorher häufiger ins Kino gingen, bleiben mittlerweile vermehrt fern. Ungefähr 19 % der Bevölkerung sind zwischen 0 und 19 Jahren alt und machen 34 % der Kinobesucher aus. Allerdings werden 44 % der Tickets von Menschen unter 20 Jahren gekauft: Wer ins Kino geht, geht nicht nur einmal im Jahr dorthin. Überraschend ist, dass nur ein Drittel der Bevölkerung Deutschlands 2024 im Kino war. Von denen, die nicht ins Kino gegangen sind, sagt die Hälfte, sie könnte sich einen Kinobesuch gut vorstellen, während die andere Hälfte keine entsprechenden Absichten hat (vgl. ebd.).
 

Kino ist mehr als die Sichtung des Films

Das Kino ist nicht regelmäßig im Bewusstsein; Lin-Hi nennt das „Top of Mind“: Wenn man überlegt, wie man das Wochenende gestaltet, dann kommt man nicht automatisch auf die Idee, ins Kino zu gehen. Sie meint, es fehle an Informationen über das Kino und aktuelle Filme. Diese müssten an ältere Menschen stärker herangetragen werden (vgl. ebd.). Bei Kindern und Jugendlichen sei das eher der Fall, weil sie in einem anderen Kosmos lebten und zum Beispiel auf dem Schulhof über Kinofilme redeten. Da könne man sich über Filmerlebnisse austauschen und so für einen Kinobesuch werben, oft gibt es zu den Filmen Werbeartikel, die man unter Jugendlichen benutzt und dadurch auch die Filme für andere attraktiv macht. Es gebe auch eine Art Community-Gefühl, wenn man ins Kino geht; man trifft dort Menschen mit ähnlichen Interessen. Im Jugendalter sei es wichtig, sich selbst zu verorten, sich selbst zu identifizieren und auch zu positionieren. Hilfreich seien auch anerkannte Schulveranstaltungen als Filmbildungsangebote wie die von Vision Kino. Wichtig sei es, solche Kinoaktivität und diese Filmbildungsveranstaltung zukünftig in der Normalität der Freizeitgestaltung zu verankern: Man gehe ins Kino, weil das ein Ort sei, an dem man sich treffen und eine Community finden könne. Allerdings konkurriere das Kino mit ganz vielen anderen Angeboten (Lin-Hi ebd.).
 


Die aktuelle Situation der Kinos

Im Jahre 2024 wurden 90,1 Mio. Kinotickets verkauft, der Umsatz lag bei 868,4 Mio. Euro. Damit war das Kinojahr 2024 etwas schwächer als 2023. Der Marktanteil deutscher Filme lag mit 20,6 % 3,7 Prozentpunkte unter dem des Vorjahres. Als Grund für die Schwäche der Kinos nannte Peter Dinges, Vorstand der Filmförderungsanstalt (FFA), die Konkurrenz der Fußballeuropameisterschaft im eigenen Land und die Olympischen Spiele. Hinzu kamen die Folgen der 118 Tage dauernden Streiks in Hollywood, welche die US-Filmproduktion über Monate zum Erliegen gebracht haben. Potenzielle Blockbuster wie zum Beispiel der 3. Avatar-Film sind aus den Startplänen gestrichen worden; Filme, denen mehr als fünf Millionen Besuche zugetraut wurden, fehlten weitgehend. „Vor diesem Hintergrund ist das Minus von 5,8 Prozent bei den verkauften Tickets moderat. Wir können also zufrieden auf das Jahr zurückblicken“, so Dinges (FFA 2025). Es gab erfolgreiche deutsche Filme wie Chantal im Märchenland, Eine Million Minuten und vor allem Die Schule der magischen Tiere 3. „Gefehlt haben aber in Deutschland gedrehte internationale Großproduktionen – kein ‚John Wick‘, keine ‚Tribute von Panem‘ im letzten Jahr. Hier zeigt sich, dass der Produktionsstandort Deutschland aufgrund fehlender Anreize im internationalen Wettbewerb abgehängt war“ (ebd.). Leicht gesunken (1,3 %) ist 2024 auch die Anzahl der Kinos in Deutschland (vgl. ebd.).
 

