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Emotionen in der Gesundheitskommunikation

Anne Bartsch, Andrea Kloß

Emotionen beeinflussen maßgeblich die Art und Weise, wie das Publikum mit Gesundheitsbotschaften umgeht. Gefühle wie Angst, Wut, Freude oder Empathie sind nicht nur Nebenprodukte der Informationsverarbeitung, sondern sie können Einfluss darauf nehmen, wie Rezipient:innen eine Medienbotschaft wahrnehmen und verarbeiten. Neuere Studien, die sich mit gemischten Emotionen oder der Abfolge von Emotionen im Rezeptionsverlauf von Gesundheitsbotschaften beschäftigen, zeigen, wie komplex und vielschichtig diese Abläufe sind.

Printausgabe tv diskurs: 25. Jg., 4/2021 (Ausgabe 98), S. 30-33

Vollständiger Beitrag als:

 

Einleitung

Mit Gesundheit und Krankheit stehen zwei Themen im Fokus der Gesundheitskommunikation, die für Menschen von großer emotionaler Bedeutung sind. Kaum etwas ist beängstigender als der Gedanke, von einer schweren, lebensbedrohlichen Krankheit betroffen zu sein. Erkrankungen anderer können starkes Mitgefühl auslösen, insbesondere, wenn nahe Angehörige, Freunde oder Kinder betroffen sind. Positive Gesundheitsinformationen und Genesungsfortschritte können dagegen Freude und Hoffnung hervorrufen. Mitunter ärgern wir uns auch über die Selbsteinschränkungen, die ein gesundheitsbewusstes Verhalten im Alltag mit sich bringt – vor allem, wenn wir von anderen aufgefordert werden, problematische Gewohnheiten wie Rauchen, Alkoholkonsum oder Bewegungsmangel zu ändern.

Auch im Erleben der Rezipient:innen von Gesundheitsbotschaften spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Sie sind dabei mehr als nur ein Nebenprodukt der Informationsaufnahme und -verarbeitung. Emotionen können ihrerseits Rückwirkungen auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Gesundheitsbotschaften entfalten, beispielsweise indem sie die Aufmerksamkeit der Rezipient:innen auf die Botschaft lenken, zu einer gründlichen Verarbeitung der Botschaft motivieren oder Einstellungs- und Verhaltensänderungen begünstigen. Mitunter können Emotionen aber auch kontraproduktive Wirkungen entfalten – etwa wenn sich Rezipient:innen durch die Botschaft unter Druck gesetzt fühlen und mit Ärger und Gegenargumenten reagieren.


Was sind Emotionen und wie entstehen sie?

„Emotion“ ist ein Begriff, unter dem sich jeder etwas vorstellen kann. Die meisten denken dabei an Angst, Wut, Freude, Trauer oder Liebe und haben eine klare Vorstellung, was es bedeutet, diese Emotionen zu erleben. Aus wissenschaftlicher Sicht entstehen Emotionen durch das koordinierte Zusammenwirken verschiedener Subsysteme des menschlichen Organismus, die als Emotionskomponenten bezeichnet werden (Scherer 2005, S. 697). Hierzu gehören:

  1. die kognitive Komponente, die die Wahrnehmung und Bewertung des emotionsauslösenden Ereignisses beinhaltet;
  2. die physiologische Komponente, die körperliche Veränderungen wie Hormonausschüttung, Muskeltonus, Herzfrequenz etc. umfasst;
  3. die Verhaltenskomponente, die emotionsbedingte Motivationen und Handlungsimpulse beinhaltet;
  4. die Ausdruckskomponente, die den verbalen und nonverbalen Emotionsausdruck umfasst sowie
  5. die subjektive Komponente, die im bewussten Erleben von Gefühlszuständen besteht. (ebd.)


Im Vergleich zu anderen Affektzuständen wie Stimmungen oder Einstellungen zeichnen sich Emotionen dadurch aus, dass sie auf konkrete Ereignisse bezogen sind, die als relevant für wichtige Belange des Organismus bewertet werden und mit entsprechenden Handlungsimpulsen verbunden sind.

Emotionen entstehen relativ abrupt, können vorgängige Denk- und Handlungsprozesse unterbrechen und sind von relativ kurzer Dauer und starker Intensität (Scherer 2005).

