Zwischen Bildschirm und Selbstbild
Rassismus in den Medien und seine Wirkung auf die Identität und psychische Gesundheit von rassistisch markierten Kindern und Jugendlichen
In einer Welt, in der Medien allgegenwärtig sind, beeinflussen sie maßgeblich, wie wir uns selbst und andere wahrnehmen. Unsere Mediennutzung spiegelt dabei oft unsere sozialen Identitäten wider, einschließlich unserer kulturellen Zugehörigkeiten. Menschen suchen in den Medien nach Verbindungen zu anderen, die ihre Identitäten teilen, was ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit ausdrückt und stärkt. Die Identifikation mit Medienfiguren, die die eigene Identität positiv repräsentieren, kann für viele Menschen das Selbstwertgefühl stärken. Für rassistisch markierte Menschen1 ist dies jedoch besonders wichtig, da ihre Identitäten in den Medien oft abgewertet werden. Fehlen solch positive Repräsentationen oder dominieren negative Stereotype, kann dies die Identitätsentwicklung und das Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Medienbotschaften über Kulturen können unsere Wahrnehmung von uns selbst und anderen beeinflussen (vgl. Behm-Morawitz 2020). Insbesondere wenn diese Botschaften stereotype Darstellungen oder negative Klischees enthalten, tragen sie dazu bei, bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten zu verfestigen.
Rassismus und soziale Ungleichheiten sind fest in den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen aus rassistisch markierten Gruppen verankert und prägen sie auf vielfältige Art und Weise. Studien verdeutlichen, dass diese systemischen Benachteiligungen in nahezu allen Lebensbereichen – von der Familie über die Schule bis hin zur Community – die Entwicklungschancen dieser Kinder und Jugendlichen erheblich beeinflussen, indem sie deren Zugang zu Ressourcen einschränken und negative Selbstbilder fördern (vgl. García Coll u. a. 1996). Diese strukturellen Ungleichheiten werden nicht nur durch direkte Interaktionen, sondern auch durch subtile, oft unbewusste mediale Darstellungen weiter verstärkt (vgl. Mistry u. a. 2014). Direkte sowie subtile rassistische Diskriminierung erhöhen das Risiko für Stress, Angstzustände und Depressionen, die die mentale Gesundheit beeinträchtigen (vgl. Benner u. a. 2018; Brenick u. a. 2018). Die Studienlage zeigt deutlich, dass rassistische Diskriminierung erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung von rassistisch markierten Kindern und Jugendlichen haben kann.
Medien haben einen erheblichen Einfluss auf die Identitätsentwicklung von Jugendlichen aus rassistisch markierten Gruppen. Häufig verstärken sie negative Stereotype und vernachlässigen positive Darstellungen, was nicht nur zu einem verringerten Selbstwertgefühl, sondern auch zu inneren Konflikten und langfristigen psychischen Belastungen führt.“
(Un)voreingenommen – wie frühe Einflüsse das Selbstbild und die Wahrnehmung von Kindern formen
Der bahnbrechende Puppentest der Clarks aus den 1940er-Jahren zeigte, wie tief verwurzelte Stereotype das Selbstbild junger Schwarzer Kinder2 prägen. Die Mehrheit der Schwarzen Kinder bevorzugte die weiße Puppe und schrieb ihr positive Eigenschaften zu, während die Schwarze Puppe oft negativ bewertet wurde. Diese Ergebnisse zeigten, dass Vorurteile und Diskriminierung das Selbstwertgefühl Schwarzer Kinder beeinträchtigen (vgl. Clark/Clark 1947). In der Replikation von Byrd u. a. (2017) wurden einige ursprüngliche Befunde bestätigt, darunter die Präferenz für hellere Hauttöne, was die Wirkung eurozentrischer Schönheitsideale verdeutlicht. Allerdings wählten mehr Schwarze Kinder die Puppe, die ihrem eigenen Hautton ähnelte, wenn es um positive Eigenschaften ging, was auf ein gestärktes Selbstbewusstsein hindeutet. Trotz dieser Fortschritte beeinflussen rassistische Stereotype weiterhin die Selbstwahrnehmung von Kindern.
