Public Value

Ein neuer Qualitätsbegriff?

Julia Serong

Dr. Julia Serong ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehr- und Forschungsbereich „Medienwandel“ der Ludwig-Maximilians-Universität München und Koordinatorin der Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Faktizität der Welt“ an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Medienqualität ist vielschichtig und perspektivenabhängig. Dabei hat die Perspektive des Publikums Vorrang. Der Public-Value-Begriff bringt zum Ausdruck, dass sich Gemeinwohlorientierung und Publikumsinteressen nicht widersprechen müssen.

Printausgabe tv diskurs: 25. Jg., 3/2021 (Ausgabe 97), S. 18-24

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Fast war „Public Value“ schon wieder in der Versenkung verschwunden, als MDR-Intendantin Karola Wille zusammen mit einigen Mitstreitern gegen Ende des Jahres 2019 den Leipziger Impuls herausgab. Dieser sollte einer „gemeinwohlorientierten Zukunftsgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ den Weg bereiten. Und weil die Coronapandemie auch in dieser Sache alles auf null gestellt hat, wurde im September 2020 gleich der Leipziger Impuls II hinterhergeschickt. Denn durch die Coronakrise habe sich „die Einsicht in die Notwendigkeit einer konsequenten Gemeinwohlausrichtung unserer Medienhäuser“ nicht nur bestätigt, sondern auch beschleunigt (MDR 2020).

Gemeinwohlorientierung und Public Value sind in diesen Impulsen quasi synonym. Das war nicht immer so und ist auch nicht selbstverständlich. Denn anfangs haben gerade die öffentlich-rechtlichen Sender sehr gefremdelt mit diesem angelsächsischen „Public Value“. Das Problem war nicht nur sprachlicher Natur. Die merkliche Zurückhaltung und teilweise unverhohlene Ablehnung des Public-Value-Begriffs hatte vor allem damit zu tun, dass er im Zuge der Auseinandersetzungen und juristischen Rangeleien um den Funktionsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen instrumentalisiert worden war, weswegen das neue Testverfahren für Telemedienangebote dann „Drei-Stufen-Test“ genannt wurde und eben nicht „Public-Value-Test“, wie er bei der BBC heißt (Serong 2017).

„Public Value“ – das war am Ende irgendeine Art von Mehrwert, der einerseits für öffentlich-rechtliche, nicht kommerzielle „Public-Service“-Medien reserviert bleiben, andererseits aber unter Marktbedingungen im publizistischen und ökonomischen Wettbewerb mit kommerziellen Anbietern produziert werden sollte. Insofern wurde in den Debatten über den Public Value von Medien manchmal mehr über das gesprochen, was die Öffentlich-Rechtlichen eben nicht mehr machen sollten – Unterhaltung, Sport, „presseähnliches“ Internet, Social Media –, als über das, was ihr eigentlicher Auftrag ist.

Wenn nun also der Public-Value-Begriff unter anderen Vorzeichen wieder aufgegriffen wird, ist das wohl ein Zeichen dafür, dass man in den Rundfunkanstalten mittlerweile, rund zehn Jahre später, erkannt hat, wie notwendig es ist, sich den Herausforderungen eines digitalen und globalen Mediensystems zu stellen und nach tragfähigen Stützpfeilern für Qualität im Journalismus und in der öffentlichen Kommunikation zu suchen.
 

Medienqualität – Kriterien, Ebenen, Perspektiven

Debatten über die Qualität von Medien und insbesondere über die Qualität des Journalismus haben Tradition. Meistens geht es dabei allerdings weniger um Qualität als vielmehr um den Mangel an Qualität. Und immer öfter, so scheint es, zielt die Kritik aufs Ganze, auf das „System“. Dann werden der „Staatsfunk“, die „Lügenpresse“, die „Mainstreammedien“ an den Pranger gestellt. Solche Kritik dreht sich nur vordergründig um bestimmte Fehlleistungen. Eigentlich geht es dabei um Vertrauen – in die Medien, aber auch in die Politik, die Regierung oder vor allem: die Eliten, das „Establishment“.