Zu den emotionsauslösenden Bewertungen zählen u.a. die Neuheit, Angenehmheit, Zielrelevanz, Kontrollierbarkeit, Gewissheit und normative Beurteilung der Situation (ebd.). Emotionen im Alltag beziehen sich in der Regel auf eine konkrete Situation, die mit positiven oder negativen Konsequenzen für die eigene Person verbunden ist. Bei Emotionen im Medienkontext kommt oft ein stellvertretendes Emotionserleben hinzu, bei dem die Situationsbewertung aus der Perspektive der dargestellten Personen vorgenommen wird.

Im Kontext der Gesundheitskommunikation spielen Emotionen eine wichtige Rolle, da sie aufgrund ihrer kognitiven und motivationalen Komponenten die Informationsverarbeitung und die Motivation zur Verhaltensänderung beeinflussen können (Bartsch/Kloß 2019). Die folgenden Abschnitte geben einen Überblick über konkrete Emotionen und Forschungskontexte, in denen diese Emotionen im Bereich der Gesundheitskommunikation untersucht wurden.


Forschungsbefunde zu Emotionen in der Gesundheitskommunikation


Furcht

Furcht und Angst sind Emotionen, die mit negativen Bewertungen und Empfindungen verbunden sind und daher von Rezipient:innen im Alltag nach Möglichkeit vermieden werden. Dennoch werden Furchtappelle in der Gesundheitskommunikation genutzt, um die Ernsthaftigkeit von Gesundheitsrisiken zu unterstreichen und Verhaltensänderungen zu motivieren (Hastall 2010; Nabi/Myrick 2019). Die Wirksamkeit von Furchtappellen ist allerdings in der Forschung nicht unumstritten (Hastall 2010). Furcht und Risikobewusstsein an sich sind wenig zielführend, sofern sie nicht dem Erleben von Selbstwirksamkeit verbunden sind, d. h. mit der Gewissheit einfach umzusetzender Handlungsoptionen, um der Bedrohung wirksam zu begegnen. Andernfalls können Furchtappelle die Wirksamkeit der Botschaft abschwächen oder gar zu unerwünschten negativen Reaktionen führen (ebd.).


Ärger

Einer der Gründe, warum Furchtappelle zu negativen Reaktionen führen können, ist der Ärger der Rezipient:innen über Gesundheitsbotschaften, die als bevormundend oder manipulativ empfunden werden. Das Konzept der Reaktanz (Dillard/Shen 2005) beschäftigt sich mit dem Widerstand des Publikums gegen Überzeugungsversuche, die als Einschränkung der persönlichen Freiheit wahrgenommen werden und dadurch zu Bumerangeffekten führen können – was bedeutet, dass die Botschaft das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erreicht. Befunde von Shen (2011) zu Rauchentwöhnungskampagnen verdeutlichen, dass die Wirksamkeit von Furchtappellen dadurch geschmälert wird, dass solche Botschaften nicht nur das Risikobewusstsein, sondern auch die Reaktanz der Rezipient:innen (in Form von Ärger und negativen Gedanken über die Botschaft) erhöhen. Wenn Rezipient: innen Gesundheitsbotschaften als Angriff auf ihre persönliche Freiheit wahrnehmen und Reaktanz entwickeln, tendieren sie dazu, die Ursache der Bedrohung abzuwerten oder die Gefahr ganz zu verleugnen (Dillard/Shen 2005).


Empathie und Traurigkeit

Eine Möglichkeit, um Reaktanzeffekte zu umgehen, sind Empathieappelle, die Gesundheitsrisiken unter dem Aspekt des Leidens anderer darstellen. Statt der Bedrohung für die eigene Person werden hier die negativen Folgen für andere hervorgehoben. In der bereits erwähnten Studie von Shen (2011) zur Rauchentwöhnung zeigte sich eine höhere Effektivität von Empathieappellen gegenüber Furchtappellen, da diese mit einer verringerten Reaktanz verbunden waren. Reaktanzeffekte wie Ärger und das Gefühl, manipuliert zu werden, können auf diese Weise reduziert und es kann eine höhere Bereitschaft zur Verarbeitung der Botschaft erreicht werden (ebd.).

Ein weiterer Bereich, in dem Empathieappelle von Bedeutung sind, ist die Reduktion von Vorurteilen und sozialen Stigmata gegenüber Menschen mit Krankheiten und körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Nach dem Empathy-Attitude-Modell (Batson/Chang/Orr/Rowland 2002) kann das Empfinden von Empathie für individuelle Mitglieder einer stigmatisierten Gruppe prosoziale Einstellungs- und Verhaltensänderungen gegenüber der Gruppe insgesamt hervorrufen. Dies zeigte sich u.a. im Kontext der Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen (Hecht/Kloß/Bartsch, im Druck). Empathieappelle in Botschaften zur Entstigmatisierung von Menschen mit Krankheiten und körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen können somit dazu beitragen, die soziale Integration und Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.