Die Social Identity Development Theory (vgl. Nesdale 2004) bietet Erklärungen für die Ergebnisse aus dem Puppentest der Clarks, indem sie zeigt, wie Kinder durch Gruppenzugehörigkeit und gesellschaftliche Normen ihre sozialen Präferenzen entwickeln. Schwarze Kinder in einer weißen Mehrheitsgesellschaft könnten daher weiße Puppen bevorzugen, da sie gesellschaftliche Machtstrukturen internalisieren. Diese Vorurteile entstehen durch soziale und kognitive Prozesse. Medien spielen dabei eine entscheidende Rolle. Studien zeigen, dass negative Darstellungen kultureller Minderheiten Vorurteile verstärken, während inklusive Darstellungen positive Einstellungen fördern und Vorurteile abbauen können (vgl. Durkin u. a. 2011).
Die Identitätsentwicklung in ungleichen Gesellschaften
Die Entwicklung einer positiven Identität ist eine lebenslange Aufgabe, die besonders in der Jugend an Bedeutung gewinnt. Für Personen aus rassistisch markierten Gruppen konnte jedoch nachgewiesen werden, dass sie bereits im späten Kindesalter, meist zwischen dem 8. und 11. Lebensjahr, beginnen, über ihre Identität nachzudenken. Diese frühe Auseinandersetzung erfolgt in einem gesellschaftlichen Kontext, der von spezifischen Botschaften über kulturelle Zugehörigkeit und Rassismus geprägt ist. Die alltägliche Konfrontation mit Diskriminierungserfahrungen und rassistischen Narrativen zwingt Kinder dazu, sich früher mit ihrer Identität auseinanderzusetzen und ihre Rolle in der gesellschaftlichen Hierarchie zu hinterfragen (vgl. Rogers u. a. 2021b). Diese frühe Konfrontation mit der eigenen Identität kann besonders intensiv sein, da Kinder und Jugendliche versuchen, ihre Zugehörigkeit in einer Welt zu finden, die ihnen oft widersprüchliche Signale sendet. Das Ziel ist es, eine klare, zusammenhängende Identität zu entwickeln und Unsicherheiten und Verwirrung bezüglich der eigenen Identität zu überwinden (vgl. Erikson 1979). Zugehörigkeiten in Kontexten sozialer Gruppen wie Schule, Familie und Freundeskreis sind dabei entscheidend, da sie das Fundament sozialer Identitäten bilden. Diese stärken das Selbstwertgefühl, indem sie Jugendlichen Zugehörigkeit, Anerkennung und ein Gefühl der Sicherheit vermitteln (vgl. Rivas-Drake u. a. 2014; Tajfel/Turner 1979).
Die Rolle der Medien wird bisweilen, trotz Forschung zur kulturellen Sozialisation, wenig beachtet. Dabei können Medien eine wichtige Unterstützung sein, um Kinder und Jugendliche auf ein selbstbewusstes Leben in einer vielfältigen Gesellschaft vorzubereiten.“
Die kulturelle Identität als Anker
Im Kontext von Rassismus und Stereotypen spielt die kulturelle Identität3 eine zentrale Rolle als Form der sozialen Identität. Sie umfasst das Zugehörigkeitsgefühl zu den eigenen Herkunftskulturen, einschließlich der Frage, ob und wie sehr man diese schätzt oder stolz darauf ist (vgl. Umaña-Taylor u. a. 2014). Für rassistisch markierte Jugendliche ist die kulturelle Identität besonders relevant, da ihnen oft die Zugehörigkeit zur deutschen Identität verwehrt wird. Dies führt zu einem intensiveren Hinterfragen ihrer Identitäten. Stuart Halls Konzept der hybriden Identitäten betont, dass kulturelle Identitäten in einer globalisierten Welt dynamisch sind. Hybride Identitäten, bei denen Elemente der Herkunfts- und Mehrheitskulturen kombiniert werden, ermöglichen es Jugendlichen, flexibel in verschiedenen sozialen Kontexten zu agieren und ihre kulturelle Identität zu bewahren (vgl. Hall 1990).
Eine klare und gefestigte kulturelle Identität geht mit einer Verringerung depressiver Symptome einher, ist mit besseren schulischen Leistungen verbunden und steht in Zusammenhang mit einem höheren Engagement in der Schule sowie einem stärkeren sozialen Zusammenhalt. Dies hilft Jugendlichen dabei, ihren Platz in einer vielfältigen Welt zu finden (vgl. Juang u. a. 2022; Umaña-Taylor u. a. 2018). Jugendliche, die ihre Minderheiten- und Mehrheitsidentitäten erfolgreich integrieren, profitieren von einem gestärkten Wohlbefinden und erhöhter Resilienz. Allerdings kann dies zu inneren Konflikten führen, wenn das Zusammenbringen dieser Identitäten gesellschaftlich nicht angesehen ist und so als widersprüchlich erlebt werden kann (vgl. Verkuyten u. a. 2019).
