Death is Served

The Serialization of Death and Its Conceptualization Through Food Metaphors in US Literature and Media

Stella Castelli

Bielefeld 2023: transcript
Rezensent/-in: Lothar Mikos

Buchbesprechung

Printausgabe mediendiskurs: 27. Jg., 3/2023 (Ausgabe 105), S. 88-90

Vollständiger Beitrag als:

Tod in amerikanischen Serien und Literatur

Die Schweizer Amerikanistin Stella Castelli befasst sich in ihrer englischsprachigen Dissertation mit der Faszination, die der Tod auf die amerikanische Kultur und ihren künstlerischen Ausdruck ausübt. In Anlehnung an Arbeiten des französischen Philosophen Michel Foucault diagnostiziert sie ein „Todesparadox“ („death paradox“) – angesichts der Sprachlosigkeit gegenüber dem Tod entwickelt sich eine ästhetische Produktivität, die sich aus der kulturellen Imagination speist. Auf diese Weise entsteht in der amerikanischen Kultur eine serielle Narration, die den Tod als seriellen Text produziert und reproduziert. Als Castelli die Ästhetisierung des Todes in kulturellen Erzählungen mit dem „Hunger“ der Amerikaner nach seriellen Todesdarstellungen in Literatur, Film und Fernsehen begründet, führt sie das erste Mal eine Metapher aus der Ernährung ein. Diese Faszination für den ästhetisierten Tod sieht die Autorin als die dunkle Seite des allgegenwärtigen amerikanischen Optimismus.

In fünf Kapiteln setzt sich Castelli mit unterschiedlichen kulturellen Produkten auseinander, von den literarischen Todeserzählungen Edgar Allan Poes und den Inszenierungen des Todes in Bret Easton Ellis’ American Psycho über filmische Variationen des Todes in den Filmen der Scream-Reihe, den Tarantino- und Zombiefilmen bis hin zu Serien wie Twin Peaks, iZombie und Hannibal. Die amerikanische (Pop‑)Kultur hat eine Fülle von ästhetisierten Vorstellungen des Todes zu bieten. Gerade in der Serialisierung zeigt sich, dass es sich um eine ebenso populäre wie machtvolle Erzählung handelt. Gerade weil der Tod als unbewusster Wunsch erscheint, entwickelt sich ein Appetit oder Hunger darauf. Dabei spielen Leichen eine wichtige Rolle, weil sie zwar tot sind, aber das Leben noch an ihnen zu entdecken ist. Der metaphorische Hunger auf den ästhetisierten Tod zeigt sich konkret in den Zombiefilmen und ‑serien, denn die Untoten haben großen Appetit auf die Lebenden. Ähnlich geht es den Lebenden in den Rachefilmen von Quentin Tarantino, denn sie wollen die Objekte ihrer Rache tot sehen. Dabei geht es in seinen Filmen nicht nur um persönliche Rache, sondern auch um kollektive Vergeltung.

Wenn man, wie die Autorin, der Essensmetapher folgt, dann kulminiert die ästhetische Darstellung des Todes in der Figur des Kannibalen. Für ihn haben Leichen eine besondere Bedeutung, denn sie sind nicht nur Gegenstand von forensischen Untersuchungen oder das achtlos liegen gelassene Ziel von Rachefeldzügen, sondern stehen im Zentrum des Hungers. Das Verzehren der Leichen(teile) wird zu einem Ritual des Essens („dinner ritual“), das von einer gewissen Kultivierung oder Raffinesse zeugt. Der Kannibale inszeniert gewissermaßen die Essensmetapher, aber das Essen der Leichen verliert in der konkreten Handlung seinen metaphorischen Charakter.

Für die Autorin stellen Filme und Serien mit Serienkillern die ultimative ästhetische Ritualisierung des Todes dar. Castelli konstatiert, dass die Filme der Scream-Reihe als Blaupause für das Serienkiller-Narrativ gelten können, übersieht dabei aber, dass sich die Filmreihe direkt auf zahlreiche andere Filme bezieht, in denen Serienkiller im Zentrum der Narration stehen. Während der Kannibale noch durch seine Kultiviertheit gekennzeichnet ist, steht beim Serienkiller die Wiederholung des Tötens als Spektakel im Zentrum. Hier zeigt sich, dass die Ästhetisierung des Todes am Ende zu keiner Befriedigung führt, sondern lediglich zu einer Wiederholung des immer Gleichen.

Stella Castelli bietet interessante Gedanken zu der amerikanischen (Populär‑)Kultur und ihrer Faszination für den Tod. Die Essensmetapher stellt sie als These in den Raum und arbeitet sich daran ab. Kurios wird es, wenn sie in ihren finalen Gedanken den Aufbau des Buches mit einem mehrgängigen Dinner vergleicht, vom Aperitif (Poe und Twin Peaks) über das Amuse-Bouche (Zombies), Vorspeise (Tarantinos Rachefilme), Hauptgang (Kannibalen) bis zum Dessert (Serienkiller). Die Idee der Essensmetapher wird mehr als strapaziert. Auch der Gedanke vom sogenannten „Todesparadox“ wird immer wieder hervorgeholt. Auf diese Weise ist das Buch ausgesprochen redundant. Zudem wird die Auswahl der Literatur, Filme und Serien nicht weiter begründet. Sie erscheint eher zufällig. Die Beispiele dienen scheinbar nur als Belege für These und Argumentation der Autorin. So dreht sich Castelli eigentlich nur im Kreis und kommt immer wieder auf ihre Idee der Essensmetapher in Bezug auf die ästhetischen Darstellungen des Todes zurück. Der Erkenntnisgewinn des Buches ist eher gering zu veranschlagen. Wenn man es hingegen als literarischen Essay wahrnimmt, hat es einen gewissen Unterhaltungswert.

Prof. i. R. Dr. Lothar Mikos