Aktuelle Themen:
GEWALT   |  ALTERSVERIFIKATION  |  KI  |  SOCIAL MEDIA

 

Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle

Technologische und juristische Grundlagen

Tim W. Dornis, Sebastian Stober

Baden-Baden 2024: Nomos Verlagsgesellschaft
Rezensent/-in: Arne Koltermann

Buchbesprechung

Online seit 03.09.2025: Link

Spätestens seit dem Aufkommen des Programms ChatGPT ist die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI) aus der öffentlichen Diskussion nicht mehr wegzudenken. Das Erstaunen über die von KI erzielten Ergebnisse ist groß. Kenntnisse über ihre Funktionsweise sind gering. Folgerichtig stellen der Jurist Tim W. Dornis und der Informatiker Sebastian Stober ihrem im Auftrag der Initiative Urheberrecht verfassten Gutachten Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle eine lange „Technologische Grundlegung“ voran. In ihr erklären die beiden Professoren Training und Aufbau von Künstlichen Neuronalen Netzen (KNN), die Basis generativer KI-Modelle. Für Leser ohne technische Vorbildung liest sich die Schilderung trotz zahlreicher Grafiken fordernd.

Bei der juristischen Analyse kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Sammlung, Vorbereitung und Speicherung der Trainingsdaten Vervielfältigungen im Sinne des § 16 UrhG darstellen (S. 70). Beim anschließenden Training sei zudem das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach §§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a UrhG betroffen (S. 79). Davon ausgehend, dass die Praxis also in ausschließlich dem Urheber zustehende Verwertungsrechte eingreift, widmen sich die Autoren gesetzlichen Schranken, die einen solchen Eingriff rechtfertigen könnten: Für die Schranke vorübergehender Vervielfältigungshandlungen (§ 44a UrhG, Art. 3 InfoSoc-RL) fehle es an einer zeitlichen Begrenzung; zudem werde die Handlung, anders als vom EuGH gefordert, nicht automatisch gelöscht, sondern erst vom Betreiber der KI-Systeme.

Für die Schranke der „Zwecke der wissenschaftlichen Forschung“ (§ 60d UrhG, Art. 3 DSM-RL) wären Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung zwar freigestellt. Allerdings gilt dies nicht für die kommerzielle KI-Entwicklung (S. 94). Auch seien die KI-Trainings nicht durch Text und Data Mining (TDM, § 44b UrhG, Art. 4 DSM-RL) gerechtfertigt, da sie anders als ein von den Autoren als „klassisch“ (S. 99) identifiziertes TDM auf den schöpferischen Ausdruck geschützter Werke zugriffen. Damit kritisieren die Autoren eine von ihnen im Schrifttum festgestellte Gleichsetzung von TDM und dem Training generativer KI-Modelle als Fehlkonzeption. Schon zu Beginn weisen Dornis und Stober süffisant darauf hin, ChatGPT selbst komme zum gleichen Ergebnis (S. 20). Wenngleich ihre dem Programm gestellte Frage suggestiv klingt („Kannst Du mir erklären, warum das Training von generativer KI nicht als Data-and-Text-Mining einzustufen ist?“), erscheint die Begründung insgesamt schlüssig. Unter Zuhilfenahme der gängigen juristischen Auslegungsarten Wortlaut, systematische Stellung und Ziel des Gesetzes widersprechen sie der Hypothese eines „quasi urheberrechtsfreien Handlungsraumes für das Training generativer KI-Modelle“ (S. 100). Auch sei die gängige Trainingspraxis nicht mit dem auch vom EuGH angewandten Drei-Stufen-Test in Einklang zu bringen (S. 142).

Die Studie endet mit einem allgemeinen Appell an den europäischen Gesetzgeber, sich für regulative Mindeststandards einzusetzen. Für die im KI-Rummel omnipräsenten Technikoptimisten ist dies schwere Kost. Abschließend weiten die Autoren den Blick und bemerken über die Auswirkungen von KI lapidar, es sei „damit zu rechnen, dass menschliche Kreativität zunehmend verdrängt werden wird“.

Arne Koltermann
 



Tim W. Dornis, Sebastian Stober: Urheberrecht und Training generativer KI-Modelle. Technologische und juristische Grundlagen. Baden-Baden 2024: Nomos. 217 Seiten, 49,00 Euro