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Zwischen historischer Bildung und Fake News

Geschichtsvermittlung in den Social Media

Hannes Burkhardt

Dr. Hannes Burkhardt ist Mitarbeiter am Seminar für Geschichte und Geschichtsdidaktik der Europa-Universität Flensburg im Rahmen des Landesprogramms „Zukunft Schule im digitalen Zeitalter“. Seine Forschungsschwerpunkte sind digitale Medien in der Public History sowie in der (außer-)schulischen Pragmatik des historischen Lernens.

Geschichtsvermittlung auf Social Media erreicht insbesondere junge Zielgruppen durch personalisierte und lebensweltnahe Inhalte. Soziale Medien bieten viele Chancen für historische Bildung und eine partizipative Erinnerungskultur. Es besteht jedoch auch die Herausforderung, der Verbreitung von Desinformation und Geschichtsmythen kompetent zu begegnen, was eine kritische Medienkompetenz und die Einbindung geschichtswissenschaftlicher und ‑didaktischer Expertise erfordert. Um das Potenzial sozialer Medien für historische Bildung zu nutzen, müssen junge Menschen befähigt werden, Inhalte zu analysieren, Quellen zu hinterfragen und eigene Beiträge kompetent zu gestalten.

Printausgabe mediendiskurs: 29. Jg., 1/2025 (Ausgabe 111), S. 28-34

Vollständiger Beitrag als:

Geschichtsvermittlung ist auf Social Media sehr vielfältig, sowohl was die Inhalte als auch was die Akteur*innen als Urheber*innen und Nutzer*innen angeht. Eine Studie aus dem Jahr 2022 konnte auf der Basis von 5.100 Geschichts-TikToks mit den Hashtags #historytiktok, #historylesson und #historymeme nachweisen, dass die Themen breit über alle historischen Epochen gestreut sind (vgl. Adriaansen 2022). Dennoch ist ein gewisser Schwerpunkt im Themenfeld der Zeitgeschichte durchaus erkennbar. Ebenso vielfältig sind die Akteur*innen und die mit diesen verbundenen Intentionen und Zielgruppen. Denn etablierte Institutionen wie Gedenkstätten und Museen nutzen Social Media ebenso wie professionelle Geschichtsinfluencer*innen und Privatpersonen mit teils sehr unterschiedlichen politischen und ideologischen Ausrichtungen und Absichten bei der Funktionalisierung oder Instrumentalisierung von Geschichte. Dabei bieten Social Media große Chancen für historische Bildung und Geschichtslernen, auch im Zeitalter der künstlichen Intelligenz. 


Social Media als Leitmedium der Geschichtsvermittlung?

Soziale Medien sind für Kinder und Jugendliche Leitmedien. Niemand würde dieser Aussage heute mehr widersprechen. Auch die großen deutschen Medienvergleichsstudien als Langzeitstudien wie JIM oder die ARD/ZDF-Medienstudie bestätigen, dass Social Media wie Instagram, TikTok oder Facebook seit Jahren zunehmend mehr Raum in der alltäglichen Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen sowie von allen anderen Altersstufen einnehmen.

So zeigt die repräsentative ARD/ZDF-Medienstudie 2024 (vgl. Müller 2024) insgesamt einen Anstieg bei der Social-Media-Nutzung (mindestens einmal wöchentlich) von 47 % im Jahr 2021 auf 60 % im Jahr 2024 in allen Altersgruppen insgesamt. In der Altersgruppe 14–29 liegt diese 2024 sogar bei 92 %. In Bezug auf die Plattformen dominieren aktuell in der Altersgruppe 30–49 Facebook mit 51 % und Instagram mit 50 %, während im Alter von 14–29 Instagram mit 82 % und TikTok mit 52 % die meistgenutzten Social-Media-Plattformen sind.

Die auf die Altersgruppe 12–19 ausgerichtete JIM-Studie (vgl. mpfs 2024) zeigt, dass 93 % der Jugendlichen täglich ihr Smartphone zur Freizeitbeschäftigung nutzen. Gefragt nach den wichtigsten Apps auf dem Gerät (ohne Antwortvorgabe), ergibt sich folgendes Ranking, bestehend ausschließlich aus Social-Media-Plattformen: 1. WhatsApp (81 %), 2. Instagram (31 %), 3. YouTube (26 %), 4. TikTok (25 %).

Kurz: Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene auf die in den sozialen Medien verfügbaren vielfältigen Formen der Geschichtsvermittlung treffen, ist sehr groß. Auch für Personen im Alter über 30 gewinnen die Erzählungen und Deutungen über historische Personen und Ereignisse in den sozialen Medien aufgrund der konstant steigenden Nutzer*innenaktivitäten zunehmend an Bedeutung.
 

