Reform des Jugendschutzgesetzes (JuSchG)

Auszug aus der Stellungnahme der FSF zum „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“

Redaktion Recht

Nachfolgend finden Sie einen Auszug aus der Stellungnahme der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) zum „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“.

Printausgabe tv diskurs: 24. Jg., 2/2020 (Ausgabe 92), S. 100-101

Vollständiger Beitrag als:

[…] Wir verstehen unsere Anmerkungen als konstruktiven Beitrag für einen zeitgemäßen und effektiven Jugendmedienschutz. Als Selbstkontrolleinrichtung, die trotz konvergenter Medienmärkte nur für den Rundfunk- und Telemedienbereich anerkannt ist, sind wir in unserer praktischen Arbeit täglich damit konfrontiert, dass die Schnittstellen zwischen dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) und dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) nicht hinreichend aufeinander abgestimmt sind, was zu unterschiedlichen Regelungen nach Vertriebswegen und zu Doppelprüfungen führt. Wir begrüßen daher grundsätzlich die Bemühungen des Bundes um einen konvergenten Rechtsrahmen und bewerten es positiv und als richtigen Schritt in Richtung Konvergenz, dass die nach § 19 JMStV anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle im Entwurf an mehreren Stellen berücksichtigt sind. Auch die Förderung von Transparenz und Orientierung im Jugendmedienschutz unterstützen wir gerne und möchten darauf verweisen, dass wir uns seit Jahren für ein Mehr an Information über Jugendschutzentscheidungen engagieren und dazu gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen auch bereits verschiedene Modelle entwickelt haben. Insofern teilen wir die im Entwurf ausgeführten Ziele von Transparenz und Orientierung, Konvergenz sowie der Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendmedienschutzes. In den konkreten Änderungsvorschlägen des vorliegenden Referentenentwurfs sehen wir diese Ziele aber nur unzureichend umgesetzt, und zwar im Wesentlichen aus den folgenden drei Gründen:

1. Eine grundsätzliche Problematik des vorliegenden Entwurfs liegt unseres Erachtens darin, dass die aus dem Trägermedienbereich stammende Regulierungslogik des JuSchG, die eine Vorab-Prüfung und Kennzeichnung aller Inhalte unter Mitwirkung staatlicher Behörden(‑vertreter) vorsieht, auf den Onlinebereich übertragen werden soll, in dem eine andere Logik, nämlich die der Regulierten Selbstregulierung greift. Danach sind die Anbieter für die Bewertung ihrer Inhalte selbst verantwortlich bzw. können sich hierfür Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle bedienen und werden im Falle von Falschbewertungen im Nachhinein durch die Aufsicht sanktioniert. Ko- und Selbstregulierungsmodelle gelten im europäischen Kontext als moderne Instrumente, deren Bedeutung in der Neufassung der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMDRL) entsprechend betont wird. Das in Deutschland seit 17 Jahren gut funktionierende Modell hat sich bewährt – weder die Anzahl von Beschwerden und Beanstandungen noch die öffentliche Diskussion geben Anlass, die Regulierte Selbstregulierung grundsätzlich zu hinterfragen. In den Häusern der FSF-Mitgliedsunternehmen hat die im JMStV verankerte Anbieterverantwortung zu komplexen Jugendschutzstrukturen geführt, in denen die gem. § 7 JMStV bestellten Jugendschutzbeauftragten, die eine ihren Aufgaben entsprechende Fachkunde besitzen müssen, die Anbieter von der Planung bis zur Herstellung und Gestaltung von Angeboten unter Jugendschutzgesichtspunkten weisungsunabhängig beraten. Die Funktion der Jugendschutzbeauftragten ist auch deshalb wichtig, weil ein großer Teil des Programms wie Liveprogramme oder ‑berichterstattung gar nicht vorlagefähig ist. Das funktionierende Regulierungsmodell aufzuheben und die bestehenden Strukturen zu schwächen, wäre ein enormer Rückschritt im Jugendmedienschutz und ist aus unserer Sicht daher unbedingt abzulehnen.

2. Die zweite grundsätzliche Problematik des Entwurfs ist unserer Meinung nach die Einführung eines „einheitlichen“ Medien-Begriffs unter Ausklammerung des Rundfunks. Eine solche Trennung von Rundfunk einerseits und Tele- und Trägermedien andererseits ist in medienkonvergenten Märkten, in denen Produkte regelmäßig für verschiedene Vertriebswege ausgewertet werden, schlicht nicht möglich. Durch diese künstliche Trennung werden vertriebswegspezifische Regelungen weiterhin vorhanden und sinnlose, irreführende Doppelprüfungen weiterhin notwendig sein.

