Battle-Rap als neuer Mainstream

Andreas Hartmann

Andreas Hartmann ist freier Journalist.

Hip-Hop ist die dominante Jugendkultur und er wird immer erfolgreicher. Gerade jedoch hauptsächlich in seiner Form als Battle- und Gangsta-Rap, in dem es vor allem um Gewalt, das Verkaufen von Drogen und Provokation geht. Doch Hip-Hop ist viel mehr als die Darstellung von Grobheiten und eine Kultur, die sich im steten Wandel befindet.

Printausgabe tv diskurs: 22. Jg., 3/2018 (Ausgabe 85), S. 60-65

Vollständiger Beitrag als:

Es war letztlich vor allem eine einzige Textzeile, mit der die Jugendkultur Hip-Hop samt ihrer für Außenstehende schwer zu dechiffrierenden Codes in Deutschland für Aufmerksamkeit sorgte, wie schon ganz lange nicht mehr. „Mein Körper definierter als der von Auschwitzinsassen“, rappen Farid Bang und Kollegah in ihrem Hit 0815, den sie bei der Verleihung des Musikpreises Echo Anfang April dieses Jahres auch performen durften. Die Folgen sind bekannt: Der Auftritt wuchs von einem kleinen Skandal zu einem großen an und als direkte Konsequenz wurde der Musikpreis am Ende gleich ganz abgeschafft, weil dessen Verantwortliche einsehen mussten, dass ihre Kontrollinstanzen ganz offensichtlich versagt hatten. Eine ganze Nation blickt seitdem erstaunt und irritiert auf ein ganzes Musikgenre und dessen immensen Erfolg und muss feststellen, dass sie überhaupt gar keine Ahnung davon hat, was Jugendliche heute für eine Lieblingsmusik haben, wie diese funktioniert und was für textliche Inhalte sie teilweise hat.

Und inwieweit diese Inhalte auch wirklich das meinen, was sie sagen.

Farid Bang und Kollegah seien sogenannte Battle-Rapper, befinden nun die einen und auch die meisten Battle-Rapper selbst; und in dieser Spielart des Hip-Hops dürfe man nun mal tabulos alles von sich geben, sei jede Provokation erlaubt. Weil das Ganze eine Art Spiel sei, so Marc Leopoldseder, der 13 Jahre lang Redakteur bei einem führenden deutschen Hip-Hop-Magazin war und heute für einen Vertrieb für digitale Musik arbeitet, bei dem es „gerade darum geht, den immer noch krasseren Spruch als der andere Rapper zu haben. Deshalb sind hier die allgemeinen Regeln, was die Moral oder die Ethik der Inhalte angeht, eher aufgehoben.“

Seinen eigenen Körper mit denen der Opfer des Holocausts zu vergleichen, sei demnach nicht wortwörtlich zu nehmen und auch nicht zwangsläufig als antisemitisch zu verstehen, sondern nicht viel mehr als eine besonders gelungene, weil extrem schlagkräftige Textzeile. Marc Leopoldseder sagt dazu:

Du hast im Battle-Rap die Möglichkeit, provozierende Sachen zu sagen, die dir zumindest im Hip-Hop-Umfeld nicht krummgenommen werden. Das wurzelt in dem Competition-Gedanken des Genres, Reimen ist eine Art Wettkampf.“

Gabriele Rohmann, Sozialwissenschaftlerin und Vorstandsvorsitzende des Archivs der Jugendkulturen in Berlin, das sich auf die Forschung zu Jugendkulturen spezialisiert hat, führt dazu ergänzend an:

Battle-Rap ist einfach eine Form der Provokation gegenüber den Erwachsenen. Die Jugendlichen wissen schon, mit was sie die Erwachsenen noch kriegen können, über was sich diese aufregen. Das Reimen derber Texte ist dann deren Form von Abgrenzung.“

Die anderen, die meisten Medienvertreter und letztlich die bürgerliche Mehrheit, mit dieser Praxis des uneigentlichen Sprechens und des gezielten Abzielens auf das Brechen von Tabus im Battle-Rap meist wenig vertraut, pochen darauf, dass jede Kunstfreiheit irgendwo ein Ende haben müsse. Grenzüberschreitende Texte zu indizieren, würde jedoch nichts bringen, glaubt André Peschke, Sozialpädagoge, selbst Rapper, Betreiber eines Hip-Hop-Labels und Autor der vor acht Jahren erschienenen Studie HipHop in Deutschland. Analyse einer Jugendkultur aus pädagogischer Perspektive. Er sagt:

