Auf der Suche nach Glück

Glück in Kultur, Geschichte und in den sozialen Medien

Annegret Braun

Dr. Annegret Braun ist freiberufliche Kulturwissenschaftlerin. Sie ist Lehrbeauftragte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und arbeitet in der Erwachsenenbildung. Zudem leitet sie eine Geschichtswerkstatt in Dachau und schreibt Kulturwissenschaftliche Bücher über Frauen, Landleben und Glück.

Die Suche nach Glück ist allgegenwärtig und der Glücksanspruch hoch. Psychologen und Psychologinnen reden von Glückszwang und Wohlfühlterror. Ist die Jagd nach Glück ein neues Phänomen? Welche Bedeutung hat Glück in anderen Kulturen? Und warum ist Glück existenziell wichtig geworden? Das sind die Fragen, denen in diesem Aufsatz nachgegangen wird.

Printausgabe mediendiskurs: 27. Jg., 4/2023 (Ausgabe 106), S. 16-21

Vollständiger Beitrag als:

Welche Bedeutung hatte Glück in vergangenen Zeiten?

Bei der Frage, welche Bedeutung Glück in der Vergangenheit hatte, muss man unterscheiden, ob man das Glücksverständnis der allgemeinen Bevölkerung oder das der Philosophen, Theologen und anderen Denker meint. Über das Glücksverständnis der Bevölkerung in vergangenen Jahrhunderten weiß man wenig, weil die meisten Menschen nicht schreiben konnten oder nur Grundkenntnisse besaßen. Zudem hatten die Menschen andere Sorgen, als über Glück zu philosophieren. Es gibt also kaum schriftliche Zeugnisse, was Glück für die Menschen aus der hart arbeitenden Bevölkerungsschicht bedeutete. Man kann aber über Glückssymbole herleiten, welches Glücksverständnis sie hatten. Das vierblättrige Kleeblatt ist ein Glückssymbol, weil es in der Natur selten vorkommt. Glück war nicht ständig verfügbar. Ein vierblättriges Kleeblatt auf einer Wiese oder am Wegesrand entdeckt man zufällig, wenn man mit aufmerksamen Augen durch die Welt geht, oder man sucht es mit sehr viel Ausdauer. Glück war etwas Seltenes und Kostbares und nicht so einfach zu finden. Zudem ist das vierblättrige Kleeblatt ein Glückssymbol, weil es die Form eines Kreuzes hat (Harmening 2009). Glück war eng mit einem religiösen Leben verbunden, es war nicht so sehr auf das Diesseits ausgerichtet, sondern auf das Jenseits, wo man auf die ewige Glückseligkeit hoffte. Heute kauft man das vierblättrige Kleeblatt im Laden, meistens im Topf. Das sagt viel über unser heutiges Verständnis von Glück aus: Es soll ständig verfügbar sein und es ist käuflich. Sehr viele Menschen suchen heute ihr Glück – bewusst oder unbewusst – in materiellen Dingen.
 

 

Auch das Hufeisen sagt viel über den Wandel des Glücksverständnisses aus. In vergangenen Zeiten wurde das Hufeisen oftmals mit der Öffnung nach unten aufgehängt (Raff 1999). Damit sollte das Böse, das von unten kommt, abgehalten werden. Das Hufeisen wurde auch an der Türschwelle mit der Öffnung nach außen befestigt, damit das Böse nicht ins Haus hineinkommt. Dieser Glücksbringer hatte also eine Schutzfunktion. Er sollte Leid und Unglück verhindern. Solange die Menschen und das Vieh gesund waren und die Ernte nicht durch Dürre oder Hagel zerstört wurde, war es Grund genug, zufrieden zu sein. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass auch in anderen Bevölkerungsschichten ein alltagsnahes Glücksverständnis herrschte. Der Schriftsteller Theodor Fontane (1819 – 1898) antwortete auf die Frage, was Glück sei:

Eine Grießsuppe, eine Schlafstelle und keine körperlichen Schmerzen – das ist schon viel.“

Der Anspruch, glücklich zu sein, war nicht so hoch. Heute hängen wir das Hufeisen mit der Öffnung nach oben auf. Damit soll das Glück eingefangen werden und wenn es drin ist, soll es auch nicht mehr herausfallen. Man möchte es am liebsten festhalten.
 

