Revival des Autokinos

Bedingt durch die deutschlandweiten Schließungen der stationären Kinos seit März 2020 berichten wir an dieser Stelle ausnahmsweise nicht über die Freigaben aktueller Spielfilme. Stattdessen werfen wir einen Blick auf eine fast schon ausgestorbene Sonderform des Kinos, die vor Corona eher als nostalgisches Vergnügen galt, unter den aktuellen Umständen aber eine Wiederbelebung erfährt: das Autokino.

Printausgabe tv diskurs: 24. Jg., 3/2020 (Ausgabe 93), S. 8-9

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Trotz strenger Hygienevorschriften – nur zwei Personen pro Wagen, geschlossene Scheiben, Ticketverkauf online, kein Service am Auto – kamen am 8. April 2020 zur Autokino-Premiere auf dem Düsseldorfer Messeparkplatz 1.000 Zuschauerinnen und Zuschauer in 500 Autos.

Deutschlands erstes Autokino eröffnete im März 1960 in Gravenbruch mit dem Film Der König und ich mit Yul Brynner. Damals versuchte man bewusst, der kleinen Mattscheibe des aufkommenden Mediums Fernsehen etwas Außergewöhnliches entgegenzusetzen, und so fanden vor der überdimensional 540 m² großen Leinwand über 1.100 Autos Platz. In der ehemaligen DDR gab es seit 1977 im brandenburgischen Zempow nur ein einziges Autokino.

Durch die enorme Weiterentwicklung mobiler Veranstaltungstechnik können einige Autokinos schon vor Einbruch der Dunkelheit mit ihrem Programm beginnen. Die ersten Vorführungen im Berliner Autokino „Carrona“ finden sogar schon um 11.00 Uhr statt.

Autokinos sind bei Paaren wegen der romantischen Stimmung besonders beliebt. Allerdings sollte man darauf achten, wie nah man sich als Pärchen kommt, denn wenn sich andere von zu viel Intimität gestört fühlen, droht ein hohes Bußgeld. In Amerika muss man vielerorts für die letzte Reihe, die Love Lane, von vornherein einen Preisaufschlag zahlen.

Vor der Coronapandemie und der damit verbundenen Schließung von Kinos gab es rund 20 Autokinos in ganz Deutschland, einige davon spielten ihr Programm sogar nur saisonal. Inzwischen sind seit 2020 bereits über 60 weitere, teils temporäre, dazugekommen.

Manche Autokinos beschränken sich nicht nur auf die Vorführung von Filmen, sondern veranstalten sogar Livekonzerte wie z.B. das von Heino in Bonn und „Revolverheld“ in Gießen. Aber auch Gottesdienste, Hochzeiten, Theateraufführungen und Poetry-Slams werden angeboten.

In den Autokinos werden entweder große Erfolge aus der Zeit vor Corona gezeigt (z.B. Parasite, Die Känguru-Chroniken) oder Filme, die ein regionales Publikum ansprechen, wie beispielsweise die Dokumentation über die Band „Die Toten Hosen“ im Autokino Düsseldorf. Beliebt sind auch Klassiker wie Grease oder Zurück in die Zukunft III, in denen das Autokino selbst eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Die in den modernen Autoscheiben integrierten UV-Filter verhindern allerdings die Vorführung von 3‑D‑Filmen.

Damit man auch in einem Kleinwagen, der z.B. hinter einem Geländewagen steht, noch eine gute Sicht auf die Leinwand hat, sind viele Autokinos mit Rampen oder welligem Bodenbelag ausgestattet. Die Wagen werden meist bogenförmig vor der Leinwand platziert. Früher empfing man den Ton über extern aufgestellte Boxen, deren Geräusche kilometerweit zu hören waren. Heute lässt sich der Ton auf einer bestimmten UKW-Frequenz über das eigene Autoradio empfangen.

Es gibt mehrere Gründe für den Rückgang der Anzahl von Autokinos in Deutschland seit den 1980er-Jahren: Durch die Einführung der Sommerzeit im Jahr 1980 konnten Autokinos wegen der benötigten Dunkelheit ihr Programm erst später, teils erst ab 22.00 Uhr, beginnen und mussten durch weniger Vorstellungen deutliche Einnahmebußen hinnehmen. Außerdem bekamen die Autokinos ab Mitte der 1980er-Jahre starke Konkurrenz durch das Privatfernsehen und die Heimvideosysteme, die viele Zuschauer zu Hause bleiben ließen.

Für 150 Autos benötigt der Veranstalter eines Autokinos ungefähr 7.000 m² freie Fläche. Idealerweise wählt er ein befestigtes Gelände, das über eine Straße erreichbar ist.

Nach einer neuen Coronaschutzverordnung müssen Cabriofahrer die Verdecke im Autokino geschlossen halten. Alternativ darf man aber sein Autofenster öffnen.