7 Fragen an David Austin

David Austin kam 2003 nach seiner Tätigkeit im diplomatischen Dienst in Südasien, Zentralafrika und dem ehemaligen Jugoslawien als Prüfer zum British Board of Film Classification (BBFC). 2011 wurde er dort stellvertretender Direktor für Politik und öffentliche Angelegenheiten, im März 2016 übernahm er die Geschäftsführung. David Austin ist Mitglied des Vorstands der Cinema Advertising Association (CAA) und Treuhänder des Holocaust Memorial Day Trust.

Online seit 03.01.2024: https://mediendiskurs.online/beitrag/7-fragen-an-david-austin-beitrag-1165/

 

 

1
Was war Ihr erstes oder intensivstes Fernseherlebnis und welcher Kinofilm hat Sie als Kind begeistert?

Wie für sehr viele Kinder in Großbritannien war Dr. Who – das in diesem Jahr sein 60‑jähriges Jubiläum feiert – ein prägendes Fernseherlebnis. Jeden Samstagabend schoben mein Bruder und ich das Sofa nach vorn, damit wir uns dahinter verstecken konnten, wenn Dr. Who im Fernsehen lief. Wir lugten hinter dem Sofa hervor und zogen uns dahinter zurück, wenn die Sendung zu gruselig wurde. Und das tat sie jede Woche.

Mein frühestes Kinoerlebnis war 1968 Tschitti Tschitti Bäng Bäng. Ein überdrehtes, magisches Abenteuer über ein fliegendes Auto. Der Film enthielt den furchterregendsten Bösewicht, der je auf Zelluloid gebannt wurde – den Kinderfänger. Aus einem Königreich, in dem alle Kinder entführt und unter der Erde eingesperrt werden, verfolgten mich Robert Helpmanns ballettartige Darbietungen, seine riesige Nase, mit der er Kinder aufspürte, und seine gruseligen Augen noch lange.
 

Trailer Tschitti Tschitti Bäng Bäng (Rotten Tomatoes Classic Trailers, 05.10.2012)



2
Im Vereinigten Königreich zeigen Kinos vor jedem Film eine schwarz hinterlegte Infotafel, auf der neben dem Titel auch die Angabe zur Altersfreigabe und Informationen über den Inhalt angegeben sind. Gibt es standardisierte Leitlinien oder ein Best-Practice-Modell für solche Zusatzinformationen oder kann jeder Anbieter die Begriffe und Warnhinweise selbst wählen?

Unser Ziel ist es, allen Menschen im Vereinigten Königreich – insbesondere Kindern und Familien – bei der Auswahl altersgerechter Filme, Videos und Websites zu helfen. Wir treffen jede Entscheidung zur Alterseinstufung in Übereinstimmung mit unseren Einstufungsrichtlinien. Diese sind das Ergebnis regelmäßiger, breit angelegter Befragungen sowie umfangreicher Forschungsarbeiten und einer über 110-jährigen Erfahrung.

Jeder Verleiher, der einen Film in britischen Kinos zeigen möchte, muss diesen bei der BBFC zur Klassifizierung einreichen. Nach britischem Lizenzrecht ist der Zugang zu bestimmten Inhalten für Kinder entsprechend der BBFC-Alterseinstufung beschränkt. Zusätzlich zur Altersbewertung bieten wir für jeden Film und jede TV-Episode, die wir klassifizieren, auch Inhaltsberatung an, damit das Publikum selbst entscheiden kann, ob ein Film für sie oder ihre Familien geeignet ist. Diese Informationen erscheinen auf unserer bekannten schwarzen BBFC-Infotafel, die kurz vor Filmstart auf der Kinoleinwand angezeigt wird.

Zum Hintergrund: Die BBFC wurde 1912 von der Filmindustrie gegründet, um einheitliche Standards für die Filmklassifizierung im ganzen Land zu etablieren. Dies ist eine Aufgabe, die wir bis heute ausführen. Wir arbeiten mit Vertrieben und Kinoketten zusammen, um sicherzustellen, dass altersgerechte Klassifizierungen für Filme vergeben werden.
 

3
Sie führen regelmäßig Studien durch, um die Meinung der britischen Bevölkerung zu ermitteln. Zuletzt gab es eine Untersuchung über Diskriminierung in Film und Fernsehen. Zu welchen aktuellen Themen planen Sie weitere Studien?

Ja, zwischen den Überprüfungen der Leitlinien führen wir zusätzliche Forschungsprojekte durch. Seit der letzten Überprüfung der Leitlinien im Jahr 2019 haben wir Forschungsarbeiten zu häuslicher Gewalt, Kraftausdrücken sowie Rassismus und Diskriminierung durchgeführt.