KZ-Gedenkstätten und Social Media

Die Gedenkstätten und Museen beschäftigen sich seit der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre mit der Frage des Wirkens der eigenen Institutionen in den digitalen Räumen sozialer Medien. International kommt der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau die Rolle einer Vorreiterin zu (vgl. Burkhardt 2021). Denn die Gedenkstätte ist bereits seit 2009 auf Facebook (über 650.000 Follower), seit 2012 auf Instagram (über 300.000 Follower) und X (ehemals Twitter, über 1,4 Mio. Follower) aktiv.

Diese Social-Media-Kanäle der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau sind Schnittstellen verschiedenster digitaler Formen der Erinnerung an den Holocaust. Dabei dominiert in der Tendenz eine an einzelnen historischen Personen ausgerichtete Form der Geschichtsvermittlung. Denn häufig wird die Lagergeschichte in Form einzelner Opfer- und Täterbiografien erzählt, indem an einem für die Geschichte einer Person wichtigen Datum auf den Social Media ein entsprechender Beitrag veröffentlicht wird, nicht selten mit einer historischen Fotografie. Dabei werden neben tragischen und schlimmen Schicksalen, die geprägt sind von Leid, Tod und Vernichtung, auch positive Geschichten über heldenhafte Taten Einzelner vermittelt. Ein Beispiel hierfür ist die Geschichte von Witold Pilecki. Der polnische Offizier und Gründer der Widerstandsbewegung Tajna Armia Polska (Geheime Polnische Armee) sowie Mitglied der Armia Krajowa (Polnische Heimatarmee) ist die einzige bekannte Person, die sich freiwillig in die Gefangenschaft des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau begeben hat. Pilecki hatte im Lager 1940 eine Widerstandsorganisation gegründet, die wichtige Informationen an die Alliierten aus dem Lager übermitteln konnte. Pilecki selbst war 1943 die Flucht aus Auschwitz gelungen. Insgesamt ist die Geschichtsvermittlung der KZ-Gedenkstätte inhaltlich sehr stark personalisiert.

Im Januar 2022 präsentierte das American Jewish Committee in Berlin gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden, der Hebrew University of Jerusalem, dem Plattformbetreiber TikTok und Vertreter*innen der KZ-Gedenkstätten Neuengamme, Bergen-Belsen, Ravensbrück, Sachsenhausen, Dachau, Flossenbürg und Mauthausen ein Projekt, das mittels TikTok vor allem junge Leute erreichen sollte.
 


Gedenkstätten sind zudem mit ihrer großen historischen Expertise wichtige Akteur*innen in den Social Media gegen Fake News und die Instrumentalisierung von Geschichte.“



Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme zählt im deutschsprachigen Raum zu den wirkmächtigsten, die vor allem auf TikTok Geschichte adressatengerecht für Jugendliche erzählt. Die von der Gedenkstätte erstellten TikToks weisen in der Regel einen unmittelbaren Bezug zur Geschichte des ehemaligen Konzentrationslagers auf und orientieren sich am Verständnis von Jugendlichen. Dies wird insbesondere deutlich, wenn der Lageralltag erläutert oder die Frage erörtert wird, ob die Anlieger des Lagers während der NS-Zeit von den dort begangenen Verbrechen Kenntnis hatten. Aufgrund der fachlichen Kompetenz der KZ-Gedenkstätte als Seitenurheberin ist auch hier eine solide Grundlage für eine anspruchsvolle und zugleich für Jugendliche und junge Erwachsene geeignete Geschichtsvermittlung gegeben.
 

Influencer*innen der Geschichtsvermittlung

Zu den bekanntesten deutschen Geschichtsinfluencer:innen auf TikTok und Instagram gehört die Journalistin und Historikerin Leonie Schöler. Thematisch sind ihre Beiträge breit über alle Epochen gestreut, auch wenn ein Schwerpunkt bei Themen der Neuesten Geschichte (19./20. Jahrhundert) erkennbar ist. Häufig nimmt Schöler auch Bezug zu aktuellen Kontexten, wie in ihrem Beitrag Wiederholt sich die Hyperinflation von 1923? Ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Social-Media-Kanäle von Leonie Schöler ist eine inhaltliche Schwerpunktsetzung auf Themen der Gender- oder Queer-History. Ihre Beiträge zeichnen sich insgesamt durch eine hohe historisch-fachliche Qualität aus. In ihrem TikTok-Beitrag Jägerinnen und Sammler dekonstruiert Schöler beispielsweise den Mythos einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung des jagenden Mannes und der sammelnden Frau in der Ur- und Frühgeschichte.
 


