Am besten gleich die Wahrheit
Skandalisierung, Werteentwicklung und Krisenmanagement
Warum sind Skandale bei den Medien so beliebt?
Der Skandal ist ein essenzieller Bestandteil moderner Mediendemokratien. Das liegt vor allem daran, dass politische Führung immer sichtbarer geworden ist und sich gegenüber der Öffentlichkeit immer mehr legitimieren muss. Man kann das historisch begründen. Daher hat auch die Skandalberichterstattung mit Negativjournalismus und genauerer Recherche über Verfehlungen zugenommen. Auf der anderen Seite sind aufgedeckte Skandalfälle für die Medien sehr günstig, denn sie erreichen sehr hohe Reichweiten, Klickzahlen und Einschaltquoten.
Investigativer Journalismus wartet nur darauf, dass etwas Betrügerisches, moralisch Verwerfliches oder Strafbares herauskommt, was uns empören lässt. Und wir sind sofort aufmerksam, interessieren uns dafür und reden darüber.
Man könnte zunächst einmal annehmen, dass die normale menschliche Neugierde dahintersteckt. Der Mensch ist gierig nach aufsehenerregenden Neuigkeiten, nach Verhaltensweisen und Ereignissen, die noch nie da gewesen sind. Gleichzeitig ist damit eine Art Freude am Scheitern von anderen verbunden, vor allem, wenn es sich um höhergestellte Persönlichkeiten handelt. Als Kommunikationswissenschaftler würden wir das hinsichtlich der Medienrezeption z.B. mit dem Uses-and-Gratifications-Ansatz erklären: Menschen nutzen Medien und andere Mittel, um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. Und bei medialen Skandalen werden mehrere Bedürfnisse gleichzeitig befriedigt, nämlich vor allem die Gier nach neuen Informationen und die Suche nach Unterhaltung.
Nehmen wir einmal Karl-Theodor zu Guttenberg. Viele haben in ihm bereits Merkels Nachfolger gesehen. Und dann stellt sich plötzlich heraus – während seines Besuchs der Bundeswehr in Afghanistan: Er hat seine Doktorarbeit größtenteils abgeschrieben. Empfinden wir in so einem Fall nicht auch ein bisschen Schadenfreude?
Ja und nein. Bei diesem Fall ist interessant, dass einige Medien relativ lange zu ihm gehalten und auch versucht haben, zu relativieren und das anders zu framen. Das zeigen auch Rezipientenanalysen. In unserem neuen Sammelband zum Thema „Skandale“ werden wir einen Beitrag von einer Kollegin veröffentlichen, die an das Thema „Guttenberg“ psychologisch herangegangen ist. Sie hat Tiefeninterviews mit Anhängern von Guttenberg geführt. Und da kam immer wieder heraus: Er wurde zum einen wie eine Art „gefallener Held“ gesehen. Dabei schwang aber über das Verhalten Guttenbergs zum anderen immer eine gewisse Enttäuschung mit, aber gleichzeitig gab es dann auch den Wunsch, dass er nach dieser Krise wieder auferstehen möge. Im Guttenberg-Skandal zeigt sich schon, dass Skandale zu publizistischen und öffentlichen Konflikten werden können. Der eigentliche Skandalkern wird anhand des Falles öffentlich ausdiskutiert: Abschreiben ist in der Wissenschaft Betrug – und auf der anderen Seite hört man Argumente wie: „Es hat ja jeder schon einmal abgeschrieben in der Mathearbeit“ und dergleichen. Auf jeden Fall sind seit dieser Affäre an den Universitäten die Sorgfalt und die Ansprüche an den Umgang mit Zitaten erheblich gestiegen.
Meines Erachtens hätte er das Ganze überstehen können. Er hat klar gesagt: „Ich habe nicht abgeschrieben.“ Das war eindeutig gelogen.