Derzeit führen wir die nächste Überprüfung der Leitlinien durch. Alle Änderungen, die sich aus der Untersuchung ergeben, werden Anfang 2024 in Kraft treten. Zu den inhaltlichen Themen, auf die wir uns konzentrieren, gehören Drogen, Alkohol und Rauchen, Sex, sexuelle Gewalt, Gewalt, psychische Probleme und Bedrohung.
 

4
Stichwort KI und Jugendmedienschutz: Inwieweit kann der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Jugendmedienschutz sinnvoll sein?

Wir investieren in Künstliche Intelligenz und in die Entwicklung skalierbarer Lösungen für die Alterseinstufung. Mit diesen neuen Produkten wollen wir es den globalen VoD- und Streamingdiensten so einfach wie möglich machen, insbesondere jungen Menschen Informationen zur Einstufung bereitzustellen. Angesichts der dramatischen Zunahme von Inhalten im digitalen Raum ist dies wichtiger denn je.

Wir legen aber auch großen Wert darauf, dass die Stimme der Jugend bei unseren Klassifizierungsentscheidungen gehört wird. Aus diesem Grund haben wir ein spezielles Jugendgremium, das aus 21 Schülerinnen und Schülern im Alter von 15 bis 21 Jahren besteht. Sie arbeiten mit uns zusammen, um Feedback zu wichtigen Klassifizierungsfragen zu geben und sicherzustellen, dass unsere Arbeit den Bedürfnissen junger Menschen gerecht wird.
 

5
Wie steht die BBFC zum Einsatz von KI? Kann KI bereits Bewertungen vornehmen und welche Schwierigkeiten könnte es dabei geben?

KI ist ein aufregender neuer Schritt für das BBFC, da wir neuen Technologien stets offen gegenüberstehen. Skalierbare Lösungen auf globaler Ebene sind auch das, was sich viele VoD-Dienste nach eigenen Angaben wünschen. Die Herausforderung besteht darin, Produkte zu liefern, die Anbietern helfen, ihr globales Angebot zu erweitern, die aber gleichzeitig auch auf regional unterschiedliche kulturelle Werte eingehen können.

Im Juni 2023 haben wir die erste Phase eines Projekts angekündigt, mit dem wir die Möglichkeit von Klassifizierungen durch KI erforschen wollen. Die neue Technologie soll der Branche dabei helfen, sich an die veränderten Rezeptionsweisen anzupassen. Gleichzeitig soll sie die Klassifizierung noch kostengünstiger machen.
 

6
Welche Trends sehen Sie derzeit in der Film- und Streaminglandschaft und was bedeuten sie für das BBFC?

Seit 2008, also mit der wachsenden Popularität von VoD- und Streamingdiensten, sind wir bemüht, mit so vielen dieser Dienste wie möglich zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass unsere Empfehlungen auch im Onlinebereich gelten.

Wir bieten eine Reihe von Dienstleistungen, die es VoD- und Streamingdiensten ermöglichen, unsere Bewertungen zu übernehmen. Unsere innovative Partnerschaft mit Netflix hat beispielsweise ermöglicht, dass Netflix die Altersfreigaben für sein britisches Angebot zu 100 % auf der Grundlage unserer Bewertungen und Inhaltsempfehlungen erstellt. Außerdem konnten wir eine Vereinbarung mit Amazon treffen, die es Prime Video ermöglicht, die BBFC-Alterseinstufungen nach dem Vorbild von Netflix selbst zu erstellen.

Derzeit greifen 33 Dienste im Vereinigten Königreich für ihre Plattformen freiwillig auf unsere Altersfreigaben und Inhaltsempfehlungen zurück. Die wirkliche Herausforderung ist derzeit die Uneinheitlichkeit der Altersfreigaben bei den Streamingdiensten, die nicht mit uns zusammenarbeiten. Das erschwert es Eltern und Betreuern unnötigerweise, zuverlässige und einheitliche Empfehlungen für Videoinhalte zu erhalten.
 

7
Zu guter Letzt: Was war der letzte Film oder die letzte Serie, die Sie begeistert hat?

Ich sehe so viele Filme und Serien, sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause zum Vergnügen, dass es schwierig ist, eine davon auszuwählen. Aber da Sie fragen ... Eine Serie, die meine Frau und ich sehr genossen haben und die sicher viele Ihrer Leserinnen und Leser gesehen haben, ist die brillante Actionthriller-Komödie Kleo. Jella Haase ist großartig in der Rolle der verratenen Stasi-Attentäterin, was durch ein scharfes und witziges Drehbuch enorm unterstützt wird. Ich kann es kaum erwarten, 2024 die zweite Staffel zu sehen!
 

Trailer Kleo (Netlix, 14.07.2022)