Mit Verboten kriegt man da nichts hin. Dadurch wird diese Form von Rap nur interessanter.“


Wie Hip-Hop zur dominanten Jugendkultur wurde

Hip-Hop, das war für die meisten der heute nicht mehr ganz so jugendlichen Deutschen lange Zeit entweder die harmlose, auch mal spaßige bis gerne durchaus sozialkritische Musik im Stile einer Band wie der Fantastischen Vier, die Anfang der 1990er-Jahre mit Die da!? amerikanischen Sprechgesang eindeutschte und damit einen riesigen Hit landete. Die Folge war ein Boom des deutschsprachigen Hip-Hops. Weniger harmlos wirkte da schon eine Hip-Hop-Berühmtheit wie Bushido, ein Rapper mit einem gut gepflegten Böser-Bube-Image. Bushido ist skandalträchtig und textlich bestimmt nicht immer jugendfrei, wirkt aber am Ende doch eher wie eine schillernde Kuriosität vom Rande der Gesellschaft und erfreute zuletzt vor allem mit bizarren Nachbarschaftsstreitereien in Berlin-Kleinmachnow den Boulevard.
 


Dank des Echo-Skandals jedoch ist klar: Hip-Hop und vor allem Gangsta- und Battle-Rap sind riesig in Deutschland. Und eine Jugendkultur, die sich seit über drei Jahrzehnten auch in Deutschland dynamisch entwickelt hat, ist in einer vermeintlich besonders aggressiven und groben Form gerade präsent wie nie. Und das, obwohl sie nur noch wenig medial verhandelt wird und Gangsta- sowie Battle-Rap auch beim Einsatz im Radio kaum zum Zuge kommen. Farid Bang und Kollegah mit ihren scheinbar antisemitischen, aber auch sexistischen und misogynen Texten sind – das ist nun klar – eben keine kuriosen Randfiguren aus einer jugendkulturellen Nische, sondern ein Massenphänomen.
 

Drogen verticken, anstatt auf dem Basketballplatz abzuhängen

Hip-Hop, so Marc Leopoldseder, „hat immer wieder den Zeitgeist geprägt und in Wellen neue Jugendbewegungen nach sich gezogen. Um die Jahrtausendwende war der Lifestyle, der in dieser Jugendkultur verhandelt wurde, kiffen, zu Hause Freestyle rappen und auf dem Basketballplatz abhängen. Jetzt ist die dominante Form eben gerade Straßen-Rap. Und dessen Themen sind das Verkaufen von Drogen und sich Gedanken darüber zu machen, was man mit der ganzen Kohle machen soll, die man dabei verdient. Gefragt wird auch: Warum verkaufe ich überhaupt Drogen? Weil ich unterprivilegiert bin, aber auch am Luxus teilnehmen will.“

Zu dem Zeitpunkt, in dem vorliegender Text verfasst wird, finden sich in den deutschen Album-Charts neben Platten von Schlagerstars wie Helene Fischer und Michelle dann auch die aktuellen Platten der Rapper Kontra K und Punch Arogunz in den Top Ten und an der Spitze der Hitliste gar das Soloalbum von Gzuz, Mitglied der Hamburger Hip-Hop-Crew 187 Strassenbande. Alle drei Erfolgsmusiker sind Gangsta- und Battle-Rapper, bei allen dreien werden in Texten und Videos die immer gleichen Stereotype vom unterprivilegierten Jungen verhandelt, wie sie auch Marc Leopoldseder beschreibt. Vom Jungen, der sich mit kriminellen Machenschaften und vor allem mit dem Verkauf von Drogen als sozialer Außenseiter den Weg nach oben bereits erkämpft hat, dicke Autos und stets verfügbare Frauen inklusive.
 