Medien haben einen erheblichen Einfluss auf die Identitätsentwicklung von Jugendlichen aus rassistisch markierten Gruppen. Häufig verstärken sie negative Stereotype und vernachlässigen positive Darstellungen, was nicht nur zu einem verringerten Selbstwertgefühl, sondern auch zu inneren Konflikten und langfristigen psychischen Belastungen führt. Jugendliche, die ständig mit einseitigen und abwertenden Darstellungen ihrer kulturellen Gruppe konfrontiert werden, haben es schwerer, ein gesundes Selbstbild und eine stabile Identität zu entwickeln. Eine positive und vielfältige Repräsentation in den Medien ist daher von großer Bedeutung, um ihre Identitätsentwicklung zu unterstützen und negative Auswirkungen zu mindern (vgl. Ward u. a. 2020). Eine Studie zum Film Black Panther zeigt, dass eine positive und vielfältige Darstellung, wie sie in diesem Film vorkommt, das Potenzial hat, Schwarze Jugendliche und Jugendliche aus anderen rassistisch markierten Gruppen zu empowern. Diese Repräsentation kann ihr Wohlbefinden erheblich steigern (González-Velázquez u. a. 2020).
Wie Eltern ihre Kinder im Umgang mit Rassismus in den Medien stärken können
Eltern mit rassistisch markierten Kindern stehen vor der Herausforderung, ihre Kinder in einer Gesellschaft großzuziehen, die sie benachteiligt. Die Rolle der Medien wird bisweilen, trotz Forschung zur kulturellen Sozialisation, wenig beachtet. Dabei können Medien eine wichtige Unterstützung sein, um Kinder und Jugendliche auf ein selbstbewusstes Leben in einer vielfältigen Gesellschaft vorzubereiten. Eine US-Studie zeigt, dass Schwarze Eltern gezielt Medien einsetzen, um ihren Kindern eine positive Identität zu vermitteln und sie für den Umgang mit Rassismus vorzubereiten. Eltern mit einer starken kulturellen Identität nutzen Medien häufiger, um stereotype Darstellungen zu hinterfragen, Zugehörigkeit zu fördern und ihre Kinder vor negativen Stereotypen zu schützen. Medienereignisse dienen dabei oft als Auslöser für Gespräche über Rassismus und Diskriminierung (vgl. McClain/Mares 2021).
Selbst wenn Eltern unsicher sind, wie sie über Rassismus sprechen sollen, kann das Ansprechen solcher Themen Vorurteile wirksam abbauen. Für Eltern, die aktiv Rassismus in ihrer Erziehung angehen möchten, wird das Buch „Gib mir mal die Hautfarbe.“ Mit Kindern über Rassismus sprechen empfohlen (Fajembola/Nimindé-Dundadengar 2021). Die Autorinnen bieten praktische Tipps, Checklisten und Beispiele, um rassistische Muster in Kinderliedern, Büchern oder Spielen zu erkennen und zu thematisieren. Sie geben wertvolle Ratschläge, wie weiße Eltern unbewusste Vorurteile hinterfragen und wie Eltern aus rassistisch markierten Gruppen ihre Kinder stärken können.
Die Veränderung gesellschaftlicher Strukturen ist entscheidend für eine gerechte Zukunft
Kinder und Jugendliche erleben Diskriminierung oft nicht nur aufgrund ihrer kulturellen Identität, sondern in Kombination mit anderen sozialen Kategorien wie Geschlecht, Klasse oder Behinderung. Eine intersektionale Perspektive ist daher wichtig, da sie aufzeigt, wie diese Identitäten zusammenwirken und Diskriminierung erlebt wird (vgl. Crenshaw 1989; Gouma/Dorer 2019). Dies ermöglicht ein besseres Verständnis der Mechanismen, durch die Medien soziale Ungleichheiten verstärken, und hilft bei der Entwicklung von Strategien für mehr soziale Gerechtigkeit. Ein Beispiel ist die mediale Idealisierung glatten, europäischen Haares, die Schwarze Mädchen dazu ermutigt, ihre natürlichen Haare als Ausdruck ihrer Identität und als Widerstand gegen solche Normen zu nutzen (vgl. Rogers u. a. 2021a).
