Jenny Schneider
Als am 31. August 2009 RTL mit Familien im Brennpunkt ein Format startete, das wie abgefilmte Realität wirkte, tatsächlich aber nach einem Drehbuch und von Laien gespielt wurde, folgte vor allem von seiten der öffentlich-rechtlichen Sender und der Landesmedienanstalten ein Sturm der Entrüstung: Die Zuschauer würden bewusst getäuscht, gerade das jüngere Publikum könne kaum erkennen, dass es sich nur um eine Pseudodoku handle, es könne das Gespielte für Realität halten. Das führe bei Heranwachsenden zu einer Realitätsverzerrung. Sie würden ein falsches Normalitätskonzept entwickeln, da die Handlungen ausschließlich aus absurden Konflikten bestünden und die Dialoge kreischend in vulgärer Sprache geführt würden. Man ging davon aus, dass dieses „Lügenfernsehen“ eine stärkere Wirkung bei den Zuschauern erziele als solche Formate, die eindeutig als Fiktion erkennbar seien. In einer von Dr. Maya Götz durchgeführten Studie wurde zudem inhaltsbezogene Kritik deutlich. Zur Überprüfung der öffentlich geäußerten Beanstandungen führte die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) 2012 eine exemplarische Inhaltsanalyse durch, um herauszufinden, welche Rolle Scripted Reality bei der Entwicklung eines Normalitätskonzepts spielt. Nach der Inhaltsanalyse wurden Jugendliche dazu befragt, wie sie Scripted Reality verstehen. Die Auswertung der Interviews liegt nun vor und soll hier kurz dargestellt werden.
Printausgabe tv diskurs: 17. Jg., 4/2013 (Ausgabe 66), S. 74-77