Der Kinomarkt und die Filmförderung

Ob die von Dinges beschriebenen Effekte allein für den Rückgang des Umsatzes verantwortlich waren, wird sich zeigen: dann müsste es 2025 besser laufen. Vor allem die Reform der Filmförderung, die nach dem Aus der Ampelkoalition in letzter Sekunde in einer reduzierten Form verabschiedet wurde, macht die Planung für die Filmwirtschaft sehr schwierig. Auch der Verband der privaten Medien Vaunet weist auf die mangelnde finanzielle Unterstützung der Filmwirtschaft hin: „‚Die Anpassung des Filmförderungsgesetzes war eine Pflichtübung – verbunden mit einer schmerzhaften Reduzierung der Medialeistungen –, aber nicht ausreichend‘, erklärt Daniela Beaujean, Geschäftsführerin des VAUNET. Aufgestockte Fördertöpfe wie der GMPF und DFFF verbessern zwar die Förderbasis, sind aber keine Maßnahme für eine langfristige Stärkung der Branche. Ohne ein verlässliches Steueranreizmodell bleibt Deutschland für internationale Produktionen unattraktiv“ (Vaunet 2025).

Verschiedene Institutionen wie die Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V. (Produzentenallianz) sowie der Produzent*innenverband e.V. fordern eine gesetzliche Investitionsverpflichtung von Streamingdiensten wie Netflix und Co. Die Streaminganbieter sind vermutlich die größten Konkurrenten der Kinos, profitieren aber andererseits von der Produktion attraktiver Filme. Auch die Fernsehsender müssen sich an der Filmförderung beteiligen, selbst wenn sie keine oder nur wenige Spielfilme ausstrahlen. Nun sollen VoD-Anbieter verpflichtet werden, jährlich 25 % ihres in Deutschland im Vorjahr erzielten Nettoumsatzes in die Herstellung europäischer Werke sowie in den Erwerb von Rechten an europäischen audiovisuellen Werken zu investieren. Die Hoffnung ist, dass auf diese Art und Weise mehr Geld in die Kassen der Filmförderung fließt. Bei Vaunet stößt das allerdings auf Ablehnung: „Der VAUNET kritisiert weiterhin Maximalforderungen nach einer Investitionsverpflichtung für VoD-Anbieter, die die Programmfreiheit einschränken und gerade nicht zwingend zu einer Erhöhung der Investitionen in Deutschland führen. Eine Investitionsverpflichtung, die weder am Markt noch vor Gericht Bestand haben wird, nützt am Ende keinem. ‚Wir sollten stattdessen alle berechtigten Interessen zusammenbinden und einen gemeinsamen Weg suchen, der wieder mehr Dynamik im Markt entfacht und keinen Beteiligten einseitig Lasten aufbürdet‘, so Daniela Beaujean. Auch Fragen wie die Verteilung von Rechten ließen sich im Dialog und in Kombination mit einem Steueranreizmodell effizienter lösen als durch regulatorische Eingriffe“ (ebd.).
 


Vor allem die Reform der Filmförderung, die nach dem Aus der Ampelkoalition in letzter Sekunde in einer reduzierten Form verabschiedet wurde, macht die Planung für die Filmwirtschaft sehr schwierig.“


 

Attraktivität des Kinos bei Kindern und Jugendlichen

Kinder sind für die Kinos von großer Bedeutung. Viele nationale und internationale Kinohits sprechen Kinder als Zielgruppe an. In den dazu veröffentlichten FFA-Studien können Kinder unter 10 Jahren aus methodischen Gründen nicht erfasst werden. Die FFA hat 2023 erstmals eine zusätzliche Erhebung durchgeführt, in der die Eltern im Juli zu den Kinobesuchen ihrer Kinder in den letzten 12 Monaten befragt wurden. „Die nun veröffentlichte zweite Ausgabe dieser Erhebung – durchgeführt wieder im Juli – bietet neue Erkenntnisse unter anderem zur Reichweite und Besuchsintensität der deutschen Bevölkerung ab 0 Jahren. Demnach beginnt das ‚Kinoalter‘ mit der Grundschule: 73 Prozent der 6- bis 9-Jährigen waren in den letzten 12 Monaten mindestens einmal im Kino – 5 Prozentpunkte mehr als im Vergleichszeitraum 2023. Die höchste Reichweite erreichten weiterhin die 10- bis 14-Jährigen mit 79 Prozent“ (FFA 2024b).
 