„Ich finde es verständlich, wenn sich junge Menschen den Themen zuwenden, die die Gesellschaft generell beschäftigen. Und das ist Geld, Reichtum, materieller Wohlstand und soziale Anerkennung“, sagt dazu Marcus Staiger, der mit seiner Berliner Plattenfirma Royal Bunker schon Ende der 1990er-Jahre wichtig für die Entwicklung des Battle-Raps in Deutschland war. Heute arbeitet er als Hip-Hop-Journalist und glaubt, dass die Wertvorstellungen in den Texten von Battle- und Gangsta-Rap gesellschaftliche Verhältnisse einfach widerspiegeln. „Ich finde diese von Männern dominierte Welt, die hier gezeigt wird, und dass Frauen darin nur am Rande und als sexualisierte Objekte vorkommen, wahnsinnig bedauerlich“, sagt er, „doch Frauen als Sexobjekte und Trophäen zu betrachten, das hat der Straßen-Rap ja nicht exklusiv.“ Das Auto als Statussymbol, willige Frauen, koksen und dazu Sex haben, das seien alles Wunschphantasien, so Marcus Staiger, die nicht nur im Gangsta-Rap, sondern in der gesamten Gesellschaft eine zu große Rolle spielen würden.

Gangsta-Rapper, so beschreibt er das, seien Geschichtenerzähler, die sich mit ihren von Mafia- und Gangsterfilmen entlehnten Darstellungen einfach an den Träumen pubertierender Jugendlicher orientierten. Fragen müsse man sich dabei vor allem, woher denn deren Lust auf Gewalt und die Erniedrigung von Frauen komme. Nicht zuerst der Rap, sondern die Gesellschaft an sich müsse demnach kritisch betrachtet werden. „Rap stellt letztlich eine gewisse gesellschaftliche Realität künstlerisch verfremdet dar“, sagt er.

Das Genre befindet sich damit jedoch nicht außerhalb der Gesellschaft, es ist ein Kind dieser Gesellschaft. Und vielleicht dasjenige, das am deutlichsten anspricht, was in ihr falschläuft. Es wird offensichtlich, dass sich gesellschaftlich etwas ändern muss, damit Sexismus und Gewaltverherrlichung in den Raptexten nicht mehr vorkommen. Denn es ist ja nicht so, dass die Raptexte die Jugendlichen erziehen würden, sie verstärken Effekte nur.


Die Säulen des Hip-Hops

Doch um wirklich zu verstehen, warum Hip-Hop so derart groß geworden ist, muss man seinen Blick erweitern und auf mehr schauen als bloß auf die derzeitige Dominanz von Gangsta- und Battle-Rap. Der mag derzeit eindeutig am erfolgreichsten sein, vor allem in kommerzieller Hinsicht, ist aber letztlich doch nur ein Stück vom Hip-Hop-Kuchen. „Es gibt ja auch sehr viel positiven Hip-Hop“, meint André Peschke. Er führt als Beispiele etwa den erfolgreichen Rapper Marteria an, der vor ein paar Jahren einmal sagte, er würde heute lieber angeln gehen, als Drogen und Alkohol zu konsumieren. Oder Cro, der sich immer hinter einer Pandabärenmaske versteckt und auch sonst eher harmlos wirkt. Anhaltend erfolgreich ist er trotzdem bereits seit einigen Jahren. „Man hat heute so viele verschiedene Stilrichtungen im Hip-Hop, aus denen man sich etwas heraussuchen kann, sodass man sich auch als Erwachsener nicht schämen muss, wenn man sagt, man stehe auf Rap“, sagt Peschke. Auch zusammen mit seinem 5-jährigen Sohn höre er Rap im Auto, „und der kennt schon die Texte und kann die mitrappen. Manche Schimpfwörter, die verwendet werden, schneide ich heraus, aber in vielen Stücken sind durchaus auch gute textliche Inhalte zu finden.“
 


Hip-Hop ist eben nicht gleich Hip-Hop. Und vor allem mehr als bloß Gangsta- und Battle-Rap. Viel mehr. Darauf weist auch Gabriele Rohmann hin. „Hip-Hop ist ein riesiges Feld“, sagt sie, „bestehend aus verschiedenen Säulen, die sich in den letzten Jahrzehnten allerdings weitgehend verselbstständigt haben. Graffiti, eine der Säulen, ist heute eine eigene Szene, wenn man so will. Genauso Rap und das DJing. Aber auch der Tanz hat sich ausdifferenziert: Man spricht heute nicht mehr von Breakdance, sondern von Urban Dance, mit dem alle möglichen Stile verbunden werden. Warum Hip-Hop aktuell so groß ist, hängt schon mit diesen Säulen zusammen. Eigentlich kann man ja sagen, man hat es hier mit vier oder gar fünf verschiedenen Jugendkulturen zu tun – wenn man das Beatboxen auch noch als eigene Säule hinzu nimmt –, die sich im Hip-Hop bündeln.“