Das Glück der Philosophen und anderer Denker

Die antiken Philosophen verstanden unter Glück weder einen kurzfristigen emotionalen Zustand noch ein Dauerhochgefühl, sondern eine gelassene geistige Haltung, zu der sowohl Heiterkeit als auch Traurigkeit und das Schmerzliche gehörten (Meck 2003). Nach Auffassung von Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) ließ sich dieses Glück durch eine tugendhafte und selbstgenügsame Lebensführung erreichen. Es ging also nicht so sehr um Gefühle, sondern um ein kognitiv fassbares Handlungsund Lebensziel.

Selbst Epikur (341 – 270 v. Chr.), dem man nachsagt, dass bei seiner Philosophie die Erfüllung der Bedürfnisse im Mittelpunkt steht, sieht die Voraussetzung von Glück in der Selbstgenügsamkeit. Zum Glücklichsein brauche man nicht mehr als einen Gerstenkuchen und einen Krug Wasser. Für Epikur ist Glück eine auf Vernunft begründete Daseinsfreude und die Entfaltung des eigenen Lebens. Um Glück zu erleben, sei ein Maßhalten und manchmal auch Verzicht wichtig. Er selbst genoss Wein und gute Gespräche. Aber um gute Gespräche zu führen, müsse er auf ausgiebigen Weingenuss verzichten, erklärte er.

Im Mittelalter und in der Neuzeit wurde das Glücksverständnis sehr stark von den Theologen bestimmt. Sie verstanden Glück als Glückseligkeit im Jenseits, das man durch ein gottgefälliges Leben im Diesseits erreichte. Das kurze, oberflächliche Glück auf Erden wurde als Hindernis zum ewigen Glück im Jenseits gesehen. Die Lehren von Augustinus (354 – 430 n. Chr.) waren grundlegend für das Verständnis von Glück in der Kirche. Er ging, wie Aristoteles, davon aus, dass das Handeln der Menschen davon bestimmt ist, glücklich zu werden. Doch sie finden es nicht in materiellen Genüssen, sondern in der Hinwendung zu Gott.

In der Aufklärung hat sich das Glück wieder verstärkt vom Jenseits in das Diesseits verlagert. Das wirkte sich auch auf das politische Denken aus. In der Politik und der Gesellschaft wurde ein allgemeines, kollektives Glück angestrebt. Jeremy Bentham (1748 – 1832), Jurist und Sozialreformer in England, forderte „the greatest happiness for the greatest number“. Politische Entscheidungen und Handlungen müssten der Allgemeinheit nützen.
 


Die Absicht, dass der Mensch ‚glücklich‘ sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten.



Sigmund Freud (1856 – 1939) war zwar ebenfalls überzeugt, dass im Mittelpunkt des menschlichen Daseins das Glücksstreben steht. Doch „die Absicht, dass der Mensch ‚glücklich‘ sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten“. Freud sieht das Leben als ein Dilemma zwischen dem menschlichen Streben nach Glück und der Einschränkung des Glücks durch die Natur und durch die Umwelt.

Das Glücksverständnis in der Geschichte zeigt, dass Menschen immer schon nach Glück gestrebt haben, aber ein Dauerglück zu erreichen, das negative Gefühle ausklammert, war nicht der Fall. Ein Grund ist wahrscheinlich, dass man sehr nah an der Lebenswirklichkeit dran war. Man hat also in seinem Umfeld gesehen, dass zum Leben auch negative Gefühle gehören und dass es normal ist, wenn man sich traurig fühlt.
 

 

Das Glück in verschiedenen Kulturen

„Jeder ist seines Glückes Schmied“, lautet das Glücksverständnis der heutigen Glückssuchenden. In der amerikanischen Kultur hat Glück einen sehr hohen Stellenwert. Möglicherweise liegt es daran, dass in der amerikanischen Verfassung das Streben nach Glück („Pursuit of Happiness“) garantiert wird. Das wird heute oft als ein Recht auf Glück verstanden. In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 hat Thomas Jefferson das „unveräußerliche Recht“ für alle Menschen auf „Leben, Freiheit und das Streben nach Glück“ festgeschrieben. Was mit diesem Glück gemeint ist, zeigt sich im Vorfeld der Debatte um die Verfassung. Dort ist von dem Dreiklang „life, liberty, and estate“ oder „life, liberty, and property“ die Rede (Thomä 2011). Damit wird klar, dass mit dem Wort Glück in der Verfassung Landbesitz gemeint ist. Jedem stand zu, Grund und Boden zu erwerben und sich damit Möglichkeiten zu schaffen, ein Leben in Freiheit und Sicherheit zu gestalten. Das Streben nach Glück, das die Verfassung garantiert, hat sich tief in die amerikanische Kultur und ihr Verständnis von Glück eingegraben und sich auf andere westliche Nationen ausgeweitet. Jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich. Glück ist sehr eng mit dem Erreichen eigener Ziele verbunden, es ist die Folge der eigenen Leistung.

