Mengen reduzieren und Umweltkosten einpreisen

Strategien für umweltbewusstes Produzieren

Joachim von Gottberg im Gespräch mit Maike Gossen

Auch im Marketing kommt man an der Umweltperformance eines Unternehmens nicht mehr vorbei. Aber kann man den Werbeaussagen wirklich glauben? Kann beispielsweise die CO2-Bilanz einer Fluggesellschaft durch das Anpflanzen von Bäumen tatsächlich umweltneutral werden, wie es vor Kurzem in der Werbung eines Billigfliegers behauptet wurde? Was können wir tun, um auf der einen Seite Arbeitsplätze zu erhalten, ohne auf der anderen Seite Ressourcen zu verschwenden und mehr CO2 auszustoßen, als die Natur verkraften kann? Maike Gossen, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich „Nachhaltiger Konsum und Digitalisierung“, forscht dazu am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW).

Printausgabe tv diskurs: 24. Jg., 1/2020 (Ausgabe 91), S. 48-52

Vollständiger Beitrag als:

Spätestens seit der Veröffentlichung des Berichts Die Grenzen des Wachstums des Club of Rome im Jahr 1972 wissen wir, dass wir den Planeten überfordern. Diese Kenntnis hat in den Unternehmen allerdings nur wenig verändert.

Was auf jeden Fall stimmt: Das Wissen über die Notwendigkeit, mit den Ressourcen der Erde rücksichtsvoller und nachhaltiger umzugehen, und die Tatsache, dass die Wirtschaft auch ihren Teil dazu beitragen muss, sind schon seit Langem vorhanden, beides hat sich allerdings bisher nur schleppend in der Politik und in Geschäftsmodellen niedergeschlagen. Ich nehme aber schon wahr, dass sich dies in den letzten Jahren verändert hat. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Die öffentliche Aufmerksamkeit ist durch die internationalen Klimakonferenzen und „Fridays for Future“ gestiegen, dadurch hat sich der öffentliche Druck auf Unternehmen deutlich erhöht. Parallel gibt es immer mehr Selbstverpflichtungen für Unternehmen, aber auch zahlreiche gesetzliche Vorgaben. Bei den Lieferketten gibt es zwar bisher noch kein Gesetz, das die Haftung bei Verstößen gegen Menschenrechte und Umweltstandards regeln würde, aber es wird von einem breiten Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen gefordert.

Unternehmen müssen aber auch Gewinne machen, um zu überleben und damit Arbeitsplätze zu sichern. Nachhaltiges Wirtschaften heißt aber unter Umständen, die Wettbewerbsfähigkeit zu minimieren. Ist das nicht ein unlösbarer Konflikt?

Das Ziel muss sein, den drei Säulen der Nachhaltigkeit im Wirtschaftsleben gerecht zu werden. Neben den ökonomischen und sozialen Aspekten müssen auch die ökologischen Folgen berücksichtigt werden. Einige sind mit ihrer nachhaltigen Unternehmensausrichtung erfolgreich, in vielen Branchen ist ein nachhaltiges Sortiment bereits Standard. Letztlich geht es doch um die Zukunftsfähigkeit auch von Unternehmen, weil wir immer deutlicher spüren, dass viele Ressourcen knapper sind. Unternehmen, die sich jetzt schon darauf einstellen und Lösungen entwickeln, werden es in einigen Jahren leichter haben. Nachhaltigkeit ist also eine Überlebensstrategie; ethisches Handeln hat letztlich auch einen ganz klaren ökonomischen Mehrwert.

Es gibt also einerseits den Druck des Verbrauchers, der auf nachhaltiges Produzieren achtet, es gibt den Druck der Politik, es gibt aber andererseits auch die Erkenntnis, dass wir ohne Umstellung auf Nachhaltigkeit nicht überleben können?

