Oma sitzt nicht auf der Wolke

Was Eltern beachten müssen, wenn sie mit Kindern über einen Trauerfall sprechen

Tilmann P. Gangloff

Tilmann P. Gangloff ist freiberuflicher Medienfachjournalist.

Der Erziehungsberater Ulric Ritzer-Sachs rät davon ab, bedrückende Ereignisse wie den Tod eines Familienmitglieds schönzureden.

Printausgabe tv diskurs: 24. Jg., 3/2020 (Ausgabe 93), S. 17-17

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Früher oder später werden Kinder mit dem Tod konfrontiert. Die meisten Eltern finden intuitiv die richtigen Worte, wenn die Großmutter gestorben ist, aber viele fühlen sich in solchen Fällen auch hilflos und wissen nicht, wie sie die schlechte Nachricht überbringen sollen.
 

Am wichtigsten sei es, die Wahrheit zu sagen, rät Ulric Ritzer-Sachs, „und zwar völlig unabhängig vom Alter der Kinder: ‚Deine Oma ist tot.‘“ Der Diplom-Sozialpädagoge ist Koordinator für die Foren der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (BKE). Auf keinen Fall dürfe man um das Thema herumreden, das merkten Kinder sofort:

‚Die Oma sitzt jetzt auf einer Wolke und schaut auf dich herab‘ – das ist zwar ein schönes, aber auch ein falsches Bild.“


Andererseits sollten Eltern natürlich nicht schonungslos oder grausam sein. Deshalb sollten sie sich gut auf so ein Gespräch vorbereiten „und sich vorher überlegen, was sie antworten, wenn die Kinder wissen wollen, was mit den sterblichen Überresten passiert oder ob die Seele des Verstorbenen weiterlebt. Das hängt natürlich auch davon ab, welche Vorstellung ich selber habe. Es ist völlig in Ordnung, den Kindern zu gestehen, dass man das nicht mit Gewissheit weiß, aber z.B. fest daran glaubt, dass es eine Art Leben nach dem Tod gibt. Gläubige haben es in solchen Fällen leichter, aber irgendeine Form von Spiritualität haben ja sehr viele Menschen.“

Ritzer-Sachs, der auch als Erziehungsberater für das Diakonische Werk Worms-Alzey arbeitet, empfiehlt zudem, gemeinsam mit den Kindern Bücher zu dem Thema zu lesen, auch über ein mögliches Leben nach dem Tod. Als Erstes kommt ihm Die Brüder Löwenherz von Astrid Lindgren in den Sinn, „eine tolle Geschichte, auch wenn die verstorbene Oma nach ihrem Tod eher nicht mit Pfeil und Bogen in einem Fantasieland für Gerechtigkeit sorgen wird. Viele Eltern werden bestimmt weinen, wenn sie solche Geschichten vorlesen, schließlich haben sie ja auch selbst einen Verlust erlitten, aber das ist völlig in Ordnung. Es gibt auch Veröffentlichungen, die ich nicht empfehlen würde, deshalb ist es wichtig, dass die Eltern die Bücher erst mal selber lesen.“

Es ist ohnehin unmöglich, Kinder vor dem Themenkomplex „Tod und Sterben“ zu beschützen, erst recht, wenn sämtliche Medien etwa nach Katastrophen, Terroranschlägen oder wie während der Coronapandemie von nichts anderem berichten. Auch in solchen Fällen hält es der Sozialpädagoge für entscheidend, „bei der Wahrheit zu bleiben und nichts zu beschönigen. Bei Corona sollte man den Kindern klarmachen, dass sich das Virus bei den allermeisten Betroffenen nicht schlimmer als eine Erkältung auswirkt; doch es gibt eben auch Menschen, die daran sterben. Genauso wichtig ist aber auch der Hinweis auf die vielen Hilfskräfte, die sich dafür einsetzen, dass die Erkrankten wieder gesund werden.“

Davon abgesehen ist Ritzer-Sachs überzeugt, dass Väter und Mütter in der Regel genau richtig reagieren, wenn sie auf ihren Bauch hören:

Niemand kennt Kinder besser als die eigenen Eltern.“

Der Sozialpädagoge rät dringend davon ab, „ein schlimmes Ereignis so wolkig oder blumig zu umschreiben, dass die Gedanken, die sich die Kinder anschließend machen, viel krasser sind als der eigentliche Vorfall. Wenn man sich mit Kindern einen Film anschaut, bei dem man feststellt, dass sie dafür eigentlich noch zwei Jahre zu jung sind, sollte man auch nicht einfach mittendrin abbrechen, denn im Kopf der Kinder läuft der Film weiter.“

Die Erziehungsberatungsstellen der BKE (www.bke-beratung.de) sind bundesweit auf vielen Kanälen erreichbar: telefonisch, per Videochat oder anonym per Onlineberatung.