Fundamentale Systemkritik gibt aber immer häufiger den Grundton für Diskurse oder Gespräche über Medienqualität vor. Einerseits zu Recht: Medien sind schließlich Vertrauensgüter; man kann die Qualität eines Medienangebots erst nach der Nutzung einschätzen – und auch dann nur in begrenztem Maße (Heinrich 2010, S. 41). Vertrauen in das Mediensystem, insbesondere in den professionellen Journalismus, aber auch in bestimmte Organisationsformen wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ist eine unverzichtbare Ressource für gelingende Kommunikation. Andererseits jedoch säen „alternative“ Medien vor allem im Internet gezielt und mithilfe von Fake News Zweifel an den etablierten „Mainstreammedien“. Ein grundsätzliches und undifferenziertes Misstrauen gegenüber den Medien erschwert dann auch die Diskussion über Medienqualität.
 


Medien sind Vertrauensgüter; man kann die Qualität eines Medienangebots erst nach der Nutzung einschätzen.



Dabei ist Medienqualität nicht nur Vertrauenssache, sie lässt sich auch bestimmen und überprüfen. Zu diesem Zweck hat die Medienforschung eine ganze Reihe von Kriterienkatalogen für Medienqualität entwickelt. Zu den wichtigsten Qualitätskriterien zählen: Vielfalt, Aktualität, Relevanz, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit, Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit, Verständlichkeit und Respekt. Einerseits helfen solche Kriterienkataloge, den komplexen Qualitätsbegriff aufzuschlüsseln. Außerdem wird es auf diese Weise leichter, die Qualität von Medien zu messen, Stück für Stück, Kriterium für Kriterium. Andererseits sind Zielkonflikte zwischen Qualitätskriterien quasi vorprogrammiert, z.B. zwischen Aktualität und Sorgfalt, zwischen Relevanz und Vollständigkeit oder auch zwischen Richtigkeit und Verständlichkeit. Gerade im Hinblick auf ethische Konfliktsituationen lassen solche Kriterienkataloge die Frage offen, in welcher Beziehung die Kriterien zueinander stehen und welche Kriterien in welcher Situation Priorität haben sollten.

Die Definition von Medienqualität ist außerdem nicht nur eine Frage von Kriterien. So hängt die Definition von Medienqualität auch vom „Wertungsobjekt“ ab (vgl. Neuberger 2011, S. 27 ff.). Geht es um das Gesamtangebot in einer bestimmten Mediengattung oder um ein bestimmtes Programm? Geht es um ein Genre oder um einzelne Sendungen? Oder beziehen sich die Qualitätsurteile auf Redaktionen oder einzelne Medienakteure? Schließlich spielt es auch eine Rolle, welche Funktion ein Medienangebot hat und wie häufig es erscheint. Je nachdem gelten unterschiedliche Qualitätsansprüche und Standards. Insbesondere für den Journalismus gibt es zahlreiche Qualitätskriterien, die sich entweder an der Funktion des Journalismus selbst, an der öffentlichen Aufgabe des Journalismus in der Demokratie oder an den Bedürfnissen der Nutzer:innen orientieren (vgl. Arnold 2009, S. 229 ff.).

Allerdings sind diese unterschiedlichen Qualitätsansprüche auch perspektivenabhängig. Die Frage danach, was unter Medienqualität verstanden wird, hängt nicht nur von den Wertungsobjekten, sondern auch von unterschiedlichen „Wertungssubjekten“ ab (Neuberger 2011, S. 16 ff.; Hasebrink 1997, S. 205; Ruß-Mohl 1992, S. 86 ff.). Dazu zählen die Medienakteure selbst: die Journalist:innen, Produzent:innen etc., aber auch die Werbetreibenden und nicht zuletzt das Publikum. Diese Wertungssubjekte haben gemeinsam, dass sie Medienqualität autonom bewerten. Demgegenüber gibt es auch repräsentative Wertungssubjekte, die als Expert:innen stellvertretend Qualitätsbewertungen vornehmen, etwa in Preisjurys oder in Aufsichtsgremien, aber auch in der wissenschaftlichen Forschung (vgl. Neuberger 2004, S. 35; Hasebrink 1997, S. 205).

Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, überhaupt von „Medienqualität“ als solcher zu sprechen. Angesichts der zahlreichen Perspektiven und Ebenen, die berücksichtigt werden müssen, müsste eigentlich von „Medienqualitäten“ die Rede sein.

„In diesem Sinne ist Qualität als Beobachterkonstrukt zu verstehen. Unterschiedliche Akteure (z.B. Medienkritiker, Rezipienten, Medienmanager) beobachten aus unterschiedlicher Perspektive mit unterschiedlichen Maßstäben und Referenzsystemen (Gemeinwohl, Publikumsinteressen, ökonomischer Erfolg […]).“ (Weischenberg 2006, S. 12)

Das Gemeinwohl – in der Tat ein beliebter Referenzbegriff innerhalb des Qualitätsdiskurses, vor allem, wenn es um die „öffentliche Aufgabe“ der Medien oder den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht. Was aber hat das Gemeinwohl mit den Interessen des Publikums zu tun, und sollte das nicht eigentlich auf dasselbe hinauslaufen? Was sagt die „Quote“ uns über Medienqualität aus Nutzersicht, und warum soll (aufmerksamkeits‑)ökonomischer Erfolg in der Mediokratie nicht zum Gemeinwohl führen?
 

Qualität im Spannungsfeld von Eigennutz und Gemeinwohl

Medienqualität ist nicht nur perspektivenabhängig, sie ist vor allem auch ein relationaler Begriff. Qualität ist „keine Eigenschaft der Angebote selbst, sondern eine Eigenschaft der Beziehung zwischen Angebot und Rezipienten“ (Hasebrink 1997, S. 202). Streng genommen kann man daher sagen: „Medienangebote ‚haben‘ keine Qualität, sondern diese muss sich immer erst in der Rezeption ‚erweisen‘“ (Hasebrink 2000, S. 6). Dem Publikum müsste also eigentlich eine vorrangige Rolle im Qualitätsdiskurs eingeräumt werden. Stattdessen stößt man aber immer wieder auf eine grundlegende Skepsis gegenüber dem Publikum und seiner Urteilsfähigkeit.

Es lässt sich nicht leugnen, dass vor allem die regelmäßige Nutzung bestimmter Medienangebote auch mit einer positiven Bewertung ihrer Qualität einhergeht, sonst würden es die Leute ja nicht gucken oder lesen oder hören (vgl. Schweiger 2007, S. 263). Das fast schon notorische Infragestellen des Publikumsgeschmacks durch Expert:innen aus Medien, Politik und Wissenschaft erscheint in diesem Licht geradezu undemokratisch. Unvergessen in diesem Zusammenhang das Bonmot von RTLplus-Chef Helmut Thoma Anfang der 1990er-Jahre, als die neuen Privatsender die deutsche Fernsehlandschaft auf den Kopf stellten: „Ich wundere mich auch hin und wieder über die Wahl, aber der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“ (Stolle/Volz 1990).

Medienqualität kann jedoch auch verstanden werden als ein Dreieck, das sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen der sogenannten „normativen Qualität“, der „Nutzerqualität“ und der Mediennutzung (kurz: „Quote“) ergibt (Schweiger 2007, S. 262). Dementsprechend ist zu unterscheiden zwischen Medienqualität aus Publikumssicht („Nutzerqualität“) und der tatsächlichen Mediennutzung, die sich in Nutzungsstatistiken niederschlägt und zu Reichweiten und Marktanteilen hochgerechnet wird. Letztere hängt maßgeblich auch von der Angebotsvielfalt ab. Gerade im Internet, wo die Vielfalt unbegrenzt scheint, nehmen Algorithmen einen immer größeren Einfluss auf die Selektionsentscheidungen der Nutzer:innen, die sich an PageRanks und Empfehlungen anderer orientieren. Außerdem ist Mediennutzung sehr häufig mit geringen oder gar keinen Kosten verbunden, denn ein Großteil des Angebots wird über Werbung oder öffentliche Beiträge finanziert und viele Plattformen bieten Flatrates. So ist der Preismechanismus an vielen Stellen ausgehebelt, und die effektive Nachfrage spiegelt die eigentliche Zahlungsbereitschaft der Nutzer:innen, wenn überhaupt, nur ungenau wider. Und schließlich ist Mediennutzung auch eine Zeitfrage, sodass man sich, wie im Übrigen auch beim Essen oder beim Sport, wohl wissend nicht immer für das Beste entscheidet. So zeigen Studien der Publikumsforschung, dass die Rezipient:innen „sehr wohl einen Unterschied machen zwischen dem, was sie gern und oft sehen, und dem, was ihnen subjektiv besonders wichtig ist“ (Hasebrink 1997, S. 213).
 