Erinnerungskultur und Partizipation

Nicht nur aus gedenkstättenpädagogischer Perspektive haben Social Media wie Instagram große Potenziale für partizipative Erinnerungskulturen: Denn soziale Medien können Dialog, Partizipation und Vielfalt in einer diversen Gesellschaft ermöglichen, wenn es z. B. auch Gedenkstätten in den Social Media gelingt, unterschiedliche Communitys anzusprechen und in einen Dialog zu treten, gemeinsam voneinander zu lernen sowie neue Formen der Verbindung zwischen historisch-analogem Ort und digitalen Räumen zu schaffen (vgl. Groschek 2024). Gedenkstätten sind zudem mit ihrer großen historischen Expertise wichtige Akteur*innen in den Social Media gegen Fake News und die Instrumentalisierung von Geschichte.
 

Social Media als Bildungsmedium?

Bereits im Jahr 2010 schätzte das U. S. Department of Education Social Media in seinem National Education Technology Plan als Bereicherung für Lernprozesse ein (vgl. U. S. Department of Education 2010). Im Jahr 2020 ergab eine US-amerikanische Umfrage unter 841 Pädagog*innen über Gründe der Instagram-Nutzung, dass die Plattform für die Lehrkräfte einen Raum des Austauschs darstellt (vgl. Carpenter u. a. 2020). Über zwei Drittel der Befragten nutzten Instagram mehr als einmal pro Tag; auf die Frage, warum sie Instagram beruflich verwenden, gab die überwiegende Mehrheit als Hauptgründe das Betrachten von Ideen und Inhalten sowie das Lernen von der Erfahrung anderer Kolleg*innen an.

Einzelne Lehrpersonen erreichen zudem in den sozialen Medien hohe Reichweiten, wie z. B. die US-amerikanische Grundschullehrerin Amy Groesbeck, die mit ihrem kommerziellen Instagram-Kanal großen ökonomischen Erfolg hat. Einer der erfolgreichsten deutschen Lehrer- oder Bildungsinfluencer*innen ist der Gymnasiallehrer Bob Blume. Zudem gibt es zahlreiche Ansätze von Lehrpersonen verschiedenster Professionen zum Einsatz von Social Media im Unterricht. Viele dieser Ansätze gehen davon aus, dass Instagram im Alltag der Lernenden eine wichtige Rolle spielt und sie dadurch motivierter sind, zu lernen.
 

Historisches Lernen und Social Media

Das Potenzial von Social Media für historisches Lernen lässt sich unter zwei Aspekten zusammenfassen: Einerseits wird in den sozialen Medien Geschichte als Teil der Lebenswelt der Lernenden in einer großen Vielfalt von unterschiedlichen Personen und Institutionen vermittelt. Diese Vielfalt der Kontroversität von verschiedenen Formen der Geschichtsvermittlung unterschiedlichster Akteur*innen zur Thematisierung im Unterricht bietet kaum ein anderes Medium. Lernende müssen in der Schule Fähigkeiten der Analyse und Beurteilung dieser medienspezifischen Geschichtsvermittlung aufbauen.

Andererseits bieten Social Media ebenfalls als Teil der Lebenswelt authentische mediale Umgebungen, in denen Lernende ihre eigenen Geschichten erzählen können. Denn Social Media bieten potenziell einen hohen Grad an Partizipation und Gestaltungsmacht für eine vielfältige Schüler*innenschaft mit diversen kulturellen und damit auch historischen Hintergründen (vgl. Yildirim 2024), sodass mittels Social Media auch die Vielfalt von Geschichte in einer Migrationsgesellschaft ihren Ausdruck finden kann.


Fake News, Geschichtsmythen und die Instrumentalisierung von Geschichte

Geschichtsvermittlung in den Social Media ist außerhalb von redaktionell und fachlich professionell betreuten Seiten häufig unstrukturiert und teils bewusst oder unbewusst aus historischer Sicht unausgewogen oder falsch. Teilweise ungeprüfte oder sogar falsche Informationen werden auch in Form von Propaganda- oder Desinformationskampagnen verbreitet, die Geschichte in manipulativer Absicht instrumentalisieren.

