Ministerpräsidenten beschließen Änderung des Medienstaatsvertrags
Es geht um ein Angebot für alle. Die Anstalten haben den Auftrag, die Breite der Bevölkerung, also alle Generationen und Gesellschaftsschichten gleichermaßen zu erreichen.“
Allgemein bestehe der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Folgendem: „[…] die Kultur, die Bildung, die Information, die Beratung und das ist auch die Unterhaltung, wenn sie einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entspricht. Wir haben uns darauf verständigt, das genau so zu formulieren“ (Tieschky 2022). Das sei eine Verschärfung dahin gehend, dass Unterhaltung nicht mehr zulässig ist, wenn sie diesem Profil nicht entspricht. Wer das allerdings auf welcher Basis feststellen soll und ob das jemals geschehen wird, ist bisher ungeklärt.
Dieser Punkt war in den vorausgegangenen Beratungen besonders umstritten. Welche Bedeutung soll die Unterhaltung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Zukunft quantitativ und/oder qualitativ haben? Wie weit sollen die Gebührenzahler:innen für Sendungen wie die Show von Florian Silbereisen oder die unzähligen Quizsendungen zahlen, die es in ähnlicher Qualität auch bei den Privaten gibt?
So vertraten einige Länder die Auffassung, man solle die Unterhaltung ganz den Privaten überlassen, öffentlich-rechtliche Programme sollten sich mehr am sogenannten Public Value orientieren, also Informationen über Politik, Kultur und Wissenschaft als ihren Schwerpunkt betrachten. Dies wurde von anderer Seite kritisiert, weil dadurch zum einen die Attraktivität der öffentlich-rechtlichen Sender leiden könnte, vor allem aber würde die gesellschaftlich verbindende und auf indirekte Weise auch informative Unterhaltung in ihrem Wert zu wenig erkannt.1 Hierzu sagte die Koordinatorin der Rundfunkkommission, die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab: „In den langwierigen Beratungen war uns in der Rundfunkkommission immer bewusst, dass es wichtig ist, für den Unterhaltungsauftrag den richtigen Platz zu finden. Mit Blick auf die Transformation der Mediennutzung ging es uns auch darum, den Telemedienauftrag fortzuschreiben und für Online-Only-Angebote weiter zu öffnen. Diese dynamische Entwicklung des Mediennutzungsverhaltens werden wir auch weiterhin im Blick behalten und als Mediengesetzgeber begleiten“ (Staatskanzlei Rheinland-Pfalz 2022).
Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen also ihr Onlineangebot spezifizieren und ausbauen. Außerdem können sie nun auch Programme ausschließlich für die Mediatheken produzieren, deren Angebote insgesamt ausbauen und modernisieren. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen könnte also zu einem sehr breiten Medienangebot ausgebaut werden, das die Gebührenzahler:innen finanzieren müssen – ob sie wollen oder nicht.
Die spannende Frage wird nun sein, ob und welche Konsequenzen die Änderungen haben werden, denn die Formulierungen lassen viel Spielraum. Wie will man die Unterhaltung definieren, die dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens angemessen ist? Bisher ist der Versuch, die Qualität von Unterhaltung zu definieren, gescheitert, denn das ist weitgehend Geschmacksache und hängt von den Interessen ab: Gehört beispielsweise Fußball dazu (ARD/ZDF)? Oder die Rosamunde Pilcher-Verfilmungen (meist ZDF)? Oder Sendungen wie Bares für Rares (ZDF)? Und da ein Angebot für „alle“ gegeben werden soll – also auch für diejenigen, die sich weder für Politik noch für Kultur oder Wissenschaft interessieren –, wird wohl immer jemand dabei sein, an den ein noch so grenzwertiges Unterhaltungsprogramm gerichtet sein könnte.
Dennoch sehen viele in den Änderungen auch eine positive Abgrenzung. Claus Grewenig, Vorstandsvorsitzender des Verbandes Privater Medien (VAUNET), sorgt sich vor allem um die Auswirkungen einer Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots auf die privaten Anbieter. „Die Tatsache, dass der Auftrag künftig in seiner gesamten Breite im Tagesverlauf der Vollprogramme und in den Mediatheken wahrnehmbar sein muss, ist ein wichtiger Schritt hin zu einem eigenständigen öffentlich-rechtlichen Programmprofil. Diese Vorgaben sind ebenso wie die Schärfung bei der Unterhaltung und die eng begrenzte Öffnung der Online-Auswertungsmöglichkeiten wichtig, weil alle Veränderungen bei ARD und ZDF sich unmittelbar auch auf die privaten Medien als ‚zweite Säule‘ auswirken.“
Allerdings äußert er noch ergänzende Wünsche für die Zukunft:
In einem nächsten Schritt müssen die Länder nun die Werbebeschränkungen und klare Grenzen für kommerzielle Tätigkeiten der Anstalten festlegen, damit die sich bereits jetzt abzeichnende Ausweitung der Vermarktungsaktivitäten gestoppt wird.“(VAUNET 2022)
Anmerkung:
1) Vgl. dazu auch das Titelthema in tv diskurs, Ausgabe 97, 3/2021: Gemeinschaft oder Egoismus? Die Verantwortung der Medien für das Gemeinwohl
Quellen:
Staatskanzlei Rheinland-Pfalz: Dreyer/Raab: Änderungen des Medienstaatsvertrags angenommen – Markenkern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestärkt. Pressemitteilung vom 02.06.2022. Abrufbar unter: rlp.de
Tieschky, C.: Neuer Medienstaatsvertrag: Politik macht Auflagen für Unterhaltung bei ARD und ZDF. In: Süddeutsche Zeitung, 02.06.2022. Abrufbar unter: www.sueddeutsche.de
tv diskurs: Gemeinschaft oder Egoismus? Die Verantwortung der Medien für das Gemeinwohl. Ausgabe 97, 3/2021. Abrufbar unter: mediendiskurs.online
VAUNET: Ministerpräsidentenkonferenz beschließt in der Auftragsreform wichtige Beschränkungen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Pressemitteilung vom 02.06.2022. Abrufbar unter: www.vau.net