Humor

Auch Humor wird in Gesundheitsbotschaften eingesetzt, etwa bei Themen wie Krebsvorsorge, Suizidprävention oder Geschlechtskrankheiten, da humorvolle Gesundheitsanzeigen mehr und länger Aufmerksamkeit generieren (Blanc/Brigauda 2014). Auch negative Reaktionen wie Reaktanz oder defensive Verarbeitung im Zusammenhang mit Furcht können durch Humor abgeschwächt werden; Humorappelle können allerdings auch dazu führen, dass der Kern der Botschaft nicht ernst genommen wird und entsprechende Verhaltenseffekte ausbleiben (Bartsch/Kloß 2019).


Sympathie

In einigen Gesundheitskampagnen werden beliebte Schauspieler:innen, Sportler:innen oder andere Prominente als Sympathieträger eingesetzt, da ihre Beliebtheit die Akzeptanz der Gesundheitsbotschaft positiv beeinflussen kann (Brown/Basil/Bocarnea 2003). Dieser positive Effekt wird auf Sympathiefaktoren zurückgeführt, die im Zusammenhang mit dem Konzept der parasozialen Beziehungen (ebd.) untersucht wurden. Parasoziale Beziehungen sind emotionale Bindungen, die Rezipient:innen mit realen oder fiktiven Personen aufbauen, obwohl sie die Person nur aus den Medien kennen. Körperliche und soziale Attraktivität der Medienperson, wahrgenommene Ähnlichkeit mit der eigenen Person, aber auch eine Wunsch-Identifikation mit Eigenschaften, über die der Rezipient selbst nicht verfügt, können zu solchen Sympathieeffekten beitragen (ebd.).


Gemischte Emotionen

Medienbotschaften lösen oft mehrere Emotionen gleichzeitig oder nacheinander aus. Interessant sind dabei insbesondere Kombinationen positiver und negativer Gefühle (z.B. Traurigkeit und Freude), die als gemischte Emotionen bzw. gemischter Affekt bezeichnet werden (Myrick/Oliver 2014). Gemischte Emotionen werden häufig im Zusammenhang mit Empathie erlebt und können dementsprechend Reaktanzeffekten entgegenwirken und prosoziale Einstellungs- und Verhaltenstendenzen begünstigen. So zeigte sich in einer Studie von Myrick und Oliver (ebd.) zur Hautkrebsvorsorge ein positiver Einfluss gemischter Emotionen auf Empathie sowie auf die Akzeptanz von Präventionsmaßnahmen wie Sonnenschutz und die Bereitschaft, die Botschaft an andere weiterzuleiten.

Positive Stimmungen und Gefühle können Rezipient:innen außerdem helfen, beängstigende, aber wichtige Informationen zu verarbeiten, da die gute Stimmung ihnen das Gefühl gibt, sich die Auseinandersetzung mit unangenehmen Wahrheiten „leisten zu können“. Beispielsweise waren starke Kaffeetrinker:innen eher bereit, Botschaften zu gesundheitsschädlichen Wirkungen von Kaffein eingehend zu verarbeiten, wenn sie zuvor in eine positive Stimmung versetzt wurden (Das/Fennis 2008).


Aufeinanderfolgende Emotionen

Im Zusammenhang mit gemischten Emotionen wurde auch die Bedeutung der Abfolge unterschiedlicher Emotionen innerhalb einer Botschaft untersucht. Nabi und Myrick (2019) bezeichnen dies als „Emotional Flow“. So kann beispielsweise eine Kombination von Furchtappellen mit Selbstwirksamkeitsinformationen aufeinanderfolgende Gefühle der Furcht und Hoffnung auslösen (ebd.). Furchtgefühle, die zunächst wichtig sind, um die Ernsthaftigkeit von Gesundheitsrisiken zu vermitteln, werden durch den hoffnungsvollen Ausblick aufgehoben. Zudem ist das Gefühl der Hoffnung mit einer aktivierenden Motivationstendenz verbunden, die Präventionsverhalten bestärken kann.
 