Dieses Glücksverständnis findet man vor allem in individualistischen Gesellschaften. Doch ist das in allen Kulturen so? In kollektivistischen Gesellschaften, wie z. B. in asiatischen Ländern, ist das Glücksverständnis ein anderes. Dort steht nicht das eigene Glück im Mittelpunkt, sondern das Glück der Gemeinschaft. „Der Nagel, der herausragt, wird in das Brett gehämmert“, heißt ein chinesisches Sprichwort. Für asiatische Menschen hat es einen hohen Stellenwert, sich der Gemeinschaft anzupassen und sich zu integrieren. Das persönliche Glück ist untrennbar mit dem Wohlbefinden der Familie, des Freundeskreises und der Kollegen und Kolleginnen verbunden. Die Suche nach dem eigenen Glück wird negativ bewertet, weil es egoistisch und selbstsüchtig erscheint. Individuelles Glück schadet nach diesem Verständnis den sozialen Beziehungen. Glück ist die Verwirklichung sozialer Harmonie.
 

Der Druck in den sozialen Medien

Eine Ursache für den hohen Glücksanspruch und die Fokussierung auf Glück ist, dass die Welt sehr stark über Medien wahrgenommen wird. Viele Menschen orientieren sich nicht mehr so sehr daran, wie sie selbst oder ihre Freunde und Freundinnen die reale Welt erleben, sondern wie sie in Filmen, Zeitschriften und sozialen Medien dargestellt wird. Dass Menschen Glück und Unglück erleben und lange Phasen, in denen man sich auf einer unspektakulären Emotionsebene bewegt, ist die Realität, doch in den Medien entsteht ein anderes Bild: Dort ist Glück dauerpräsent. Besonders in den sozialen Medien werden überwiegend glücklich lächelnde Menschen und besondere Momente gepostet. Und das hat Auswirkungen auf die Glückserwartung und den Glücksanspruch.
 


Die Auffassung, dass jeder selbst für sein eigenes Glück verantwortlich ist, macht alle unglücklichen Menschen zu Versagern.



Die amerikanische Wissenschaftlerin für Theologie und Soziologie Donna Freitas hat an mehreren Colleges untersucht, welchen Einfluss soziale Medien auf junge Menschen haben (Freitas 2017). 2013 und 2014 hat sie Hunderte von Studenten und Studentinnen an 13 sehr unterschiedlichen amerikanischen Colleges und Universitäten befragt. Die Studierenden berichteten übereinstimmend, unter welchem Druck sie stehen, glücklich wirken zu müssen, weil Glück und Erfolg die sozialen Medien beherrschen. Mit dem Posten von glücklichen Momenten bekommt man viele Likes – und das wirkt sich auf das eigene Wohlgefühl aus. Zeichen von Traurigkeit oder Verletzlichkeit werden mit Schweigen, Ablehnung oder Mobbing quittiert. „Man muss auf den sozialen Netzwerken glücklich wirken, auch wenn man depressiv ist“, so berichtet eine Studentin.

Doch auch die Studierenden selbst sind unsicher, wie sie auf Posts, in denen Traurigkeit geäußert wird, reagieren sollen – und tendieren dazu, diese nicht zu kommentieren. Eine Studentin erzählt, dass es manchmal schwer auszuhalten sei, all die glücklichen Menschen zu sehen, wenn man sich selbst niedergeschlagen fühlt. Und ein Student erklärt, dass die Postings in sozialen Medien wie eine Marketingkampagne für sich selbst seien. Man spaltet sich damit in zwei Charaktere: die glückliche Person, die man für die sozialen Medien kreiert, und die Person, die man wirklich ist.

