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Sendestörung

Aufstieg und Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Karsten Rudolph

München 2025: C.H. Beck
Rezensent/-in: Tilmann P. Gangloff

Buchbesprechung

Online seit 06.10.2025: Link

Aufstieg und Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

75 Jahre ARD: Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Schon der Titel seines Buches, Sendestörung, verdeutlicht jedoch, dass dem Historiker Karsten Rudolph keine Festschrift vorschwebte. Auf knapp 200 Seiten beschreibt er „Aufstieg und Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, wie der Titelzusatz lautet. Das tut er allerdings überwiegend rückblickend. Mit der Zukunft befasst er sich erst am Ende seines Langstreckenlaufs, wenn er fordert, der gemeinnützige Rundfunk müsse seinen Programmauftrag so erfüllen, „dass er der Freiheit und Demokratie dient, indem er Menschen immer wieder aufs Neue befähigt, am politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzuhaben“ (S. 202). 

Dieses Postulat trifft heute noch genauso zu wie in den frühen 1950er-Jahren, als die britischen Besatzer ein System nach dem Vorbild der BBC schufen: staatsfern und nicht auf ökonomischem Gewinn ausgerichtet. Rudolph, der als Mitglied im Rundfunk- und Verwaltungsrat des WDR die ARD auch von innen kennt, beschreibt, wie sich die Medienlandschaft in den letzten siebeneinhalb Jahrzehnten entwickelt hat. Lesenswert ist die Zeitreise daher vor allem für jene, die sich bislang nur oberflächlich mit diesem Teil der (west‑)deutschen Geschichte befasst haben – auch wenn nicht oft genug betont werden kann, welch erheblichen Anteil das öffentlich-rechtliche System gemeinsam mit den neuen Printpublikationen an der Demokratisierung der Bundesrepublik hatte. Aktuell ist die Aufgabe eine ganz ähnliche: Angesichts von Desinformations- und Fake-News-Kampagnen in digitalen Netzwerken und mit Blick auf eine Partei, die demokratische Strukturen zerstören will, sind Qualitätsmedien heute so wichtig wie damals. 

Als kompakter Überblick ist das wissenschaftlich fundierte, aber nicht übertrieben akademisch verfasste Buch daher eine fesselnde Lektüre, zumal Rudolph zeigt, wie sich diverse Kritikpunkte durch die Geschichte von ARD und ZDF ziehen. Über die Tendenz zur Mediokratie (Personalisierung von Politik statt Sachdiskussion), viel zu teure Sportrechte oder das Diktat der Einschaltquote wurde schon vor 30 Jahren geklagt. Die Basis für diese Entwicklung legte die Politik 1982 mit der Einführung des dualen Rundfunksystems und der Zulassung von Privatfunk allerdings selbst. 

In den frühen 1990er-Jahren wandelten sich die zunächst noch belächelten Emporkömmlinge RTL, Sat.1 und ProSieben zur äußerst ernsthaften Konkurrenz. Heute sitzen alle aufgrund der Digitalisierung und des Erfolgs der Streamingdienste im selben Boot. Bei den Privatsendern führt die zurückgegangene Akzeptanz zu schrumpfenden Gewinnen, bei ARD und ZDF zu Relevanzverlust und somit geradewegs in eine Legitimationskrise. Eine substanzielle Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so Rudolphs Fazit, sei schon lange überfällig. Den aktuellen Herausforderungen könne er jedoch nur gerecht werden, wenn er schlagkräftiger, schlanker und schneller werde – ansonsten sei er ernsthaft gefährdet. Konkrete Vorschläge bleibt der Historiker allerdings schuldig. 

Tilmann P. Gangloff
 



Karsten Rudolph: Sendestörung. Aufstieg und Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. München 2025: C.H. Beck. 240 Seiten, 20,00 Euro