Es lässt sich nicht leugnen, dass vor allem die regelmäßige Nutzung bestimmter Medienangebote auch mit einer positiven Bewertung ihrer Qualität einhergeht, sonst würden es die Leute ja nicht gucken oder lesen oder hören.



Die „Quote“ darf also nicht ohne Weiteres gleichgesetzt werden mit dem Publikumsinteresse. Wie aber verhält es sich mit dem Interesse des Publikums und dem „öffentlichen Interesse“? Meist wird davon ausgegangen, dass die Mediennutzer:innen egoistisch motiviert sind und die Qualität von Medienangeboten nur nach ihren individuellen und meist situativen Bedürfnissen und Präferenzen beurteilen. Als Bürger:innen sind sie aber auch in der Lage, den Nutzen bzw. Schaden, den ein Medienangebot für andere gesellschaftliche Gruppen bzw. für die Gesellschaft insgesamt bedeuten kann, einzuschätzen. Es kann daher „zwischen einer rein persönlichen und einer am Gemeinwohl orientierten Qualitätsbewertung“ (Schweiger 2007, S. 264) unterschieden werden. Wer also im Qualitätsdiskurs die Interessen des Publikums anführt, sollte nicht nur die individuellen Interessen, sondern auch die überindividuellen Interessen der Mediennutzer:innen berücksichtigen. Dabei ist es wichtig, dass man nicht vorschnell einen Widerspruch zwischen der Konsumenten- und der Bürgerrolle im Sinne von „Eigennutz versus Gemeinwohl“ konstruiert. Schließlich ist gerade in jüngerer Zeit zu beobachten, dass viele Menschen ihren Konsum zugunsten des Klimaschutzes einschränken. Umgekehrt erodieren die Zivilgesellschaft und das Gemeinwesen trotz einer spürbaren Politisierung der Gesellschaft zusehends, was ein Indiz dafür sein mag, dass die Wahrnehmung der Bürgerrechte nicht notwendig am Gemeinwohl orientiert ist, sondern sich durchaus auf die Maximierung des Eigennutzes und die Durchsetzung persönlicher Interessen beschränken kann.

Was die „normative Qualität“ betrifft, darf man auch die sogenannten „normativen“, demokratietheoretisch begründeten Qualitätsansprüche nicht auf politische oder rechtliche Forderungen verkürzen. Schließlich besteht die Funktion von öffentlicher Kommunikation und insbesondere des Journalismus nicht nur in der Herstellung einer politischen Öffentlichkeit, sondern in einem umfassenderen Sinne in der Herstellung von „Mehrsystemrelevanz“ (Wyss 2011). In einer Gesellschaft, die sich immer weiter individualisiert und ausdifferenziert und dabei immer komplexer wird, ermöglichen Medien die Synchronisation und Selbstbeobachtung der Teilsysteme (Politik, Wirtschaft, Recht, Bildung, Wissenschaft etc.). Was ist wichtig, nicht nur für einige wenige, sondern für viele oder gar für alle? Welche Probleme müssen gelöst, welche Krisen müssen bewältigt werden? Wo müssen Grenzen gezogen, Regeln formuliert, Gesetze erlassen werden? Vor allem die Qualitätsmedien spielen eine tragende Rolle in der „Identifikation und Inszenierung von Mehrsystemrelevanz“ (ebd., S. 36). Allerdings gewinnen die sozialen Medien an Bedeutung, und auch wenn sie, was die Meinungsbildung betrifft, bisweilen stark polarisieren und spalten, so wirken sie in struktureller Hinsicht doch integrativ.
 