Hip-Hop, diese kulturelle Praxis unterprivilegierter Schwarzer, die Ende der 1970er-Jahre im New Yorker Armutsviertel Bronx und schnell in immer mehr Ghettos amerikanischer Großstädte entwickelt wurde, ist also eigentlich viel mehr als Raptexte mit zweifelhaften bis bewusst provozierenden Inhalten, die aktuell die Debatte über Hip-Hop beherrschen. Rap wurde historisch sogar als letzte der vier oder fünf Säulen des Hip-Hops entwickelt, von denen Gabriele Rohmann spricht. Man kam in den Ghettos der amerikanischen Städte eben irgendwann darauf, dass es mehr Spaß macht, auf Straßenpartys zu tanzen, wenn zur Musik noch einer richtig für Stimmung sorgt und am Mikrofon Parolen rappt.

Die Frage nach dem Inhalt dieser Texte spielte zu den Anfängen des Hip-Hops kaum eine Rolle.

Und auch, als Hip-Hop Anfang der 1980er-Jahre langsam in Deutschland wahrgenommen wurde, geschah das vor allem über die Breakdance-Welle, die 1983 zu uns schwappte. Zuerst lernte man, im Hip-Hop-Stil zu tanzen – was ein Rapper ist, bekamen die meisten in Deutschland erst später mit.
 

Die Zersplitterung der Szene

Allerdings erodiert dieses Gefüge mit den Säulen des Hip-Hops, die eine Einheit bilden, schon seit einer ganzen Weile. Hip-Hop habe sich seit dem Beginn der Nullerjahre „aufgesplittet in viele Subszenen, die immer stärker nebeneinander existieren“, meint Marc Leopoldseder, „die Homogenität von früher gibt es nicht mehr.“ Und Gabriele Rohmann glaubt: „Für manche, eher für die Älteren der Szene, gehören die Säulen des Hip-Hops immer noch zusammen. Für andere dagegen ist das nicht mehr so, für die ist Hip-Hop gleich Rap oder Hip-Hop gleich Graffiti. Es gibt inzwischen auch Leute, die machen Graffiti und hören dazu nicht mal mehr unbedingt Hip-Hop, sondern vielleicht Hardcore.“ Und auch André Peschke ist sich sicher: „Graffiti, Breakdance und Beatboxing gehören heute immer weniger mit zum Hip-Hop. Ich glaube auch nicht, dass die neue Generation der Hip-Hop-Fans daran noch viel Interesse hat. Was sich gut vermarkten lässt, ist letztendlich Rap – und das erklärt auch seinen Erfolg. Mit Rap kann man am besten ein Image aufbauen und auch Kleider und Accessoires verkaufen, was auch nicht unwichtig ist, denn viele Rapper haben längst auch eigene Klamotten-Kollektionen, die sie mitvermarkten. Der Kleidungsstil im Hip-Hop hat sich ja auch geändert. Man zieht sich nicht mehr so hip-hop-typisch an wie früher, Kapuzenpulli und dazu weite XL-Ghetto-Look-Hosen. Heutzutage sind die Hosen wieder enger und ein Rapper wie Cro gibt sich extrem modisch.“
 

Rappen kann jeder

Die zunehmende Popularität von Rap hat jedoch noch weitere Gründe als die bereits genannten. Im Vergleich zu anderen klassischen Jugendkulturen wie Punk oder gar den Mods „ist Hip-Hop eine relativ junge Jugendkultur und damit einfach noch frischer, neuer als andere Jugendkulturen“, gibt Gabriele Rohmann zu bedenken. Auch Marc Leopoldseder glaubt: „Hip-Hop entwickelt sich extrem schnell und das macht ihn so aufregend. Er steht für stetige Veränderung und ist immer der neue Kommentar zur aktuellen Zeit.“

Er glaubt aber auch, dass Hip-Hop ganz grundsätzlich eine Kultur ist, zu der Jugendliche einfach sehr leicht Zugang finden.