Guttenberg hätte das wahrscheinlich überstanden, wenn er von Anfang an mit offenen Karten gespielt und betont hätte, dass es ihm leidtue, er vorsätzlich abgeschrieben und die Doktorarbeit nicht ernst genug genommen habe. Es handelte sich eben nicht um eine Mathematik-Schulaufgabe der 3. Klasse, sondern um eine wissenschaftliche Arbeit, die auch veröffentlicht werden muss. Er hat ja bis heute nicht eindeutig zugegeben, dass er betrogen hat. Das sehe ich persönlich als ein ernstes Problem an. Er spricht immer sehr abstrakt von Fehlern: Er habe Fehler gemacht, und Menschen machten eben Fehler. Ja, natürlich machen Menschen Fehler. Aber das ist ein Allgemeinplatz. Wenn er zugegeben hätte, dass er bewusst betrogen hat und fahrlässig mit den Texten anderer umgegangen ist, dann hätte er das überstehen können. Umso skurriler ist es, dass Annette Schavan bei der Skandalisierung stark gegen Guttenberg mitgewirkt und sauberes wissenschaftliches Arbeiten als Wert hochstilisiert hat und dann später selbst wegen Abschreibens bei ihrer Doktorarbeit zurücktreten musste. Es ist mir persönlich ein Rätsel, warum Politikerinnen und Politiker immer wieder wegen teilweise haarsträubender Plagiate überführt werden. Es handelt sich ja im Fall Guttenberg nicht um ein paar Quellen, die er vergessen hat, anzugeben, sondern um komplette Passagen, die wortwörtlich übernommen wurden.
Im Vergleich dazu ist es bei den Vorwürfen gegen Franziska Giffey verhältnismäßig ruhig. Das war eine Meldung, nach einem Tag war sie aus den Schlagzeilen. Jetzt prüft die Freie Universität Berlin den Fall, und das scheint lange zu dauern. Vielleicht ist bis dahin die Koalition auseinandergebrochen.
Es hat schon sehr viel damit zu tun, wie exponiert sich jemand in der Öffentlichkeit präsentiert. Eine weniger öffentliche Person ist nicht so skandalanfällig wie jemand, der permanent in der Öffentlichkeit steht und Journalismus auch strategisch benutzt, um seine öffentliche Wahrnehmung noch weiter zu steigern. Das war ja bei Guttenberg ganz klar der Fall. Sie haben ja die Reise nach Afghanistan auch angesprochen. Dieses Medienkorps, das dabei war, die Inszenierung seiner Politik war für Guttenberg normal. Das hatte ja fast schon amerikanische Züge, mit Fliegerjacke aus dem Flugzeug kommend etc., das war für deutsche Verhältnisse etwas völlig Neuartiges. Ich glaube, dass Menschen, die so exponiert sind, auch eher skandalisiert werden. Was bei Guttenberg eben auch sehr schön zu sehen war: Wir hatten erstmalig in Deutschland einen wirklichen Skandal, der zum großen Teil online ablief und nicht nur über den klassischen Journalismus. Es gab die Rezipienten, die unter dem Titel GuttenPlag über dieses Wiki-System selbst recherchiert, diskutiert und den Fall abgewogen haben. Ob das Ganze jetzt nach journalistischen Standards ablief, ist erst einmal zweitrangig. Aber es zeigt sich, wie Andy Chadwick es beschrieben hat, eine interessante Interdependenz zwischen den alten und den neueren Onlinemedien.
Auch Christian Wulff hätte den Skandal überstehen können. Wie steht es mit dem Krisenmanagement der Politiker? Es müsste doch auch bei ihnen angekommen sein, dass die Medien nicht lockerlassen, bis sie die Wahrheit herausbekommen haben.