Einfluss der Eltern

Auffällig ist der Einfluss der Eltern auf die Kinobesuchshäufigkeit: „92 Prozent der Kinder im Alter von 0-14 Jahren, deren Eltern in den letzten 12 Monaten 7-mal oder häufiger in einem Kino waren, waren in diesem Zeitraum ebenfalls im Kino. Kinder, deren Eltern nur einmal im Kino waren, erreichten eine Reichweite von noch 69 Prozent. Wenn die Eltern hingegen in den vergangenen 12 Monaten gar nicht im Kino waren, sinkt die Reichweite unter 30 Prozent. Umgekehrt gehen Haushalte mit Kindern unter 15 Jahren deutlich häufiger ins Kino: 48 Prozent davon haben dies zwischen Juli 2023 und 2024 mindestens 1-mal getan, während es bei Haushalten ohne Kinder unter 15 Jahren nur 25 Prozent waren“ (ebd.). Etwa ab dem 10. Lebensjahr entwickelt sich die Leidenschaft für das Kino. Aber selbst die Kinofans, die mindestens einmal im Jahr ins Kino gehen, werden etwas weniger, wenn sie ihren 20. Geburtstag hinter sich haben. Aber dafür gehen einige von ihnen dann 4,8-mal ins Kino und liegen damit deutlich höher als alle anderen Altersgruppen (vgl. Lin-Hi in Asel et al. 2025).

Der konkrete Film ist nicht der einzige Grund, um ins Kino zu gehen. Den kann man früher oder später auch zu Hause bei Netflix schauen. Es geht vor allem auch um den Ort des Kinos, um das Ritual. Man muss erst einmal dort hinkommen, man muss warten, unter Umständen steht man in der Schlange vor der Kasse oder dem Getränke- und Essenstresen. Dann sucht man den Platz, setzt sich hin, macht es sich in den meist bequemen Sesseln gemütlich und schaltet das Handy aus. Und dann genießt man den Film in einer Umgebung und in einer Qualität, die es nirgendwo besser gibt als im Kino: mit einer großen, scharfen Leinwand und dem perfekten Ton. Diesen Sound bekommt man nicht zu Hause.
 


Der konkrete Film ist nicht der einzige Grund, um ins Kino zu gehen. Den kann man früher oder später auch zu Hause bei Netflix schauen. Es geht vor allem auch um den Ort des Kinos, um das Ritual.“


 

Kino oder digitale Medien?

Nataly Bleuel bezweifelt im Süddeutschen Zeitung Magazin das Interesse Jugendlicher am Kino: „Unsere Jugend glotzt lieber zuhause auf ihre Bildschirme und versteht nicht, wieso man dafür rausgehen soll. Große Leinwand, Megasound, in superlangen Film eintauchen – wieso denn? Youtube-Videos kann man auch auf dem Smartphone gucken, gemütlich im Bett und wenn’s blöd wird, klickst du weiter“ (Bleuel 2018).

Eine kleine, nicht repräsentative Umfrage im Bekanntenkreis zur Vorbereitung dieses Artikels konnte diese Position allerdings nicht bestätigen: Zwar werden Streamingdienste durchaus geschätzt, weil sie jederzeit und mit überschaubaren Kosten eine breite Vielfalt an Filmen anbieten, allerdings sind parallel dazu auch Kinobesuche äußerst beliebt. Geschätzt wird der Kinobesuch als Erlebnis, bei dem man zusammen mit anderen, oft auch Freunden, gemeinsam einen attraktiven Film sehen kann. Die Qualität der großen Leinwand und des optimalen Sounds wird gelobt, in den meist sehr bequemen Sesseln kann man es sich gemütlich machen. Auch das Angebot an Speisen und Getränken trägt dazu bei, dass man den Film genießt.

Ein Problem für die Jugendlichen ist dagegen der relativ hohe Preis von durchschnittlich 9,64 Euro pro Karte, aber auch die im Vergleich zu Streamingdiensten reduzierte Auswahl an Filmen, die Netflix & Co. anbieten. Das heißt: Sowohl Streamingdienste als auch Kinobesuche sind beliebt und werden bei einem großen Teil der Jugendlichen parallel genutzt. Allerdings: Gäbe es die Streamingdienste nicht, wäre das Interesse an Kinobesuchen mangels Alternativen vermutlich größer. Dies dürfte bei erwachsenen Kinobesuchern ähnlich aussehen.
 

Aktionen zur Kino-Motivation für Jugendliche

Die Berlinale als in Deutschland bekanntestes und attraktivstes Filmfestival bietet einen großen Überblick über international relevante Filme. Allerdings sind diese vorher meist nicht in deutschen Kinos gelaufen und verfügen deshalb in der Regel nicht über eine FSK-Altersfreigabe, sodass Jugendliche unter 18 Jahren keinen Zutritt zu den Kinovorführungen haben. Dafür existiert für die Jüngeren ein spezielles Angebot: Für Kinder gibt es die Sektion Generation Kplus und für Jugendliche die Generation 14plus. Die dort laufenden Filme verfügen über eine auf das Festival beschränkte Freigabe, die in einem vereinfachten Verfahren von der FSK erteilt wird.