Hip-Hop zielt auf den Bauch und die Beine und funktioniert in allen Lebenslagen. Beim Autofahren unterhält er dich, beim Sport pusht er dich auf und auf der Party kann man super zu ihm tanzen.“

Außerdem sei „die Einstiegsschwelle niedrig. Rapmusik zu machen, ist eigentlich relativ leicht: Man muss dafür keine musikalische Ausbildung haben, man muss auch nicht gut singen oder ein Instrument spielen können. Hip-Hop ist überall auf der Welt so erfolgreich, weil man hier relativ schnell zu akzeptablen Ergebnissen kommt. Salopp gesagt: Jeder, der bis vier zählen kann und weiß, was ein Reim ist, kann prinzipiell Rap machen. Auch Leute ohne gesellschaftliche Privilegien können sich dadurch leicht eine Stimme und einen Platz in der Gesellschaft geben.“

Als sich Hip-Hop in Deutschland ab Ende der 1980er-Jahre langsam als eigenständige Szene entwickelte, war es jedoch noch nicht so leicht, Zugang zu ihr zu finden. „Man brauchte einen guten Draht nach Amerika und musste gut Englisch verstehen, um zu kapieren, um was es in dieser Kultur geht. Die ersten deutschen Hip-Hopper waren deswegen alles Gymnasiasten aus der Mittelschicht“, sagt Marc Leopoldseder. Die Situation, in der nun der deutschsprachige Gangsta- und Battle-Rap gedeihe, sei nun jedoch eine ganz andere als damals, glaubt er.

Die Sprache, in der gerappt und in der die Hip-Hop-Kultur vermittelt wird, ist jetzt ganz selbstverständlich Deutsch und deshalb ist der Zugang zu dem Genre nicht mehr so schwierig. Damit ist Hip-Hop nun auch in Deutschland dort gelandet, wo er eigentlich herkommt: in der Unterschicht.“

Und bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Hip-Hop war bei diesen schon immer populär, schließlich biete der, so Gabriele Rohmann, „sehr viele Anschlussmöglichkeiten für Menschen verschiedenster Herkunft. Das hat auch mit dem Hintergrund zu tun, vor dem Hip-Hop einst entstanden ist, mit Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen junger Menschen in den USA. Menschen, die selbst Diskriminierungserfahrungen erleben, fühlen sich dann einfach gut aufgehoben im Hip-Hop.“
 


Bei der Entwicklung von Hip-Hop in Deutschland waren Jugendliche mit Migrationshintergrund von Beginn an beteiligt, etwa Torch von der Heidelberger Hip-Hop-Combo Advanced Chemistry. Doch erst der riesige Erfolg von Rappern mit Migrationshintergrund wie Bushido, dem Offenbacher Rapper Haftbefehl oder von Farid Bang hat aus deutschem Hip-Hop eine Jugendkultur werden lassen, die den Traum verkörpert, dass man es in ihr auch als Migranten-Kid nach ganz oben schaffen kann. Die einst eher marginalisierten Rapper mit Migrationshintergrund sind jetzt wichtige Stimmen im Genre und gehören ganz selbstverständlich mit dazu. Marc Leopoldseder glaubt: 

Hip-Hop ist eigentlich ein Spiegelbild der Gesellschaft, nur in jung und deutlich migrantischer geprägt. In der Gesellschaft sehen sich die Jugendlichen mit Migrationshintergrund an den Rand gedrängt, im Hip-Hop dagegen bilden sie sozusagen den Mainstream.“


Wie es weitergeht

Aber wie genau wird es nun weitergehen? Kommt nach Gzuz, dem neuen deutschen Hip-Hop-Superstar, dem bereits attestiert wird, die Verherrlichung von Gewalt und Kriminalität auf ein neues Level gehoben zu haben, eine weitere Steigerung in der Darstellung von gesellschaftlicher Verrohung? „Nicht unbedingt“, glaubt Marc Leopoldseder. „Die Akzeptanz in der Gesellschaft gegenüber Hip-Hop verläuft in Zyklen“, glaubt er. „Rap war in Deutschland mit einigen Ausnahmen lange Zeit eine totale Untergrundkultur, Ende der Neunziger boomte er, dann gab es eine Flaute, dann tauchten Anfang der Nullerjahre Bushido und das Berliner Hip-Hop-Label Aggro mit all seinen Provo-Rappern auf, dann gab es wieder eine Flaute, dann kam der Erfolg positiver Rapper wie Cro und Materia, dann gab es erneut eine Flaute und jetzt gibt es wieder diesen Boom und so geht das wahrscheinlich weiter.“

Die Entwicklung von Hip-Hop verläuft demnach in Wellenbewegungen. Das glaubt auch André Peschke:

Hip-Hop in der Form von Straßen-Rap bleibt bestimmt noch eine Weile lang erfolgreich, bis es dann vielleicht wieder etwas Neues gibt, das ganz anders ist als das gerade aktuelle.“