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Medienpädagogische Deutungsmuster von Lehrkräften

Eine Grounded-Theory-Studie

Christine Dallmann

Baden-Baden 2024: Nomos Verlagsgesellschaft
Rezensent/-in: Bernward Hoffmann

Buchbesprechung

Online seit 04.04.2025: https://mediendiskurs.online/beitrag/medienpaedagogische-deutungsmuster-von-lehrkraeften-beitrag-1123/

 

 

Dem Buch liegt eine Dissertation an der TU Dresden aus dem Jahr 2022 zugrunde. Sie untersucht, welche medienpädagogischen Sichtweisen und Selbstbilder bei Lehrkräften auf einer nicht bewusst zugänglichen Ebene vorliegen. In zwei Theoriekapiteln setzt sich die Autorin sehr differenziert mit den Begriffen und Konzepten von Medienkompetenz und Medienbildung auseinander.

Der (Medien‑)Kompetenzbegriff von Dieter Baacke, in Weiterführung durch Ralf Vollbrecht, wird exakt referiert und führt zu einer offenen Bestimmung von Medienkompetenz, die dem Begriff (Medien‑)Bildung nahekommt (siehe dazu die Kernaspekte auf S. 36 f.). „Bildungsstandards“ können das nicht abbilden, denn zugänglich ist Kompetenz allenfalls auf der Ebene der Performance. Die Rolle der Lehrkräfte im Kontrast zu bildungspolitischen Anforderungen wird differenziert erläutert. Dabei wird deutlich, was auch die Auswertung der empirischen Zugänge bestätigt: Die Förderung von Medienkompetenz wird als Ziel schulischer Bildung von außen an Schulen und Lehrpersonen herangetragen, kommt aber in Selbstbild und Bildungsverständnis der Lehrpersonen nur bedingt vor. Hier dominieren didaktisch die Bewältigung des (Fach‑)Unterrichts. Pädagogisch werden eher problembehaftete Mediennutzungen aufgegriffen.

Als Theoriekonzept für ihre empirische Studie nutzt Dallmann das Konzept der Deutungsmuster im Rahmen einer Grounded Theory. In einem iterativ-zyklischen Prozess werden acht problemzentrierte Interviews analysiert und Deutungsmuster herausgearbeitet.

Die Ergebnisse sind ernüchternd pessimistisch. Aus Sicht der befragten Lehrpersonen geht mit der alltäglichen Mediennutzung ein kultureller Verfall einher, bei dem bisher Wichtiges verdrängt wird. Die Lehrkräfte zeigen das Bedürfnis nach Kontrolle und halten dies auch für ein Ziel von Mediennutzung. Die Umsetzung gelingt jedoch nicht.

In ihrer alltäglichen Bewältigung des (Fach‑)Unterrichts fühlen sich die Lehrkräfte auf vielfältige Weise herausgefordert. Explizit medienpädagogische Erwägungen spielen dabei kaum eine Rolle, allenfalls als zu bewältigende Problemlagen. Das von der Autorin eher am Rande berücksichtigte mediendidaktische Handeln ist von individuellen Vorlieben und Abneigungen bestimmt. Der Zeitpunkt der Befragung lag allerdings vor den Distanz-Learning-Erfahrungen der Pandemie. Das insgesamt pessimistische Ergebnis, so ordnet die Verfasserin es selbstkritisch ein, hat wohl damit zu tun, dass im kleinen Sample der Interviewten keine im medienpädagogischen Sinn herausragend tätigen Lehrkräfte vertreten waren. Insofern sind die eher kulturpessimistischen Ergebnisse hoffentlich etwas zu relativieren.

Eine kritische Anmerkung betrifft die Aufbereitung der Interviews: Die Zitate der Interviewten werden, wie in Transkriptionen üblich, in Schriftform mit Fehlern, sprachlichen Unzulänglichkeiten und Kennzeichnungen von paraverbalen Details wiedergegeben. Das stört den Lesefluss und ist für die weitgehend inhaltlich auswertende Argumentation eher irrelevant. Im Gegenteil erzeugt es bei den Lesenden ungewollt ein teils negatives Bild von den befragten Lehrerinnen und ihren Haltungen. Das ist trotz Anonymisierung auch den Befragten gegenüber nicht fair.

Prof. i. R. Dr. Bernward Hoffmann