Ja, auf jeden Fall. Es gab eine konzertierte Aktion von Wulff und seinen Beratern, in der unzählige Fragen im Block beantwortet wurden. Und gleichzeitig fand dieses legendäre Interview mit einem Präsidenten statt, der in einem Skandal steht und dann in einer Sondersendung von ARD und ZDF interviewt wird, alle anderen Sender werden ausgeschlossen. Das ist auf jeden Fall ein Unikat. Sein erster Fehler war, dass er von Anfang an nicht komplett offen mit der Finanzierung seines Hauses umgegangen ist und dem „Spiegel“ und der „Bild-Zeitung“ keinen Einblick in das Grundbuch gewährt hat, um offenzulegen, wie und durch wen sein Haus finanziert worden war. Es hätte ihm klar sein müssen, dass dadurch der Verdacht, etwas könnte nicht stimmen, neue Nahrung erhält. Zum Zweiten: Wer dann noch bei der „Bild-Zeitung“ auf die Mailbox des Chefredakteurs spricht und ihn bittet, in der Sache zurückhaltend zu agieren, dem sind offenbar die Nerven durchgegangen. Der Mainzer Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger sagte dazu auf einer Tagung: Die Menschen tendieren in solchen Stresssituationen immer dazu, ohnmächtig zu werden, weil im medialisierten Skandal ja meist nur die Stimmen der Skandalisierer und selten die der Opfer zu hören sind. Dann passieren natürlich auch solche unüberlegten Aktionen, die nicht in so eine kluge Krisenkommunikation passen.
Die Strategie seiner Berater war wohl, er soll mit Hinweis auf seine präsidiale Hoheit gar nichts sagen. Vorgeworfen wurde Wulff letztlich nur, dass ein befreundeter Unternehmer ihm das Geld für sein Haus geliehen hatte.
Auf die Würde des Amtes zu verweisen, geht heutzutage immer schief. Natürlich hat der Bundespräsident eine ganz besondere Stellung. Aber in der modernen Mediendemokratie, in der mächtige Politiker immer sehr stark überwacht und beobachtet werden und Menschen immer skeptischer reagieren, ist es egal, ob jemand Ministerpräsident, Landtagsabgeordneter oder Bundespräsident ist. Warum manche Politiker oder andere Prominente dann trotz Berater scheitern, ist schwer nachzuvollziehen. Ich kann mir nur vorstellen, dass es vielleicht Verhältnisse zwischen Beratern und Politikern gibt, in denen die Berater sich nicht offen zu sagen trauen, was angebracht wäre. Es gibt vielleicht auch Situationen, in denen Politiker zwar gesagt bekommen, was sie machen könnten oder sollten, aber nicht darauf hören.
Vertuschen ist also das Falscheste, weil die Sache höchstwahrscheinlich ohnehin herauskommt und durch Leugnen nur noch schlimmer wird.
Das zeigt auch die Forschung. Es gibt in moderneren Skandalen, die von Medien begleitet oder durch Medien provoziert werden, dieses Phänomen der sekundären Transgressionen. Im Fall Guttenberg: Die primäre Grenzüberschreitung wäre quasi das Plagiat, und die sekundäre Transmission wäre das Abstreiten, das Herunterspielen oder der Versuch des Vertuschens. Wenn solche Überschreitungen auf dem zweiten Level auftauchen, ist die Glaubwürdigkeit noch viel stärker beschädigt. Wenn nämlich herauskommt: Der Vorwurf stimmt ja doch oder ist zumindest z.T. wahr, dann steht die Person sehr schlecht da. Man hat den Eindruck: Ja, es stimmt. Und: Der ist nicht integer, der sagt uns nicht einmal die Wahrheit. Und das muss man jetzt entschuldigen. Dieses Abstreiten in der Hoffnung, durch Lügen und Ausflüchte den Skandal heile zu überstehen, kommt immer wieder vor. Sie haben es richtig gesagt: Journalisten haben qua Beruf die Aufgabe und die Zeit, zu recherchieren und auch Querverweise herzustellen. Dann tauchen immer absurdere Vorwürfe auf, bei Wulff z.B. diese völlig hochgespielte Bobby-Car-Geschichte. Und das führt natürlich dazu, dass eine ständige Erregung anhält, mal höher, mal niedriger. Und so verstrickt sich der Skandalisierte immer weiter darin.