Melika Gothe ist Projektkoordinatorin der Berlinale-Sektion Generation. Auf die Frage, ob die Besucher solcher Festivals gegenüber den durchschnittlichen Kinobesuchern nicht ein Paralleluniversum darstellen, meint sie im rbb24 Inforadio: „Es sind keine kompletten Paralleluniversen, aber natürlich öffnet sich durch so ein Filmfestival noch einmal eine andere Form der Filmerfahrung und dadurch vielleicht auch tatsächlich doch ein anderes Universum. Das hat verschiedene Gründe, dass wir natürlich feststellen und anerkennen müssen, dass so ein Festivalbesuch was anderes ist als ein regulärer Kinobesuch. Das hängt natürlich damit zusammen, dass da ein ganzes Narrativ drum aufgebaut wird, was wirklich spezifisch auch nur für eine gewisse Zeit gültig ist, für diese 10 Tage bei uns dann im Februar. Wir haben rote Teppiche, wir haben die Ankündigung von Stars, die ganze Stadt ist plakatiert, wir haben die Filmemacher*innen präsent vor Ort. Wir bei Generation sind ja immer sehr, sehr glücklich, weil die auch gerne durchgehend bleiben und bei vielen Filmvorstellungen auch wirklich dabei sind. Und das macht natürlich was mit der Filmerfahrung gleichzeitig. Natürlich wissen wir auch, dass nicht alle jungen Zuschauer*innen, die zu uns kommen, auch regelmäßig ins Kino gehen, aber natürlich wissen wir auch, dass da große Filmfans darunter sind und es zwei komplette Paralleluniversen sind, die überschneiden sich“ (Gothe in Asel et al. 2025).

Allerdings sieht Gothe auch, dass sich nicht nur die Besucher des Festivals, sondern auch die Filme vom Mainstream unterscheiden. Aber die Zuschauer, die schon öfter das Festival besucht haben, wissen, was sie bei Generation erwartet. Sie suchen nach Filmen, die nicht tagtäglich im Kino zu sehen sind, so Gothe (vgl. ebd.).
 

Vision Kino

Neben dem Projekt Generation auf der Berlinale verfolgt die gemeinnützige GmbH Vision Kino das Ziel, das Kino für Kinder und Jugendliche zugänglich und attraktiv zu machen. Dabei bietet sie gleichzeitig Filmbildung an. Vision Kino wird gemeinsam von staatlichen und privatwirtschaftlichen Kräften, im Speziellen von Vertretern der deutschen Filmwirtschaft, getragen. Auf der Internetseite von Vision Kino gibt es Filmtipps und den Hinweis auf die Schulkino-Wochen; es gibt Unterrichtsmaterialien für Lehrerinnen und Lehrer. Und es gibt einen Filmpreis, der auf der Berlinale vergeben wird. Das größte Projekt von Vision Kino sind allerdings die SchulKinoWochen als eine bundesweit anerkannte Schulveranstaltung, durch die jährlich insgesamt eine Million Schüler ins Kino kommen. Dadurch bieten sich viele Möglichkeiten, über das Kinoerlebnis hinaus auch Filmbildung zu vermitteln. Ziel ist es, so Leopold Grün, Geschäftsführer von Vision Kino, junge Menschen für das Kino zu begeistern. Der Preis als relevanter Faktor für oder gegen einen Kinobesuch ist ein Grund für die SchulKinoWochen. Der subventionierte Ticketpreis liegt mit 4 Euro oder 4,50 Euro etwa 50 Prozent unter dem normalen Preis. Schwierig ist es allerdings, solche Angebote für Schulen im ländlichen Raum anzubieten, wenn das nächste Kino weit entfernt ist. Notfalls muss man mit den Filmen in kleinere Räume gehen, bei denen dann natürlich der qualitativ hohe Kinoanspruch nicht erfüllt wird (vgl. Grün in Asel et al. 2025).
 