Genau, das ist mein Eindruck. Viele Konsumenten wissen zwar über Umweltprobleme wie Ressourcenknappheit Bescheid; aber was sie wirklich zum Umdenken und Handeln bringt, ist, dass die ökologischen Veränderungen immer spürbarer werden und näher an ihr Leben heranrücken. Stichwort „Hitzesommer“ in Deutschland. Dasselbe ist natürlich auch bei Unternehmen zu spüren. Wir leben in einer wachstumsorientierten Gesellschaft, augenblicklich ist der Markt noch sehr durch das Wachstumsparadigma getrieben. Wenn sich Unternehmen da ausklinken und sich an anderen Prinzipien orientieren, dann bedeutet das eben auch, dass sie einen Umsatzrückgang riskieren. Das verändert sich vor allem in kleinen, innovativen, häufig familiengeführten oder in Genossenschaftsformen organisierten Unternehmen, die hier als Pioniere vorangehen. Als großes Unternehmen kann der Outdoorbekleidungshersteller Patagonia als Beispiel für ein nachhaltigkeitsorientiertes Unternehmen genannt werden, das sich mit diesen Fragen beschäftigt. Zuletzt ist mir Patagonia mit der Worn Wear-Kampagne positiv aufgefallen, wo Kunden in den USA ihre Patagonia-Sachen weiterverkaufen können.

Kann man Nachhaltigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Marktwirtschaft zusammenbringen? Und: Wenn ein Unternehmen Umweltstandards einhält und der Mitbewerber nicht, ist das Unternehmen dann noch wettbewerbsfähig oder möglicherweise bald wirtschaftlich am Ende?

Deshalb brauchen wir an dieser Stelle die Politik. Sie muss für neue Rahmenbedingungen des Wirtschaftens sorgen. In der Nachhaltigkeitspolitik und der Nachhaltigkeitsforschung existiert schon lange die Forderung, die Umweltkosten zu internalisieren. Das bedeutet, dass bei der Preisgestaltung eines Produkts auch die langfristigen ökologischen Kosten, die z.B. in der Produktion und bei der Entsorgung entstehen, eingepreist werden. Es muss also genau berechnet werden, welche Umweltschäden etwa durch die Nutzung fossiler Energieträger entstehen. Damit ergeben sich wirtschaftliche Anreize, die Umweltbelastung zu senken. Der CO2-Preis auf Sprit, Heizöl und Gas ist da ein wichtiger Schritt, auch wenn der angedachte Beitrag von 10,00 Euro ab 2021 noch viel zu niedrig ist. Hier muss die Politik aus meiner Sicht mutiger und radikaler werden, sie muss die langfristigen Folgen stärker im Blick haben – und das müsste sich jetzt schon in den Preisen abbilden. Dann wäre das nachhaltige Angebot das günstigere, und das würde auch den Konsumenten in die Lage versetzen, diese Produkte zu kaufen. Derzeit sind nachhaltig produzierte Konsumgüter hingegen teurer als konventionell produzierte.

Auch der Staat ist gierig: Mit der Ökosteuer war eigentlich beabsichtigt, den Individualverkehr zu verteuern, um parallel dazu den öffentlichen Verkehr zu verbilligen. Stattdessen hat der Staat die Einnahmen in die Rentenfinanzierung gesteckt.

So, wie wir den Druck auf die Unternehmen erhöhen, muss natürlich auch der Druck auf die Politik steigen. Solch ein politisches Geschacher müsste abgestraft werden. Politik muss transparenter werden, aber ich denke, wenn sich eine grüne Politik zunehmend durchsetzt, werden solche Hintertürchen nicht mehr gelingen. Ich sehe aber auch in der jetzigen Weltpolitik ein Handlungsdefizit. Wir haben uns international auf Klimaziele geeinigt, es gibt also auch jetzt schon Handlungsspielräume der gewählten Politik, deutlich mehr umzusetzen als das, was gegenwärtig in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik getan wird.

Ich habe neulich eine Wohnung mit Möbeln eines nicht ganz unbekannten Möbelhauses eingerichtet. Dabei ist derartig viel Verpackungsmüll angefallen, dass ich einen ganzen Tag brauchte, um alles zu entsorgen.

