Qualitätsserien aus Deutschland

Produktionspraktiken, Erzählweisen und Transformationen des Fernsehens

Florian Krauß

Wiesbaden 2023: Springer VS
Rezensent/-in: Cathrin Bengesser

Buchbesprechung

Online seit 16.01.2025: https://mediendiskurs.online/beitrag/qualitaetsserien-aus-deutschland-beitrag-1123/

 

 

Qualitätsserien aus Deutschland

Der Buch ist die erweiterte und aktualisierte Fassung der Habilitationsschrift des Autors aus dem Jahr 2022. Ziel ist die Analyse von Veränderungen in Narration, Produktion und Distribution des deutschen Fernsehens aus der Perspektive der Medienschaffenden seit 2015. Den Begriff des Qualitätsfernsehens versteht Krauß nicht als ästhetische Zuschreibung der Kulturkritik. Im vorliegenden Band gilt: Qualität ist das, was unter den Beteiligten im Produktionsprozess als Qualität benannt wird.

Methodisch nutzt Krauß dieser Forschungsperspektive entsprechend die Diskursanalyse. Den Forschungsgegenstand begrenzt der Fokus auf Drehbuchautoren und ‑teams eines Korpus von zehn Serien. Mit dabei sind u. a. Babylon Berlin, 4 Blocks, Dark und Der Club der Roten Bänder. Analysegegenstand sind nicht die individuellen Produktionsprozesse dieser Serien, sondern die Sicht auf die deutsche Fernsehlandschaft der an ihnen Beteiligten. Sie ergibt sich aus knapp 40 Interviews, die Krauß mit den Serienschaffenden geführt hat, sowie aus der teilnehmenden Beobachtung von „Branchentreffs“ wie dem „Berlinale Series Market“.

Aufgebaut ist die Untersuchung in sieben Teilen. Zwei Kapitel widmen sich dem Begriff des Qualitätsfernsehens, der Forschung zu Projektnetzwerken und der sogenannten „screen idea work group“, die alle am Drehbuchprozess Beteiligten umfasst. Kapitel 3 bis 7 präsentieren die Empirie zu den Akteuren und Netzwerken in der deutschen Fernsehlandschaft, typische Ausprägungen des seriellen Erzählens zwischen Fernsehfilm und Serie, ökonomische Trends, wie die Abkehr von der 100%-Finanzierung, und das Konfliktverhältnis zwischen Autoren und Regie. Einerseits reflektieren Krauß’ Quellen bekannte Dimensionen des „quality TV“ aus dem internationalen Kontext wie das horizontale Erzählen, die gestärkte Rolle der Autoren oder regionale Verankerung als vermeintlicher Schlüssel zum internationalen Erfolg. Andererseits finden sich spezifische Qualitätsdiskurse, die meist von einer Abkehr von als traditionell empfundener deutscher Praxis handeln.

Die Verknüpfung von für Deutschland spezifische kulturelle und wirtschaftliche Dimensionen mit dem internationalen Forschungsfeld der Media Industry Studies macht Krauß’ Arbeit zu einem wichtigen Beitrag zur Fernsehwissenschaft in Deutschland. Ebenso funktioniert das Buch als Dokumentation der „Goldgräberzeit“ des Streamingbooms, dem Covid-19 und Inflation ein (vorläufiges) Ende setzten.

Dr. Cathrin Bengesser