Bei dem gegenwärtigen Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche geht es um Kinder, die misshandelt und für ihr weiteres Leben traumatisiert wurden. Gemessen daran ist die Anklage für die Kirche bisher verhältnismäßig glimpflich ausgegangen.
Ja, das ist bemerkenswert. Diese Missbrauchsskandale in den Kirchen tauchen ja alle paar Jahre wieder auf. Da gibt es immer so Peaks. Im Moment haben wir wieder einen Höhepunkt erreicht. Vor allem die katholische Kirche kann sich als fast komplett abgeschlossenes System mit eigenen Regeln, die fast schon gesetzlichen Charakter besitzen, perfekter als andere Institutionen abschotten. Aber es ist dennoch erstaunlich: Bei den Politikerskandalen sehen wir immer, dass die Skandale dann besonders negativ für die Betroffenen ausgehen, wenn Politiker Gesetze gebrochen haben, die sie selbst mit verfasst oder abgesegnet haben. Wenn das Recht oder Anstandsnormen gebrochen werden, die sich der Betroffene selbst zum Maßstab gemacht hat, dann ist der Skandalfall immer besonders hart. Gerade bei der Kirche sollte man annehmen, dass der Respekt vor Menschenleben eine so essenzielle Bedeutung hat, dass angesichts dieser sexuellen Ausbeutung von Kindern eine größere Skandalisierung stattfinden müsste.
Die Kirche begnügt sich vor allem mit Ankündigungen, was wir auch bei der Konferenz im Vatikan im Februar 2019 gesehen haben.
Es gäbe da noch eine andere Erklärung. Ich habe einen interessanten Aufsatz von Timothy Coombs und Sherry Holladay gelesen, der in unserem neuen Scandalogy-Band erscheinen wird. Darin geht es um Organisationskultur und um Skandalkultur. Sie behandeln u.a. Fälle von häuslicher Gewalt in den USA, die bei der NFL, also bei professionellen Footballspielern, weitaus ausgeprägter sind als bei Normalsterblichen. Sie stellen in dem Beitrag die Frage, warum die NFL und andere Organisationen, die damit verbunden sind, hier nicht stark genug skandalisieren und die Übeltäter aus dem Verkehr ziehen. Das widerspricht aber bei der NFL der Marktlogik. Wenn man solche teuren Profis hart bestraft und sehr lange aus dem Verkehr zieht, wird das sehr teuer. Man müsste hier mal eine tiefergehende Untersuchung bei den Kirchen durchführen, und vor allem die Theologen selbst sind hier gefragt, um herauszufinden, wie es um die Organisationskultur in Kirchen bestellt ist. Es ist z.B. wichtig, ob bei der Recherche über den Skandal und bei seiner Veröffentlichung Hilfe angeboten wird. Gibt es solche Compliance-Regeln oder eine Krisenkommunikationsstelle, die dann auch Öffentlichkeit herstellen kann?
Vor zwei Jahren begann, ausgehend von den USA, die MeToo-Debatte. Wäre das Gleiche vor zehn oder 20 Jahren passiert, hätte man das wahrscheinlich in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Bei Dieter Wedel hat es damals Anzeigen gegeben, der Fall war bekannt, aber es ist nichts geschehen.