Auf TikTok hat sich ein neuer Trend entwickelt, um Glück zu finden. Unter dem Hashtag #luckygirlsyndrome mit Millionen von Followern versuchen die Lucky Girls, durch positive Affirmation alles zu erreichen, was sie glücklich macht. Sie sind der Überzeugung, dass man sich seine Glücksziele nur detailliert vorstellen muss, damit sich dieser Wunsch manifestiert und zur Realität wird.
 

Das Streben nach Glück und seine Folgen

Glücksbücher und Glückszeitschriften geben Tipps, wie man glücklich wird, Glückscoaches unterstützen Menschen auf der Suche nach ihrem Glück und mit Glücksapps kann jeder selbst seinen Glückszustand diagnostizieren und verbessern. Dies alles führt dazu, dass man ständig mit sich und seiner Selbstoptimierung beschäftigt ist. Das eigene Ich steht an erster Stelle und damit auch die Verantwortung für das eigene Wohlergehen. Das Leben wird als machbar und kontrollierbar gesehen.

Die Auffassung, dass jeder selbst für sein eigenes Glück verantwortlich ist, macht alle un­glücklichen Menschen zu Versagern. Man ist nicht nur unglücklich, sondern auch noch selbst schuld daran. Menschen, die es zu Wohlstand und beruflichem Erfolg gebracht haben, neigen dazu, dies sich selbst zuzuschreiben. Es ist eine unbarmherzige Einstellung, denn damit wird anderen, die diesen Erfolg nicht erreichen oder die in prekären Verhältnissen leben, unterstellt, dass sie selbst an ihrer Lage schuld seien. Sie müssten einfach mehr für ihr Glück tun. Die Folge dieser Haltung ist, dass dann kaum ein Anlass besteht, Menschen in sozialen Schwierigkeiten zu helfen. Wer sich hingegen bewusst ist, dass zu einem guten Leben auch eine große Portion Zufallsglück gehört, entwickelt viel eher eine dankbare Haltung. Und Dankbarkeit ist ein wichtiger Schlüssel zum Glück, wie auch in der Glücksforschung immer wieder betont wird.

Glück ist heute ein Gradmesser gelungenen Lebens. Heißt das im Umkehrschluss, dass Menschen, die nicht so glücklich sind oder gar leiden, kein gelungenes Leben haben? Mutter Teresas Tagebücher zeigen, dass sie zutiefst unglücklich war. Hat sie sich nicht genug angestrengt, um glücklich zu sein? Oder war ihr einfach ein sinnerfülltes Leben wichtiger, bei dem es weniger um sie als um andere ging? Es ist anzunehmen, dass Mutter Teresa sich nicht die Frage gestellt hat: Was muss ich tun, um glücklicher zu werden?
 

Glück, Religion und Lebenssinn

Dass die Suche nach Glück heute so bedeutsam ist, liegt auch darin begründet, dass dahinter die Suche nach Sinn steckt. In vielen Umfragen, was der Sinn des Lebens sei, antworten Menschen: „Glücklichsein“. Der Lebenssinn wird im Glück gesucht, weil er sich darüber am leichtesten erschließt. Ein glücklicher Mensch weiß und spürt, dass sein Leben einen Sinn hat. Unglückliche Menschen hingegen stellen sich häufig die Frage: Was hat mein Leben (noch) für einen Sinn? Nicht selten führt die Sinnlosigkeit zum Suizid. Weil heute der Sinn des Lebens im Glück gesehen wird, ist die Suche nach Glück lebenswichtig geworden.

Die Ergebnisse der Glücksforschung zeigen, dass religiöse Menschen glücklicher sind. Möglicherweise hängt dies mit der Sinnsuche zusammen. In allen Religionen bietet Glauben eine Antwort auf die Sinnfrage. Als Gründe, warum religiöse Menschen glücklicher sind, nennt die amerikanische Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky (2008) verschiedene Faktoren: Glaube gibt ein Gefühl der Zugehörigkeit, weil man in einer Gemeinschaft eingebunden ist. Religiöse Menschen kommen mit Schicksalsschlägen besser zurecht, weil sie an einen Sinn hinter dem glauben, was in ihrem Leben geschieht. Sie pflegen ihr Familienleben und haben oftmals einen gesünderen Lebensstil. Auch Vergebungsbereitschaft und Nächstenliebe wirken sich positiv aus, ebenso wie die religiöse Praxis wie Meditation, Rituale und Feste. Dankbarkeit, oft in Form von Dankesgebeten, fördert ebenfalls positive Emotionen. Eine negative Auswirkung hat Religion auf Menschen, die ihr Leben passiv in Gottes Hand legen oder an einen fernen, strafenden Gott glauben.
 