3. Ein drittes grundsätzliches Problem sehen wir in der Ungleichbehandlung von öffentlich-rechtlichen und privaten Medienanbietern, ohne dass Jugendschutzgründe unterschiedliche Regelungen rechtfertigen.

Vor diesem Hintergrund beschränkt sich unsere Stellungnahme auf die Punkte, die aus unserer Sicht besonders relevant sind, weil sie den genannten Zielen zuwiderlaufen. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das Ziel der Förderung von Transparenz und Orientierung wird nicht erreicht.

Dass die im JuSchG verankerte Vorlagepflicht für Trägermedien nun auf Telemedieninhalte ausgeweitet und mit einer Kennzeichnungspflicht verbunden werden soll, ist unseres Erachtens nicht zeitgemäß, dem dynamischen Onlinemarkt nicht angemessen und vor dem Hintergrund des bestehenden und funktionierenden Systems der Regulierten Selbstregulierung gemäß JMStV auch nicht notwendig. Die Übertragung des Prüfmodells aus dem Trägermedienbereich auf Internetinhalte generiert hohe Kosten, ohne Mehrwert für den Jugendschutz. Im Gegenteil: Ein gut funktionierendes System von Inhaltebewertung auf der Grundlage menschlicher Expertise wird zugunsten einer nur vermeintlich lückenlosen automatisierten Klassifizierung aufgegeben. Diametral entgegen wirkt dem erklärten Ziel der Förderung von Transparenz und Orientierung zudem, dass eine lückenlose Kennzeichnung von Onlineinhalten auf Film- und Spieleplattformen gar nicht zu erwarten ist, weil bedeutende Bereiche wie die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind. Informationen über potenzielle Risiken nicht auf allen Plattformen einheitlich bereitzuhalten, wird unserer Einschätzung nach Verbraucherinnen und Verbraucher eher verwirren, anstatt ihnen Orientierung zu bieten. Auch Anbieter mit Niederlassung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat unterfallen aufgrund des Herkunftslandprinzips einer Kennzeichnungspflicht grundsätzlich nicht. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Erweiterung des Begriffs der Entwicklungsbeeinträchtigung um Risiken aus dem Bereich des Verbraucher- und Datenschutzes zu einer Verwässerung und Intransparenz der Altersstufenkriterien und damit zu einer Irreführung der Nutzerinnen und Nutzer beiträgt.

Das Ziel einer konvergenten Medienregulierung wird nicht erreicht.

Unterschiedliche gesetzliche Regelungen für unterschiedliche Mediensparten werden nicht abgebaut, sondern es werden weitere Differenzierungen nach Mediensektoren vorgenommen, z.B. durch Sonderprivilegierungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder durch Sonderregelungen für Mediatheken und Hostprovider. Die grundsätzliche und seit Jahren angesichts konvergenter Märkte kritisierte Zweiteilung von Trägermedien einerseits und Onlinemedien andererseits bleibt erhalten, sodass Anbieter weiterhin zu aufwendigen Doppelprüfungen gezwungen sind. Der vorgesehene einheitliche Medien-Begriff wird somit zwar konstatiert, faktisch aber nicht durchgesetzt, weil der Rundfunk ausgenommen und bei verschiedenen Regelungen wieder nach Mediensparten differenziert wird.

Das Ziel der Förderung und Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendmedienschutzes wird nicht erreicht.

Die Regulierungsbereiche des JuSchG und des JMStV werden nicht aufeinander abgestimmt, sondern es werden JuSchG-Regelungen auf wesentliche Bereiche ausgedehnt, in denen bereits Regelungen des JMStV greifen. Dadurch erfolgen eine Absenkung der Jugendschutzstandards und ein Bedeutungsverlust funktionierender ko- und selbstregulatorischer Modelle. Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Konformität von Doppelnormierung durch Bundes- und Landesgesetzgebung dient dies nicht dem Grundsatz der Normenklarheit im Jugendschutz.

Wir appellieren daher dringend an das Bundesfamilienministerium, den Gesetzesentwurf nicht in der vorliegenden Form zu verabschieden, weil dies das bestehende und gut funktionierende System der Regulierten Selbstregulierung im JMStV faktisch obsolet machen würde. Stattdessen plädieren wir dafür, Bundes- und Ländergesetzgebung sinnvoll miteinander zu verzahnen und konsistente, praktikable Verfahren im Sinne eines zeitgemäßen Jugendschutzes zu entwickeln. […]

Die vollständige Stellungnahme ist auf der FSF-Website abrufbar unter: https://fsf.de