Untersuchungen konnten zeigen (vgl. Burkhardt 2018), dass beispielsweise alle von der wissenschaftlichen Forschung benannten Elemente des politischen Geschichtsmythos bezüglich der Erinnerung an den Nationalsozialisten Rudolf Heß in den Social Media breit reproduziert werden. Der Vertraute Adolf Hitlers und verurteilte Kriegsverbrecher ist bis heute eine Ikone des Rechtsextremismus. Der Mythos der angeblichen Ermordung von Rudolf Heß im Kriegsverbrechergefängnis Spandau 1987 wird beispielsweise sehr häufig in den Social Media vermittelt. Mythische Narrationen mit den Elementen „Friedensflieger“, „die alliierte Rache in Nürnberg“ oder „der gute Nationalsozialist“ werden ebenfalls reproduziert. Gleiches gilt für Geschichtsmythen im Zusammenhang mit der Bombardierung Dresdens 1945. Denn in den Social Media werden stark übertriebene Opferzahlen oder das rechtsextreme Narrativ vom „Bombenholocaust“ ebenfalls wiedergegeben. Gleichzeitig bieten Social Media auch die Möglichkeit, diese historischen Fake News als Mythen zu entlarven. Dabei ist die Geschichtswissenschaft eine relevante Instanz, denn zur Aufdeckung mythischer Fiktionen wird in den Social Media auf geschichtswissenschaftliche Institutionen als Garanten für wissenschaftlich gesicherte Fakten verwiesen.
 


Geschichtsvermittlung in den Social Media ist außerhalb von redaktionell und fachlich professionell betreuten Seiten häufig unstrukturiert und teils bewusst oder unbewusst aus historischer Sicht unausgewogen oder falsch. “



Algorithmen vermitteln Geschichte

Eine weitere zunehmende Einflussgröße, die in der Diskussion um die Analyse und Reflexion von Geschichtsvermittlung in den Social Media ebenfalls von erheblicher Bedeutung ist, sind algorithmische Strukturen. Denn Algorithmen formen zunehmend die Auswahl der (auch historischen) Inhalte, die Nutzer*innen in ihren Social-Media-Feeds angezeigt bekommen. Denn die „For You“-Page (FYP) bildet beispielsweise den Kern von TikTok. Auf dieser FYP werden den Nutzer*innen algorithmisch gesteuert Beiträge angezeigt, basierend auf dem individuellen Verhalten auf der Plattform. Algorithmen sind also als Entscheidungsinstanzen in den Social Media allgegenwärtig. Über den TikTok-Algorithmus ist wenig bekannt. Laut einem im Dezember 2021 an die „New York Times“ geleakten internen Dokument von TikTok namens „TikTok Algo 101“ sind „retention” (Rückkehr der Nutzer*innen) und „time spent” (Verweildauer) entscheidende Kennzahlen für den Algorithmus (vgl. Smith 2021). Diese algorithmische Steuerung macht Social Media insoweit einzigartig, dass Nutzer*innen nicht zuallererst Inhalte sehen, die sie selbst aktiv auswählen, sondern stattdessen einen „algorithmisch kuratierten Stream von Videos, der sich an ihren eigenen Vorlieben orientiert“ (Bösch/Köver 2021, S. 11).
 

Chancen von künstlicher Intelligenz

Erste Versuche der algorithmusbasierten Eindämmung von Fake News und Fehlinformationen in den Social Media wurden bereits seit Mitte der 2010er-Jahre erprobt. Seitdem wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur automatisierten Detektion von Fehlinformationen im Internet entwickelt. Aktuelle Projekte zielen darauf ab, künstliche Intelligenz zu trainieren, um Desinformationen möglichst umfassend zu erkennen. Dieser Ansatz kann auch im Rahmen von schulischer Geschichtsvermittlung genutzt werden. Erste eigene Projekte mit Schulklassen in Schleswig-Holstein konnten bereits erfolgreich zeigen, wie Lernende historische Bezüge im Wahlkampf in den Social Media mithilfe von ChatGPT kritisch analysieren und somit Modelle generativer KI produktiv zur Analyse nutzen können (vgl. Burkhardt/Klein 2025).


