Smartphone immer, Fernsehen immer seltener
Ergebnisse der JIM-Studie 2018
Digitalisierte Freizeit und Digitalisierung des Sozialen
Man kann es sich kaum noch vorstellen, aber bis in die 2000er-Jahre hinein war die Freizeit der Jugendlichen im Wesentlichen von drei Dingen geprägt: Fernsehen, Musikhören sowie Treffen von Freunden. Mit dem Siegeszug zunächst von Computern und Internet, später dann von Handys und Smartphones hat sich hier einiges verändert. Einzig das Musikhören, das in den 1990er-Jahren noch bevorzugt mit CDs und Kassetten, ab Mitte der 2000er-Jahre via MP3-Player und in den letzten Jahren immer häufiger mit Streamingdiensten wie Spotify erfolgte, hat seinen exponierten Stellenwert behalten. In der JIM-Studie 2018 rangiert das Musikhören auf Rang drei der abgefragten Freizeitbeschäftigungen – nur knapp hinter den Handys/Smartphones und Internetangeboten allgemein, die mit deutlich über 90% regelmäßigen Nutzern seit 2010 im Ranking ganz oben stehen.
Das Fernsehen, bis weit in die 2000er-Jahre hinein noch die häufigste Freizeitbeschäftigung Jugendlicher, hat trotz der neuen Verbreitungswege an Bedeutung verloren. Sahen im Jahr 2010 immerhin noch 88 % der Zwölf- bis 19-Jährigen täglich oder mehrmals wöchentlich fern, waren es 2018 nur noch 73 %. Damit rangiert das ehemalige Leitmedium, das bei Jugendlichen seit 20 Jahren vor allem mit dem Programm von ProSieben punktet, mittlerweile hinter dem Schauen von Onlinevideos. Zudem werden Fernsehsendungen immer seltener zum eigentlichen Ausstrahlungszeitpunkt am Fernsehgerät angesehen. Mittlerweile nutzt jeweils ein Fünftel der Jugendlichen hierfür die Mediatheken der Sender im Internet oder einfach YouTube. Der Bedeutungsverlust des klassischen Fernsehens ging in den letzten drei Jahren nicht nur mit einer weiter zunehmenden Beliebtheit von YouTube einher. Rasant gestiegen ist die Nutzung von Netflix und Amazon Prime, bei der sich die Jugendlichen ihr Programm selbst zusammenstellen.
Markant sind nicht zuletzt die Veränderungen im Bereich der nonmedialen Beschäftigungen. Angesichts der begrenzten Freizeit Jugendlicher könnte man hier vermuten, dass der Siegeszug digitaler Medien nicht nur zulasten klassischer Medien wie Fernsehen und Zeitung geht, sondern Jugendlichen auch immer weniger Zeit für Aktivitäten abseits der Medien bleibt. Die Ergebnisse der aktuellen JIM-Studie zeichnen hier allerdings ein differenzierteres Bild. So hat sich bei der Häufigkeit sportlicher Aktivitäten in den letzten 20 Jahren kaum etwas getan. Gemeinsame Familienunternehmungen haben sogar stark zugenommen. Ganz anders bei den realweltlichen Peergroup-Begegnungen: Während sich vor zehn Jahren noch 88 % der Zwölf- bis 19-Jährigen täglich oder mehrmals in der Woche mit Freunden und anderen Leuten trafen, waren es 2018 nur noch 71 %.
Alles in einer Hand – ohne Smartphones geht nichts mehr
Die prägnantesten Veränderungen beim Medienumgang sind eng mit den vielfältigen Möglichkeiten verbunden, die zuerst Handys, später dann Smartphones geboten haben. Im Jahr 2001 hatten bereits drei Viertel der Zwölf- bis 19-Jährigen ein eigenes Handy, 2013 ebenso viele ein eigenes Smartphone. Nach den aktuellen Daten besitzen nun fast alle Jugendlichen ein Smartphone, in der Gruppe der Zwölf- bis 13-Jährigen sind es bereits 95 %. Schaut man sich nun noch an, was die Jugendlichen tagtäglich mit den mobilen Alleskönnern anfangen, dann steht außer Frage, dass die junge Generation in der Vergangenheit zu keinem anderen Endgerät eine so starke Bindung aufgebaut hat. Längst ist das Smartphone auch das präferierte Gerät, um in die Welt digitaler Spiele einzutauchen und ins Internet zu gehen. Dabei haben sich die Onlinezeiten seit 2007 fast verdoppelt – auf im Schnitt 3,5 Stunden an einem ganz normalen Wochentag.