Fazit

Die Bandbreite an Forschungsthemen aus dem Bereich der Gesundheitskommunikation, die im Zusammenhang mit Emotionen untersucht wurden, verdeutlicht das enge Ineinandergreifen von Emotionen mit anderen Wirkungsfaktoren im Rezeptionsprozess. Im Zusammenhang mit negativen Emotionen wurde einerseits der Einfluss von Furcht und Traurigkeit auf die ernsthafte, tiefergehende Verarbeitung von Gesundheitsbotschaften und die Motivation zu einer Verhaltensänderung untersucht. Andererseits zeigten sich aber auch Bumerangeffekte, die durch Ärger und Reaktanz entstehen können. In Bezug auf positive Emotionen wie Freude, Humor und Zuneigung stehen vor allem abmildernde Effekte im Mittelpunkt des Forschungsinteresses, die den Rezipient: innen die Auseinandersetzung mit unangenehmen Wahrheiten erleichtern sollen, unter Umständen aber auch von einer ernsthaften Verarbeitung der Botschaft ablenken können. Empathie als eine Emotion, die auf das Wohlergehen anderer ausgerichtet ist, kann Rezipient:innen motivieren, nicht nur sich selbst, sondern auch andere vor gesundheitlichen Risiken zu schützen und Stigmata und Vorurteile gegenüber Erkrankten abzubauen. Oft werden in der Forschung nur einzelne Emotionen aus dem komplexen Prozess des emotionalen Medienerlebens herausgegriffen und gezielt untersucht. Neuere Studien, die sich mit gemischten Emotionen oder der Abfolge von Emotionen im Rezeptionsverlauf beschäftigen, verdeutlichen jedoch die Komplexität und Vielschichtigkeit von Emotionen im Kontext der Gesundheitskommunikation.
 

Literatur:

Bartsch, A./Kloß, A.: Emotionen in der Gesundheitskommunikation. In: C. Rossmann/M. Hastall (Hrsg.): Handbuch der Gesundheitskommunikation. Kommunikationswissenschaftliche Perspektiven. Wiesbaden 2019, S. 257 – 267

Batson, C. D./Chang, J./Orr, R./Rowland, J.: Empathy, attitudes, and action: Can feeling for a member of a stigmatized group motivate one to help the group? In: Personality and Social Psychology Bulletin, 12/2002/28

Blanc, N./Brigauda, E.: Humor in print health advertisements: Enhanced attention, privileged recognition, and persuasiveness of preventive messages. In: Health Communication, 7/2014/29, S. 669 – 677

Brown, W. J./Basil, M. D./Bocarnea, M. C.: The influence of famous athletes on health beliefs and practices: Mark McGwire, child abuse prevention, and Androstenedione. In: Journal of Health Communication, 1/2003/8, S. 41 – 57

Das, E./Fennis, B. M.: In the mood to face the facts: When a positive mood promotes systematic processing of self-threatening information. In: Motivation & Emotion, 3/2008/32, S. 221 – 230

Dillard, J. P./Shen, L.: On the nature of reactance and its role in persuasive health communication. In: Communication Monographs, 2/2005/72, S. 144 – 168

Hastall, M. R.: Furchtappelle im Gesundheitsmarketing. In: S. Hoffmann/S. Müller (Hrsg.): Gesundheitsmarketing: Gesundheitspsychologie und Prävention. Bern 2010, S. 201 – 214

Hecht, M./Kloß, A./Bartsch, A.: Stopping the stigma: How empathy and reflectiveness can help reduce mental health stigma. In: Media Psychology, im Druck

Myrick, J. G./Oliver, M. B.: Laughing and crying: Mixed emotions, compassion, and the effectiveness of a YouTube PSA about skin cancer. In: Health Communication, 8/2014/30, S. 820 – 829

Nabi, R. L./Myrick, J. G.: Uplifting fear appeals: Considering the role of hope in fear-based persuasive messages. In: Health Communication, 4/2019/34, S. 463 – 474

Scherer, K. R.: What are emotions? And how can they be measured? In: Social Science Information, 4/2005/44, S. 695 – 729

Shen, L.: The effectiveness of empathy – versus fear-arousing antismoking PSAs. In: Health Communication, 5/2011/26, S. 404 – 415
 

Dr. Anne Bartsch ist Professorin für empirische Kommunikations­- und Medienforschung an der Universität Leipzig.

Dr. Andrea Kloß ist Professorin für Journalismus und Medienmanagement an der Macromedia University of Applied Sciences, Leipzig.