Gesellschaftliche Strukturen, die Rassismus und andere diskriminierende Systeme aufrechterhalten, werden oft durch Medien verstärkt, die Stereotype fördern, indem sie Minderheiten problematisch und die weiße Mehrheit positiv oder neutral darstellen (vgl. van Dijk 1991). Entwicklungspsycholog:innen betonen, dass es nicht ausreicht, Kinder und Jugendliche lediglich vor den Auswirkungen dieser Strukturen zu schützen und sie auf den Umgang mit diesen vorzubereiten – diese Strukturen müssen aktiv verändert werden, um eine inklusive und gerechte Entwicklung zu ermöglichen (vgl. Rogers u. a. 2021c). Die Neuen deutschen Medienmacher*innen, ein bundesweites Netzwerk von Journalist:innen mit und ohne Migrationsgeschichte, setzen sich dafür ein. Sie fördern die Präsenz von vielfältigem Medienpersonal in allen Bereichen, von der Redaktion bis hin zu Führungspositionen, und setzen sich für eine ausgewogenere Berichterstattung ein. Durch Trainings, Netzwerke und Lobbyarbeit tragen sie dazu bei, Stereotype abzubauen und die Medienlandschaft inklusiver zu gestalten. Nur durch solche Veränderungen kann sichergestellt werden, dass zukünftige Generationen in einer Gesellschaft aufwachsen, die ihre vielfältigen Identitäten anerkennt und wertschätzt.
Anmerkungen:
1 In der deutschsprachigen Rassismusforschung fehlen bislang einheitliche Begriffe. Die Begriffe „rassistisch markierte Menschen“ und „nicht rassistisch markierte Menschen“ aus der Studie Rassismus und seine Symptome (DeZIM 2023) beschreiben den Prozess, in dem Menschen aufgrund äußerer Merkmale gesellschaftlich in rassistische Kategorien eingeordnet werden. Dieser Prozess der Rassifizierung teilt Menschen in privilegierte und deprivilegierte Gruppen ein, wobei Erstere von gesellschaftlichen Vorteilen profitieren, während Letztere sowohl offenkundiger als auch subtiler rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Dynamiken hinter dieser Aufteilung manifestieren sich in systemischen Ungleichheiten, die soziale, wirtschaftliche und politische Bereiche betreffen (ebd.).
2 Wir schreiben „Schwarz“ groß, weil es als politische Selbstbezeichnung vieler afrodiasporischer Menschen genutzt wird, um ihre spezifische Rassismuserfahrung und Identität zu betonen, unabhängig von der Hautfarbe. In diesem Zusammenhang wird „weiß“ hingegen klein und kursiv geschrieben, um es als gesellschaftliche Norm und Machtposition kenntlich zu machen, die im Gegensatz zu Schwarzen Menschen und BIPoC steht. Diese Schreibweise orientiert sich an den Formulierungshilfen der Neuen deutschen Medienmacher*innen, die eine präzise und respektvolle Berichterstattung im Einwanderungsland Deutschland fördern.
3 Im Kontext der deutschen Diskussion verwenden wir den Begriff „kulturelle Identität“ bzw. „kulturelle Zugehörigkeit“, da der Begriff „Rasse“ historisch belastet ist. Dennoch beziehen wir uns dabei auf Prozesse der Rassifizierung, da kulturelle Identität und Zugehörigkeit oft eng mit rassistischen und ethnischen Kategorien verknüpft sind (Juang u. a. 2021).
Literatur:
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Benner, A. D./Wang, Y./Shen, Y./Boyle, A. E./Polk, R./Cheng, Y.-P.: Racial/Ethnic Discrimination and Well-Being During Adolescence: A Meta-Analytic Review. In: American Psychologist, 7/2018/73, S. 855-883. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1037/amp0000204
Brenick, A./Schachner, M. K./Jugert, P.: Help or hindrance? Minority versus majority cross-ethnic friendships altering discrimination experiences. In: Journal of Applied Developmental Psychology, November/Dezember 2018/59, S. 26–35. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1016/j.appdev.2018.04.006
Byrd, D./Ceacal, Y. R./Felton, J./Nicholson, C./Rhaney, D. M. L./McCray, N./Young, J.: A Modern Doll Study: Self Concept. In: Race, Gender & Class, 1–2/2017/24, S. 186–202. Abrufbar unter: www.jstor.org/stable/26529244
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