Bereits mit der Nutzung nur weniger Apps ist das Smartphone heute Dreh- und Angelpunkt für Austausch und Vernetzung, Information und Orientierung, Unterhaltung und Entspannung. Nummer eins ist nach wie vor WhatsApp. Für neun von zehn Jugendlichen gehört der Messengerdienst zu den drei beliebtesten Apps, vier von fünf nutzen ihn aktuell täglich zu Austausch, Vernetzung und Alltagsorganisation. Insofern geht die WhatsApp-Kommunikation auch ganz gut zusammen damit, dass sich die Jugendlichen in den letzten Jahren immer seltener face-to-face mit ihren Freunden getroffen haben. Instagram hat sich 2018 als zweitbeliebteste App behauptet und ist insbesondere für Mädchen und junge Frauen von besonderer Relevanz. Im Wesentlichen geht es ihnen darum, Fotos und Videos von Bekannten zu folgen. Knapp die Hälfte postet zumindest gelegentlich selbst Fotos und Bilder.
Die Videoplattform YouTube hat seit einigen Jahren eine besondere Relevanz und ist mittlerweile schon ein Klassiker des digitalen Jugendalltags. In der JIM-Studie 2014 erstmalig als das beliebteste Internetangebot der Zwölf- bis 19-Jährigen ausgewiesen, hat der Dienst unter dem Dach der Google LLC mit seiner App auch den Sprung auf die Smartphones der Jugendlichen geschafft und so seinen exponierten Stellenwert weiter ausgebaut. YouTube ist auch das Paradebeispiel dafür, welch unterschiedlichen Interessen Mädchen wie Jungen heute in nur einem Angebot nachgehen können. Musikvideos, lustige Clips und Comedyvideos, Alltags- und Nachrichtenvideos von YouTubern, Sport- und Beautyvideos, Tutorials und Erklärvideos zu schulischen Themen sowie unter Gamern beliebten Let’s-play-Videos haben sich im Alltag nicht weniger Jugendlicher etabliert.
Und sonst? Vom Bücherlesen und Radiohören
Hinsichtlich der klassischen Printmedien lässt sich kurz und knapp sagen: Während Zeitungen und Zeitschriften in ihrer ursprünglichen Distributionsform stark an Bedeutung verloren haben, sind gedruckte Bücher (nicht E-Books) eine der wenigen Konstanten des Medienalltags Jugendlicher, die wie ein Fels in der Brandung digitaler Medien erscheint. Mit der JIM-Studie bekommt man eindrucksvoll belegt, dass die Jugend in ihrer Freizeit unverändert oft Bücher liest und die weiblichen Heranwachsenden weiterhin eine höhere Affinität dafür zeigen: Insgesamt betrachtet nahmen in den letzten 20 Jahren zwei von fünf Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche ein Buch zur Hand. Die Bandbreite der gelesenen Titel ist relativ groß, beinhaltet seit Jahren aber auch Klassiker wie die Harry Potter-Reihe und Der Herr der Ringe.
Eine weitere Konstante im Alltag Jugendlicher war lange Zeit das Radiohören. Mit seinen neuen Verbreitungswegen hatte das Radio früh den Sprung in die digitale Welt geschafft und blieb nicht zuletzt über die Handys und Smartphones im Jugendalltag präsent. In den letzten Jahren hat das Radio mit seinem vorgegebenen Programm aber an Bedeutung verloren und ist auch nicht mehr der bevorzugte Weg der Jugendlichen, um Musik zu hören. YouTube und vor allem Spotify stehen hier für eine neue Ära.
Festzuhalten bleibt: Seit 1998 gibt uns die JIM-Studie einen jährlichen Überblick über den Medienumgang Jugendlicher. Der besondere Wert der Trendstudie liegt aber weniger in der Aneinanderreihung aktueller Nutzungsdaten, sondern im Aufzeigen kurz- und längerfristiger Entwicklungen. Deutlich werden nicht nur große Veränderungen des Medienumgangs Zwölf- bis 19-Jähriger, sondern auch einige Konstanten. Da sich Jugendliche nicht in dem Maße von allen bisherigen Medienzugängen verabschiedet haben, wie sie digitale Medien in ihren Alltag integriert haben, ist unterm Strich ein zunehmend mediatisierter Jugendalltag zu konstatieren, der immer mehr von einem multitasken Nebeneinander, Ineinander und Verschmelzen diverser medialer und nonmedialer Aktivitäten gekennzeichnet ist.
Die Studienreihe JIM (Jugend, Information, Medien) wird vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest seit 1998 jährlich in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk durchgeführt. Die repräsentative Studie bildet das Medienverhalten der Jugendlichen in Deutschland ab. Für die Befragung wurden 1.200 Jugendliche zwischen zwölf und 19 Jahren im Frühsommer 2018 telefonisch befragt.
Alle Ausgaben der JIM-Studie von 1998 bis 2018 sind als PDF auf www.mpfs.de abrufbar.
Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest ist eine Kooperation der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) und der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK). Die Durchführung der Studie erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk (SWR). (Quelle: mpfs, Pressemitteilung 2/2018)