Chancen und Grenzen von Geschichtsvermittlung in den Social Media

Die Vermittlung von Geschichte in sozialen Medien eröffnet vielfältige Chancen, birgt jedoch auch erhebliche Herausforderungen. Denn Plattformen wie TikTok, Instagram und Facebook ermöglichen zum einen eine breite und niedrigschwellige Vermittlung historischer Inhalte. Institutionen wie die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Influencer*innen wie Leonie Schöler nutzen diese Kanäle, um insbesondere junge Zielgruppen mit personalisierten und lebensweltlich relevanten Geschichten zu erreichen. Dieser Ansatz fördert ein partizipatives Geschichtslernen, das vielfältige Perspektiven einschließt und zur aktiven Auseinandersetzung mit der Vergangenheit anregt. Daneben besteht zum anderen jedoch auch die Notwendigkeit, der Verbreitung von Desinformation und Geschichtsmythen aktiv zu begegnen. Denn ideologisch motivierte Beiträge instrumentalisieren Geschichte in Form von Fake News, wie etwa die Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen oder die Verbreitung von Verschwörungstheorien (vgl. Burkhardt 2024). Algorithmen verstärken diese Problematik zudem. Um die Potenziale sozialer Medien für die Geschichtsvermittlung zu nutzen und gleichzeitig ihre Risiken zu minimieren, ist eine kritische Medienkompetenz unerlässlich. Es ist essenziell, dass Lernende dazu befähigt werden, historische Inhalte zu analysieren, deren Quellen zu hinterfragen und zwischen fundierten Informationen und Falschmeldungen zu unterscheiden.

Die im Geschichtsunterricht seit vielen Dekaden anhand von historischen Quellen eingeübte historisch-kritische Methode stellt eine solide Basis dar, um z. B. auf den Social Media verbreitete Propaganda oder Desinformation in der Schule zu analysieren und zu beurteilen, auch wenn die Förderung digitaler historischer Medien- und Methodenkompetenzen allein nicht ausreicht, um hinlänglich gegen Fake News, Fehlinformationen und Desinformationskampagnen gewappnet zu sein. Unterstützend können auch technologische Hilfsmittel wie künstliche Intelligenz wirken, etwa durch die Erkennung von Desinformation in den sozialen Medien. Ein reflektierter und medienkompetenter Umgang mit Geschichtsvermittlung in den Social Media ist in jedem Fall alternativlos.
 

Literatur:

Adriaansen, R.-J.: Historical Analogies and Historical Consciousness: User-Generated History Lessons on TikTok. In: M. Carretero/M. Cantabrana/C. Parellada (Hrsg.): History Education in the Digital Age. Cham 2022, S. 43–62

Bösch, M./Köver, C.: Schluss mit lustig? TikTok als Plattform für politische Kommunikation. Berlin 2021. Abrufbar unter: https://www.rosalux.de

Burkhardt, H.: Mythosmaschine Twitter? Fakten und Fiktionen im Social Web zu Rudolf Heß und der Bombardierung Dresdens 1945. In: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik, 1/2018/17, S. 42–56

Burkhardt, H.: Geschichte in den Social Media. Nationalsozialismus und Holocaust in Erinnerungskulturen auf Facebook, Twitter, Pinterest und Instagram. Göttingen 2021

Burkhardt, H.: Geschichtsdeutungen über die Zeit des Nationalsozialismus in den Social Media. In: M. Homberg/M. Homberg (Hrsg.): Deutungskämpfe – die „zweite Geschichte“ des Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 2024, S. 263–287

Burkhardt, H./Klein, M.: Critical Data Literacy gegen Desinformation. Kontingenzbewältigung und historisches Lernen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. 2025 (unveröffentlicht)

Carpenter, J. P./Morrison, S. A./Craft, M./Lee, M.: How and why are educators using Instagram? In: Teaching and Teacher Education, 11/2020/96, S. 1–14

Groschek, I.: Gedenkstätten und Social Media. Chancen für partizipative und dialogische Formate der digitalen Geschichtsvermittlung. In: T. Bürger/R. Löffler (Hrsg.): Erinnerungskultur digital. Herausforderungen und Chancen für die historische und politische Bildung. Dresden 2024, S. 159–172

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie 2024. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart 2024

Müller, T.: Ergebnisse der ARD/ZDF-Medienstudie 2024: Zahl der Social-Media-Nutzenden steigt auf 60 Prozent. In: Media Perspektiven, 28/2024, S. 1–8

Smith, B.: The Media Equation: How TikTok Reads Your Mind. In: The New York Times, 05.12.2021. Abrufbar unter: https://www.nytimes.com

U.S. Department of Education: Transforming American Education. Learning powered by Technology. National Education Technology Plan 2010. Alexandria 2010. Abrufbar unter: https://files. eric.ed.gov

Yildirim, L.: Geschichtskulturelle agency auf dem „Markt der Erinnerungen“. In: M. Barricelli/L. Yildirim (Hrsg.): Geschichtsbewusstsein – Geschichtskultur – Public History. Ein spannendes Verhältnis. Göttingen 2024, S. 131–149