Mächtige Bilder, ohnmächtige Ethik

Einführung ins Titelthema

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) und Chefredakteur der Fachzeitschrft tv diskurs.

tv diskurs gibt einen Überblick über das relativ junge Fach der visuellen Kommunikationsforschung und die Herausforderungen, denen es sich in Zeiten zunehmender Allgegenwart von medialen Bildern stellen muss. Produktion, Rezeption und Wirkung von Bildern sollen ethisch eingeordnet und ihre Emotionalisierungsstrategien beleuchtet werden. Es wird ebenfalls der Frage nachgegangen, welche Medienkompetenzen für den Umgang mit Bildern und deren Kontexten erforderlich sind. Die Ausgabe 83 arbeitet im Wesentlichen die Vorträge und Diskussionen auf, die auf der gleichnamigen Tagung am 7. Dezember 2017 gehalten bzw. geführt worden sind. Die Veranstaltung wurde in Kooperation der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) und der Fachgruppe „Visuelle Kommunikation“ der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) konzipiert und durchgeführt.

Printausgabe tv diskurs: 22. Jg., 1/2018 (Ausgabe 83), S. 18-19

Vollständiger Beitrag als:

 

Bilder erwecken von allen medialen Darstellungsformen am ehesten den Eindruck, die Wirklichkeit so abzubilden, wie sie ist. Dass der gesprochenen und geschriebenen Sprache nicht zu trauen ist und durch sie die Wirklichkeit teils absichtlich, teils irrtümlich auf den Kopf gestellt werden kann, leuchtet wahrscheinlich jedem schon deshalb ein, weil jeder selbst schon einmal irgendwann die Unwahrheit gesagt hat. Bilder hingegen erzeugen den Eindruck, als fange die Kamera Menschen oder Ereignisse so ein, wie sie tatsächlich sind.

Hinzu kommt, dass Bilder direkt über das Auge das Gehirn erreichen und nicht erst über Buchstaben und Wörter decodiert werden müssen. Bilder schaffen so auch unmittelbare Emotionen und werden allgemein als wirkungsmächtiger eingeschätzt als die Sprache oder die Schrift. Das hat aber auch zur Folge, dass die Kompetenz, Bilder angemessen wahrzunehmen und zu verarbeiten, beispielsweise in der Schule oft unterschätzt wird. Obwohl ein großer Teil der Weltaneignung heute über audiovisuelle Medien geschieht, steht z. B. im Deutschunterricht immer noch die Schrift im Vordergrund. Gleichzeitig werden Personen und ihre Gesichter durch Bilder sehr viel präziser als durch die Sprache beschrieben: Wir erkennen Menschen in der Regel sicher wieder, wenn wir sie auf einem Bild gesehen haben. Daraus ergeben sich aber auch ethische Konsequenzen, wenn es beispielsweise um den Schutz der Persönlichkeitsrechte geht. So werden in der Öffentlichkeit oft kontrovers diskutierte Bilder präsentiert, die Fragen in der Hinsicht aufwerfen, was ethisch vertretbar ist. Was darf man (nicht) zeigen? Was sollte man zeigen? Welche Erwartungen werden an Kameraleute, Fotografen oder Redaktionen von Zeitschriften und Fernsehsendern gestellt, die bei der Herstellung, Auswahl und Verbreitung von Bildern erfüllt werden sollten?