Die Integrationsfunktion der Medien in der ausdifferenzierten Gesellschaft

Besonders dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird eine Integrationsfunktion zugeschrieben (vgl. Lilienthal 2009, S. 6). Es stellt sich aber die Frage, ob die Integration durch die Medien bloß struktureller Art ist (weil Kommunikation stattfindet), oder ob sie darüber hinaus auch in qualitativer Hinsicht gelingt, indem die Medien den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken und der Vereinzelung, nicht zuletzt als Sozialisationsinstanz, kontinuierlich entgegenwirken. Diese Integration können Medien jedoch nicht nur angebotsseitig leisten. Je mehr das Publikum in den digitalen Medien über die passive Rezeption hinaus an der Produktion und Distribution von Medienangeboten mitwirkt, desto offenkundiger wird die Tatsache, dass das Publikum durch seine Mediennutzung auch einen entscheidenden Anteil daran hat, inwiefern die Medien wirklich zur Integration der Gesellschaft beitragen.


Der Gemeinsinn der Mediennutzer:innen braucht jedoch keinen Altruismus, sondern er geht aus dem gemeinsamen Interesse an Öffentlichkeit als einem Kollektivgut hervor.


Wenn Medienqualität eben nicht nur eine Eigenschaft der Medienangebote ist, sondern die Eigenschaft der Beziehung zwischen den Angeboten und den Nutzern, und sich Medienqualität folglich erst durch die tatsächliche Nutzung sowie die Bewertung durch die Nutzer einstellt, dann ist Medienqualität notwendigerweise auch auf den Gemeinsinn der Mediennutzer:innen angewiesen (Serong 2021). Der Gemeinsinn ist die Voraussetzung dafür, dass Mediennutzung nicht nur nach individuellen Bedürfnissen erfolgt und entsprechend bewertet wird, sondern auch überindividuelle, gemeinsame Interessen eine Rolle spielen. Dieser Gemeinsinn der Mediennutzer:innen braucht jedoch keinen Altruismus, sondern er geht aus dem gemeinsamen Interesse an Öffentlichkeit als einem Kollektivgut hervor (Anderheiden 2006, S. 335; Serong 2015, S. 239, S. 244).
 

Medienqualität und Public Value

Was bedeuten diese Überlegungen für die Frage nach dem Public Value von Medien? So wie Medienqualität ein relationaler Begriff ist, kann auch der Public Value von Medien nicht nur anhand von bestimmten Kriterien oder mithilfe von Expertisen bestimmt werden, sondern ist an die Mitgestaltung, Nutzung und Bewertung durch das Publikum gebunden (Hasebrink 2007, S. 41). Der Public Value von Medien ist eine „gesellschaftliche Wertschöpfung“ (Gomez/Meynhardt 2014, S. 21). Er bemisst sich nicht nur nach dem Output an Medienangeboten, sondern vor allem daran, ob und inwieweit „Öffentlichkeit“ als öffentliches bzw. kollektives Gut hergestellt wird. Im Unterschied zum Begriff der „Medienqualität“ vermag der Public-Value-Begriff vielleicht besser zum Ausdruck zu bringen, dass das Publikum die wesentliche Anspruchsgruppe darstellt und dass es vor allem um die Herstellung von Öffentlichkeit geht. Dazu ist es allerdings notwendig, den Public-Value-Begriff zumindest ein Stück weit herauszulösen aus dem wirtschaftspolitischen und juristischen Kontext, in den er zunächst eingeführt wurde. Mit der Zeit mag es gelingen, dem Public-Value-Begriff ein neues Profil zu verleihen, das weniger auf den Wettbewerb zwischen Medienanbietern und mehr auf die gemeinsame Wertschöpfung von Medien und Publikum verweist: für den Einzelnen – wie für die Gesellschaft.
 