 

Doch ist es der Sinn des Lebens, glücklich zu sein? Nein, denn sonst wäre jedes unglückliche Leben sinnlos. Wichtig ist jedoch, im Leben einen Sinn zu finden. Die Frage nach Lebenssinn ist existenziell, wie der Psychologe und Holocaustüberlebende Viktor Frankl (1905 – 1997) darstellt. Einen Sinn zu finden, ist das, was den Menschen selbst in den furchtbarsten Umständen zu überleben hilft, erklärt Frankl, der Häftling in vier Konzentrationslagern war. Frankl gilt als Begründer der Logotherapie, einer Psychotherapie durch Sinnsuche. Er sieht Glück als Lebenssinn kritisch. Viktor Frankl war der Überzeugung, dass Glück nicht direkt angesteuert werden kann, sondern ein Nebenprodukt ist. Die Sinnhaftigkeit des Tuns führt zu Glück. „Was der Mensch wirklich will, ist letzten Endes nicht das Glücklichsein, sondern ein Grund zum Glücklichsein.“ Viktor Frankl legt in seinen Büchern dar, dass auch in den schwierigsten Lebenssituationen Sinn gefunden werden kann (z. B. Frankl 2018).

Der Sinn des Lebens liegt im Leben selbst. Die Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen macht sein Leben sinnhaft. Jeder Mensch ist unverwechselbar und hinterlässt seine Spuren in der Welt und im Leben von anderen. Der Philosoph Wilhelm Schmid (2007) deutet Sinn als Zusammenhang. Wenn Zusammenhänge erkannt werden, macht das Sinn. Der Sinn kann auf verschiedene Weise erfahren werden, z. B. durch bewusstes Erleben der Sinne, durch die Verbindung mit anderen Menschen oder durch Tun.

Die Herausforderung unserer Zeit ist, dem Glücksverständnis in den Medien kritisch zu begegnen, ganz besonders dem, was in den sozialen Medien gepostet wird. Es ist nicht der reale Alltag, der dort dargestellt wird, sondern es sind die besonderen Momente, der Urlaub am Strand, das genussvolle Essen im romantischen Restaurant, das Feiern mit Freunden und Freundinnen. Ob diese Menschen wirklich glücklich sind, weiß man nicht, denn wir deuten ihr strahlendes Lächeln als Glück. Lächeln und Lachen sind ein Ausdruck von Freude. Eine Befreiung vom heutigen Glückszwang kann das Glücksverständnis der antiken Philosophen sein. Wilhelm Schmid nennt es das Glück der Fülle, ein Glück, das die Vielseitigkeit des Lebens umfasst und auch das Schwere und Schmerzliche einbezieht. Bedeutsamer als ein glückliches Leben ist ein erfülltes Leben.
 

Literatur:

Frankl, V. E.: ... Trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. München 201811 (erstmals erschienen 1946)

Freitas, D.: The Happiness Effect. How Social Media is Driving a Generation to Appear Perfect at Any Cost. New York 2017

Harmening, D.: Wörterbuch des Aberglaubens. Stuttgart 2009

Lyubomirsky, S.: Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main 2008

Meck, S.: Vom guten Leben. Eine Geschichte des Glücks. Darmstadt 2003

Raff, T.: Damit das Glück nicht herausfällt, oder: Wie herum hängt man ein Hufeisen auf?. In: D. Drascek/I. Götz/T. Helebrant/C. Köck/B. Lauterbach (Hrsg.): Erzählen über Orte und Zeiten. Eine Festschrift für Helge Gerndt und Klaus Roth. Münster u. a. 1999, S. 325–343

Schmid, W.: Glück. Alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist. Frankfurt am Main/Leipzig 2007

Thomä, D.: Glück, Revolution und revolutionäres Denken im 18. Jahrhundert. Philosophischpolitische Diskurse in den USA und Frankreich. In: D. Thomä/C. Henning/O. Mitscherlich-Schönherr (Hrsg.): Glück. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart/Weimar 2011, S. 172–182
 

Weiterführende Literatur:

Braun, A.: Glück? – Frag doch einfach! Klare Antworten aus erster Hand. München 2023