Im Kino kann sich der Zuschauer anderthalb Stunden lang von seiner eigenen Realität lösen und in eine andere kulturelle oder geografische Wirklichkeit eintauchen.“



Kino als Fenster zur Welt

Kinofilme ermöglichen es, auf Geschichten und Lebensläufe zu stoßen, die von einem selbst weit weg sind. Das zeigen vor allem Filme in der Sektion Generation auf der Berlinale. Da sieht man Lebensläufe von Menschen aus vielen Teilen der Welt; über das Kino erfährt man etwas über Bewohner des Iran, die nur unter hohen Risiken ihre Haltung gegenüber dem herrschenden System artikulieren können. Das Kino bietet natürlich auch sehr viel Unterhaltung, aber auch Unterhaltung kann durchaus bildend sein, wenn man dabei viel über die Situation in anderen Ländern und die Probleme anderer Menschen erfährt. Gleichzeitig ist das Kino immer auch offen für Ideen, die gegenwärtig oder zukünftig relevant sein könnten; es bietet Einblicke in die Geschichte sowohl des eigenen Landes als auch anderer Kontinente. Im Kino kann sich der Zuschauer anderthalb Stunden lang von seiner eigenen Realität lösen und in eine andere kulturelle oder geografische Wirklichkeit eintauchen.

Man kann sich von fremden Menschen und Geschichten berühren lassen, die man sonst niemals treffen würde. Anders als Reportagen oder Dokumentationen können Kinofilme sehr viel mehr Emotionalität und Empathie für die dargestellten Menschen erzeugen. Und oft fällt es Kindern oder Jugendlichen leichter, sich auf solche Fremderfahrungen einzulassen als Erwachsenen. Das betrifft auch die Themen, die in den Filmen verhandelt werden.

Ähnliches könnten natürlich auch Filme im Fernsehen oder auf Streamingplattformen schaffen. Allerdings: Im Kino herrscht eine gemeinschaftliche Atmosphäre, außerdem fehlt die Möglichkeit, in langweiligeren Szenen einfach in ein anderes Angebot zu wechseln. Die Konzentration und die Auseinandersetzung mit dem Geschehen sind deshalb im Kino besonders groß.
 

Das Stadt-Land-Gefälle

Ein Problem besteht darin, dass sich die Infrastruktur der Kinos in großen Städten wie beispielsweise Berlin oder München von kleineren Städten oder Dörfern auf dem Land extrem unterscheidet. Gibt es weit und breit kein Kino, scheitert allein daran der Kinobesuch. Gibt es nur ein Kino, ist das Angebot an Filmen sehr eingeschränkt und lässt dem Kunden wenig Auswahl. Es gibt in fast allen Landkreisen zumindest ein Kinoangebot, allerdings muss man unter Umständen einen längeren Weg in Kauf nehmen.

 

Literatur:

Asel, H./Gothe, M./Lin-Hi, N./Grün, L./Urzendowsky, L.: Kino hat Zukunft - auch bei jungen Menschen? In: rbb24 Inforadio Forum, 09.02.2025. Abrufbar unter: www.inforadio.de (letzter Zugriff: 04.03.2025)

Bleuel, N.: Kino? Kotz!In: Süddeutsche Zeitung Magazin, 18.03.2018. Abrufbar unter: https://sz-magazin.sueddeutsche.de (letzter Zugriff: 03.03.2025)

Die Filmfinanzierung: Wie viel kostet ein Film?, O. D., Abrufbar unter: https://www.wer-hat-urheberrecht.de/fileadmin/user_upload/urheberrecht/unterrichtsmaterial/t5_unternehmen_wirtschaft/5.3.1._Wie_viel_kostet_ein_Film_SekII-AB1.pdf

Filmförderungsanstalt (FFA) 2024: FFA-Studie zum Kino-Besuchsverhalten von Kindern und ihren Eltern. Pressemitteilung vom 26.11.2024. In: ffa.de, 26.11.2024. Abrufbar unter: www.ffa.de (letzter Zugriff: 04.03.2025)

FFA 2024b: Kinoreichweite in Deutschland ab 0 Jahren. Abrufbar unter: www.ffa.de

FFA 2025a: FFA in Kürze. In: ffa.de. Abrufbar unter: www.ffa.de (letzter Zugriff: 03.03.2025)

FFA 2025b: FFA legt Kinobilanz vor: Das Kinojahr 2024. Pressemitteilung vom 12.02.2025. In: ffa.de, 12.02.2025. Abrufbar unter: www.ffa.de (letzter Zugriff: 03.03.2025)

Harms, F.: Produktionskosten deutscher Spielfilme bis 2018. In: Statista, 10.12.2024. Abrufbar unter: https://de.statista.com (letzter Zugriff: 04.03.2025)

Vaunet: Berlinale startet – doch der Filmstandort Deutschland bleibt unter Druck. In: vau.net, 13.02.2025. Abrufbar unter: https://vau.net (letzter Zugriff: 04.03.2025)