Literatur

Anderheiden, M.: Gemeinwohl in Republik und Union. Tübingen 2006

Arnold, K.: Qualitätsjournalismus. Die Zeitung und ihr Publikum. Konstanz 2009

Gomez, P./Meynhardt, T.: Public Value – Gesellschaftliche Wertschöpfung als unternehmerische Pflicht. In: C. von Müller/C.-P. Zinth (Hrsg.): Managementperspektiven für die Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Management als Liberal Art. Wiesbaden 2014, S. 17 – 26

Hasebrink, U.: Die Zuschauer als Fernsehkritiker? Anmerkungen zum vermeintlichen Mißverhältnis zwischen „Qualität“ und „Quote“. In: H. Weßler/C. Matzen/O. Jarren/U. Hasebrink (Hrsg.): Perspektiven der Medienkritik. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit öffentlicher Kommunikation in der Mediengesellschaft. Opladen 1997

Hasebrink, U.: Journalistische Qualität aus der Perspektive des Publikums. In: Medienwissenschaft Schweiz, 1/2000, S. 6 – 9

Hasebrink, U.: „Public Value“: Leitbegriff oder Nebelkerze in der Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?. In: Rundfunk und Geschichte, 1/2/2007, S. 38 – 42

Heinrich, J.: Medienökonomie. Band 2: Hörfunk und Fernsehen. Wiesbaden 2010

Lilienthal, V.: Integration als Programmauftrag. In: APuZ, 9–10/2009, S. 6 – 12

MDR: Leipziger Impuls II – Gemeinwohlorientierung der öffentlich-rechtlichen Medien in Zeiten der COVID-19-Pandemie. Leipzig 2020. Abrufbar unter: https://www.mdr.de

Neuberger, C.: Qualität im Onlinejournalismus. In: K. Beck/W. Schweiger/W. Wirth (Hrsg.): Gute Seiten – schlechte Seiten. Qualität in der Onlinekommunikation. München 2004, S. 32 – 57

Neuberger, C.: Definition und Messung publizistischer Qualität im Internet. Herausforderungen des Drei-Stufen-Tests. Berlin 2011

Ruß-Mohl, S.: Am eigenen Schopfe … Qualitätssicherung im Journalismus – Grundfragen, Ansätze, Näherungsversuche. In: Publizistik, 1/1992/37, S. 83 – 96

Schweiger, W.: Theorien der Mediennutzung. Eine Einführung. Wiesbaden 2007

Serong, J.: Medienqualität und Publikum. Zur Entwicklung einer integrativen Qualitätsforschung. Konstanz 2015

Serong, J.: Die Öffentlich-Rechtlichen und Public Value. Über das ungenutzte Potential des Public-Value-Begriffs. In: Communicatio Socialis, 1/2017/50, S. 20 – 34

Serong, J.: Öffentlich-rechtliche Medien und Gemeinsinn. In: Programmheft Deutschlandradio, April 2021. Abrufbar unter: https://www.deutschlandradio.de

Stolle, P./Volz, H.: Der Wurm muß schmecken. Interview mit Helmut Thoma. In: Der Spiegel, 42/1990. Abrufbar unter: https://www.spiegel.de

Weischenberg, S.: Medienqualitäten: Zur Einführung in den kommunikationswissenschaftlichen Diskurs über Maßstäbe und Methoden zur Bewertung öffentlicher Kommunikation. In: S. Weischenberg/W. Loosen/M. Beuthner (Hrsg.): Medien-Qualitäten. Öffentliche Kommunikation zwischen ökonomischem Kalkül und Sozialverantwortung. Konstanz 2006, S. 9 – 34

Wyss, V.: Narration freilegen: Zur Konsequenz der Mehrsystemrelevanz als Leitdifferenz des Qualitätsjournalismus. In: R. Blum/H. Bonfadelli/K. Imhof/O. Jarren (Hrsg.): Krise der Leuchttürme öffentlicher Kommunikation. Vergangenheit und Zukunft der Qualitätsmedien. Wiesbaden 2011, S. 31 – 47