Das Verpackungsproblem ist seit ein paar Jahren sehr stark im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen. Im Handel wurden kostenlose Plastiktüten abgeschafft, Plastikstrohhalme wurden verboten, verpackungsfreie Supermärkte schießen aus dem Boden etc. Ich verstehe aber natürlich die Frustration darüber, wenn man als Verbraucher versucht, sich an Nachhaltigkeitsprinzipien zu orientieren, und dann sieht, dass Unternehmen ihre Produkte weiterhin in Plastik und viel Pappe anliefern. Ich glaube, dass Verpackungsreduktion auch für die Unternehmen ein wichtiger Bereich ist. Wahrscheinlich gibt es auch bei diesem Möbelhaus im Hintergrund eine Nachhaltigkeitsstrategie und Aktivitäten, um Verpackungen zu reduzieren oder die Energieeffizienz zu erhöhen, was für den Verbraucher aber nicht so transparent und sichtbar ist. Dennoch ist es richtig, kritisch damit umzugehen und von Unternehmen einzufordern, sich für Nachhaltigkeitsziele zu engagieren. Damit sind wir auf der Seite des Verbrauchers: Ich bin zwar kein Fan davon, die Verantwortung allein dem Verbraucher aufzubürden, weil er schließlich nur das konsumieren kann, was Unternehmen ihm bieten. Es gilt also das Prinzip der geteilten Verantwortung. Aber trotzdem können wir mit unserer Konsumentenentscheidung das Ganze beeinflussen und uns als Kunde des Möbelhauses z.B. damit befassen, welche Alternativen es zum Neukauf gibt. Kann man stattdessen vielleicht Secondhandmöbel kaufen oder Dinge reparieren lassen? So können wir auch durch unsere täglichen Entscheidungen Einfluss nehmen.
 


Es gilt also das Prinzip der geteilten Verantwortung.



Auch Fluggesellschaften setzen im Marketing und in der Werbung bewusst auf Nachhaltigkeit. Sie behaupten z.B., umweltneutral zu fliegen. Kann man das als Verbraucher glauben?

Häufig handelt es sich dabei um Greenwashing. Das Fliegen ist die umweltschädlichste Fortbewegungsform, in der Umweltbilanz schneidet es immer schlechter ab als der Zug oder gar das Auto. Mit einem einzigen Langstreckenflug ist die Menge an CO2, die jede Person pro Jahr verbrauchen darf, um das Zwei-Grad-Klimaziel zu erreichen, schon aufgebraucht. Eine niederländische Airline, die KLM, hat vor einem Jahr eine interessante Marketingoffensive gestartet: In einem Werbespot, der auf YouTube kursierte, rufen sie dazu auf, die Entscheidung, ob man das Flugzeug nutzt, zu überdenken. Sie fragen ganz klar in ihrem Werbespot: „Musst Du wirklich fliegen?“ Gibt es nicht Alternativen wie beispielsweise eine Videokonferenz oder die Bahn? Das fand ich ziemlich radikal. Da fragt ein Unternehmen in der Werbung: „Musst Du eigentlich tatsächlich unser Produkt nutzen?“ Dann habe ich mir angeschaut, was KLM sonst noch im Bereich „Nachhaltigkeit“ macht. Die Airline hat tatsächlich für Kurzstrecken, z.B. für die Strecke Amsterdam – Brüssel, den Versuch gestartet, Flüge durch Zugfahrten zu ersetzen. Sie machen aber auch in anderen Bereichen einiges, beispielsweise forschen sie zu Biokerosin und bieten Kompensationsmöglichkeiten für das durch Flugzeuge entstandene CO2. Aber klar, es gibt ziemlich viel, was man als Greenwashing bezeichnen muss. Es ist also immer wichtig, hinter die Kulissen zu schauen und das Ganze einer vernünftigen Plausibilitätsprüfung zu unterziehen.

Wäre es hier nicht sinnvoll, dass ein gemeinnütziger Verein wie Stiftung Warentest Werbeaussagen bezüglich Umweltneutralität überprüft und die Ergebnisse veröffentlicht?

So etwas wäre sehr hilfreich. „Öko-Test“ macht so etwas ja schon mit Produkten. Die verfügen über sehr viel mehr Kapazitäten und Expertise als ein normaler Kunde. Es wäre wichtig, dass ein solcher „Greenwashing-Check“ entsprechende Werbeaussagen objektiv und sachkundig bewertet. Gerade junge Menschen – denken wir nur an „Fridays for Future“ – fordern zunehmend von Unternehmen ein, dass sie verantwortlich handeln und grüne Produkte ermöglichen. Sie haben auch gar nichts dagegen, wenn dann in der Werbung auf das umweltgerechte Verhalten hingewiesen wird, aber das muss der Wahrheit entsprechen.

