Todesarten
Sterben in Kultur und Geschichte
Köln 2023: Böhlau
Rezensent/-in:
Lothar Mikos
Todesarten
Historiker, Kultur- und Medienwissenschaftler sowie Philosophen setzen sich mit verschiedenen Todesarten in Kultur und Geschichte auseinander. In ihrem einführenden Beitrag weist die Herausgeberin Ute Planert darauf hin, dass der Tod in unserer Gesellschaft nicht mehr nur verdrängt wird, sondern vor allem in medialen und virtuellen Welten sehr präsent ist, sodass „man von der Veralltäglichung des Todes in der Gegenwart sprechen“ müsse (S. 15). Tod und Sterben gehören zusammen und sind immer kulturabhängig. Das zeigt sich im Beitrag von Mira Menzfeld. Während das Sterben in Finnland und Deutschland vor dem Tod beginnt (präexitales Sterben), beginnt es in China erst nach dem Tod (postexitales Sterben) (vgl. S. 271). Es wird deutlich: Tod ist nicht gleich Tod und Sterben nicht gleich Sterben.
Auf die Kontextabhängigkeit von medialen Toden weist der Musikwissenschaftler Frank Hentschel in seinem Beitrag über die Filmmusik zu zwei Tötungsszenen in den Vietnam-Kriegsfilmen Platoon und Full Metal Jacket hin. Das Sterben und der Tod können unterschiedlich gestaltet sein. Dabei verdeutlicht die Filmmusik nicht nur die Vorgänge im Bild, sondern kann „auch weitergehende religiöse, kulturelle und politische Subtexte transportieren“ (S. 256). Während Benjamin Beil in seinem Beitrag die Flüchtigkeit des Todes in Computerspielen betont, da er immer wiederholbar oder durch einen Restart rückholbar ist, befasst sich Caroline Helmus mit den Ideen der Cyberwelt, das Leben künstlich zu verlängern, auch unabhängig vom Körper. Dabei geht es vor allem darum, das menschliche Bewusstsein digital für ein posthumanes Leben nachzubilden (vgl. S. 298).
Der Band bietet einen guten Überblick über verschiedene Konzepte des Sterbens und des Todes und weckt Verständnis für deren Abhängigkeit von kulturellen Kontexten.
Prof. i. R. Dr. Lothar Mikos