Wir können uns das nur so erklären, dass es ständig einen Wandel in der Skandalkultur gibt. Nehmen wir das Beispiel Donald Trump und seine Aussagen gegenüber Frauen, nicht nur dieses: „Grab them by the pussy“, sondern auch Bemerkungen gegenüber Reporterinnen, die in den USA mit einer sehr puritanischen Tradition vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen wären. Und heute hat der Sexismus bei Trump kaum Konsequenzen. Entweder ist hier ein Abnutzungseffekt entstanden oder es gibt wirklich einen Wandel in der Skandalkultur. Da gibt es natürlich unterschiedliche Faktoren auf der Makroebene: Wie sieht das Mediensystem aus, wie das Regierungssystem oder die Justiz? Auf der mittleren Ebene: Wie sind die Organisationen aufgestellt, die Parteien, die Medienhäuser? Die Mikroebene ist fast am interessantesten: Wie reagieren die Rezipienten, also die Bürgerinnen und Bürger, auf Anschuldigungen gegen Politiker, die beliebt oder vielleicht weniger beliebt sind? Ich habe schon den Eindruck, dass es in den USA einen Wandel in der Skandalkultur gibt. Den kann man empirisch-historisch an bestimmten Beispielen festmachen. Wäre man vor 30 oder 40 Jahren als Homosexueller in die Politik gegangen, hätte man keine Chance gehabt. Heutzutage ist das eine Selbstverständlichkeit. Genauso, wie in den USA heute Afroamerikaner eine leitende Position einnehmen oder sogar Präsident werden können. Heute ist es sogar eine staatliche Aufgabe, Afroamerikaner oder Hispanics durch Bildungsangebote so zu qualifizieren, dass sie herausgehobene Positionen erreichen. Aber es gibt einen Wandel der Skandalkultur. Hans Mathias Kepplinger drückte das bei unserer Konferenz so aus: Es gibt in den letzten Jahren eine zunehmende Skandalisierung von Nichtskandalen, von kleineren Aufregern, bei denen sich ein bestimmtes Teilpublikum auf den Schlips getreten oder vielleicht sogar beleidigt fühlt. Nehmen wir beispielsweise den etwas verunglückten Witz über den angeblichen Genderwahn in einer Karnevalsrede von Annegret Kramp-Karrenbauer. So etwas wird dann sehr breitgetreten und erhält oft eine überproportional hohe Bedeutung. Das hat zum einen mit den sozialen Medien zu tun. Jeder kann dann seinem Unmut freien Lauf lassen, und jeder kann Menschen mit seiner Meinung um sich scharen. Aber zum anderen findet bei großen Skandalfällen ein Abnutzungseffekt statt: „Ach, schon wieder Korruption, schon wieder ein Umweltskandal, schon wieder ein Steuerbetrug. Aber schaut doch einmal auf mich. Ich habe hier ja auch meine Bürde zu tragen, und das ist auch ein Skandal.“
Der Soziologe Karl Otto Hondrich hat 2002 in seinem Buch Enthüllung und Entrüstung. Eine Phänomenologie des politischen Skandals die These aufgestellt, dass es bei Skandalen letztlich darum geht, den Sinn bestimmter gesellschaftlicher Normen im Diskurs zu überprüfen. Nehmen wir beispielsweise den Skandal um Horst Seehofer, der 2007 mit seiner Freundin Anette Fröhlich ein nicht eheliches Kind bekam. Die Nachricht wurde der Presse zugespielt, als Seehofer gerade Parteivorsitzender der CSU werden wollte. Nach Hondrich entscheidet der Grad der Empörung, ob das diskutierte Fehlverhalten für den Betroffenen Konsequenzen hat oder nicht.
Wir bewegen uns hier im Bereich der funktionalistischen Skandaltheorien. Ich würde Hondrich recht geben in der Beobachtung, dass Normen überprüft werden müssen: Ist dies ein großer Skandal, gilt dieser Wert oder diese Norm noch? Die Überprüfung von Normen ist eine wichtige Funktion von Skandalen. Funktionalistische Theoretiker sagen aber auch, dass Normen wiederhergestellt oder neu geschaffen werden. Skandale könnten also etwas Heilsames sein. Schwierig wird das natürlich bei der empirischen Nachprüfung. Auffallend ist, wie gesagt, eine Zunahme von Skandalisierung von angeblichem Fehlverhalten, bei dem man fragen muss, ob das wirklich gesellschaftlich relevante Normen berührt. Dass es einen Wertewandel gibt, hat das Beispiel Seehofer perfekt gezeigt: Auch Politiker sind halt manchmal schwach, und viele Menschen haben dann offenbar die Entscheidung getroffen, dass so ein Verhalten nicht entscheidend dafür ist, ob jemand ein Amt ausüben kann.
André Haller (Foto: privat)
Joachim von Gottberg (Foto: Sandra Hermannsen)