Medien als Geschichtsvermittler

Gestaltung und nationale Erfahrung verändern die Verarbeitung

Joachim von Gottberg im Gespräch mit Jürgen Grimm

Vor allem geschichtliche Epochen, in denen die Dinge mächtig danebengelaufen sind, dienen regelmäßig als Stoff für mediale Darstellungen. So boomen im Fernsehen zurzeit historische Themen wie der Zweite Weltkrieg, Nationalsozialismus und Holocaust. Woher kommt das gewachsene historische Interesse der Medien? Welche Folgen hat das für die Geschichtsvermittlung in der Gesellschaft? Jugendliche und Erwachsene erfahren aus dem Fernsehen nicht nur etwas darüber, warum es zu Diktatur und Judenvernichtung gekommen ist, sondern auch, wie das historische Ereignis eingeordnet werden soll. Damit tritt das Fernsehen mit seinen historischen Deutungszuweisungen neben die professionellen Vermittler aus Geschichtswissenschaft und -didaktik, die teilweise ratlos über die neue mediale Betriebsamkeit staunen. Weitgehend unerforscht sind die Schlussfolgerungen, die Rezipienten aus geschichtsthematisierenden Fernsehsendungen für die Gegenwart und Zukunft ziehen. Welche Rolle spielen medial präsentierte Zeitzeugen, die im Hinblick auf den Holocaust leibhaftig kaum noch zur Verfügung stehen? Wo liegen ihre Grenzen? Angesichts von Europamüdigkeit und Europakrise erscheint überdies klärungsbedürftig, in welchem Maße mediengestützte Geschichtsvermittlung supranational konvergiert oder aber zwischen den Nationen auseinanderdriftet. tv diskurs sprach darüber mit Jürgen Grimm, Professor am kommunikationswissenschaftlichen Institut der Universität Wien und Mitinitiator des Forschungsprojekts „TV-Geschichtsvermittlung im transnationalen Raum“, das in einem ersten Schritt Wirkungen des Dokumentarfilms Nacht und Nebel in Deutschland, Österreich und Israel vergleicht.

Printausgabe tv diskurs: 15. Jg., 4/2011 (Ausgabe 58), S. 68-75

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