Werbung für grünen Konsum ist ja mittlerweile recht verbreitet – nun habe ich gelesen, dass Sie zu Marketing für Konsumreduktion forschen. Was hat es damit auf sich?

Von vielen Seiten wird zunehmend gefordert, dass unser Konsum nicht nur effizienter werden muss, sondern dass wir auch die absolute Verbrauchsmenge reduzieren müssen. Das nennt man suffizienten Konsum. Ich untersuche in meiner Forschung Unternehmen, die das durch ihr Marketing unterstützen. Sie wollen ihre Kunden dazu bringen, über ihre Konsumbedürfnisse zu reflektieren und diese zu hinterfragen. Die Kunden sollen also darüber nachdenken, ob das, was sie kaufen, wirklich gebraucht wird. Die Unternehmen regen dazu an, Alternativen zum Neukauf zu prüfen, z.B. ob man die Jeans nicht noch reparieren kann, bevor man sich eine neue kauft. Beispiele für die unternehmensseitige Förderung von suffizientem Konsum finden sich im kompletten Marketingmix: Vor allem gibt es sie im Kommunikationsbereich. Hier ist es interessant zu fragen, ob es bei der entsprechenden Werbung nicht vor allem um Reputation oder Imageaufbau geht. Wollen die Unternehmen also wirklich, dass ihre Kunden weniger konsumieren, oder sendet man einfach eine interessante Botschaft, um in einer bestimmten Zielgruppe die Markenbindung zu erhöhen oder um Kunden von anderen Unternehmen abzuwerben? Was ich noch spannender finde, bezieht sich aber auf die Produktpolitik. Ist das Angebot so konzipiert, dass es dem Verbraucher ermöglicht, suffizient zu konsumieren? Man könnte z.B. eine längere Garantiezeit anbieten. Unternehmen, die Möbel oder auch Kleidung herstellen, könnten diese zurücknehmen und reparieren, wenn die Produkte kaputtgehen. Produkte müssten langlebig und von hoher Qualität sein und sich nicht, wie es beispielsweise bei Kleidung üblich ist, an den schnellen Modezyklen orientieren.

Bietet nicht auch die Digitalisierung ganz neue Chancen? Ich denke da beispielsweise an Tauschbörsen im Internet oder Apps, über die ich kurzfristig Autos oder Fahrräder leihen bzw. mieten kann.

Über Sharingplattformen im Internet kann man bestimmte Gegenstände wie Autos ausleihen, wodurch der Besitz oft nicht mehr nötig ist. Früher konnte man nur im direkten Umfeld, also im Freundes- und Familienkreis, Dinge teilen oder tauschen. Über digitale Apps können wir dieses Netzwerk erheblich erweitern. Das ermöglicht gerade im Bereich der Mobilität auch ganz neue Geschäftsmodelle. Die Digitalisierung kann Potenziale für einen nachhaltigen Konsum bringen, aber sie kann im Bereich von Onlineshopping die Konsum- und Kaufmenge auch erhöhen, weil es so bequem ist. Ich kann jederzeit, auch nachts auf dem Sofa, etwas bestellen, was dann per Expressversand am nächsten Tag geliefert wird. Dadurch entstehen erhöhte Transportemissionen und Verpackungsmüll. In diesem Bereich gibt es erste ökobilanzielle Berechnungen, in denen bestimmte Verhaltensweisen miteinander verglichen werden, beispielsweise der Stadtbummel und der Onlinekauf. Da wird genau festgestellt, was unter Umweltgesichtspunkten vorteilhafter ist. Für die letztendliche Bewertung spielen auch Aspekte wie die Retourenquote eine große Rolle, wie oft also etwas zu viel bestellt und dann zurückgeschickt oder umgetauscht wird, weil dadurch ja zusätzliche Emissionen entstehen. Für die Bilanzierung sind zudem Fragen der Bündelung von Paketen ausschlaggebend, dass also beispielsweise verschiedene Dinge zusammen versandt werden. Und es ist auch entscheidend, ob ich auf dem Land lebe, wo natürlich der Lieferweg erheblich länger ist als in der Stadt, wo die Bündelung von Transporten besser optimiert werden kann.
 


Die Digitalisierung kann Potenziale für einen nachhaltigen Konsum bringen, aber sie kann im Bereich von Onlineshopping die Konsum- und Kaufmenge auch erhöhen, weil es so bequem ist.



Kommen wir noch einmal auf das Carsharing. Autos stehen 90 bis 95 % ihrer Nutzungszeit herum und brauchen Parkplätze. Würde Carsharing nur für die Hälfte der Autofahrer infrage kommen, wäre dies unter dem Aspekt der Ressourcenverschwendung, aber auch in Bezug auf Parkplätze in den Städten ein großer Gewinn. Wenn wir aber mehr Carsharing betreiben, würde das die Menge der verkauften Autos reduzieren. Damit würden viele Menschen ihre Arbeit verlieren. Können wir ihnen Alternativen bieten?

Carsharing kann unter bestimmten Bedingungen Umweltvorteile mit sich bringen. Das haben viele Studien gezeigt. In Großstädten gibt es seit einigen Jahren vollflexible Angebote, bei denen man ein Auto mieten, eine kurze Strecke fahren und es dann irgendwo stehen lassen kann. Bezahlt wird nur die Zeit, in der das Auto tatsächlich fährt. Das klassische Carsharing, das es schon seit den 1980er-Jahren gibt und das sich am Anfang in Nachbarschaftsinitiativen entwickelt hat, ist etwas weniger flexibel, weil es in der Regel keine One-Way-Fahrten ermöglicht. Stattdessen punktet es durch günstigere Preise und Mitgliedschaften. Viele Carsharingflotten bieten mittlerweile auch Elektroautos an. Neben den ökologischen Gründen gibt es auch praktische Argumente für Carsharing, z.B. weil die nervige Parkplatzsuche wegfällt. Allerdings kann man das Prinzip Carsharing nicht deutschlandweit skalieren. In den Städten ist Carsharing vor allem als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr sinnvoll, aber auf dem Land werden weiter Autos gebraucht, da dort der öffentliche Verkehr nicht lückenlos ausgebaut ist. Durch diese Sharingangebote entstehen auch neue Dienstleistungs- und Arbeitsfelder, die wiederum Arbeitsplätze schaffen. Weniger Autos bedeuten also nicht unbedingt weniger Arbeitsplät

Es gibt aber auch durchaus die Forderung, dass wir ohnehin von der Wachstumsidee Abschied nehmen müssen. Die Frage ist, wie wir das dann managen.

Es gibt international viele Befürworter von Postwachstum und Degrowth – darunter auch Vertreter der Volkswirtschaftslehre –, die an Konzepten arbeiten, wie die dadurch entstehenden Wirkungen auf Arbeitsplätze aufgefangen werden können. Arbeitszeitverkürzung oder Jobsharing wären Ideen, dies würde in unserer gestressten Gesellschaft zu mehr Freizeit und Entschleunigung beitragen. Wir hätten mehr Zeit, Gemüse selbst anzubauen, Care-Arbeit zu leisten und menschliche Beziehungen zu pflegen. Es gibt unter den Postwachstumsbefürwortern auch radikale Forderungen, z.B. die Werbung zu verbieten.

Könnte es sein, dass in absehbarer Zeit die Nachhaltigkeit in der Produktion die Qualität und den Preis übertrifft?

Ich habe neulich erst über eine Studie im Bereich „Kleidung“ gelesen, und da gab es noch die Rangfolge, die Sie gerade angedeutet haben: Vorne steht der Preis, dann die Qualität und dann so etwas wie Langlebigkeit oder Nachhaltigkeit. Wenn aber ein nachhaltiges Produkt auch vom Preis und der Qualität her angemessen, vielleicht auch noch stylisch ist, und wenn in den Preisen auch die ökologische Wahrheit repräsentiert ist, dann kann in Zukunft die Nachhaltigkeit als Verkaufsargument an erster Stelle stehen.
 

Maike Gossen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich „Nachhaltiger Konsum und Digitalisierung“ am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW).

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur von tv diskurs.