Der Aufmacher

Erweiterte Neuausgabe mit einem aktuellen Nachwort von Georg Restle

Günter Wallraff

Köln 2022: Kiepenheuer und Witsch
Rezensent/-in: Tilmann P. Gangloff

Buchbesprechung

Printausgabe mediendiskurs: 27. Jg., 1/2023 (Ausgabe 103), S. 97-98

Vollständiger Beitrag als:

„Schneller, lauter, hemmungsloser“

In den späten Siebzigern hat „Bild“ mit einer Auflage von 6 Mio. Exemplaren die heute kaum fassbare Zahl von 11 Mio. Leserinnen und Lesern erreicht. Wie das Blatt funktioniert, hat Günter Wallraff in seinem 1977 erschienenen Buch Der Aufmacher geschildert. Mit der Digitalisierung hat das Springer-Blatt seine Vormachtstellung als Hetzorgan verloren. Die digitale Revolution, schreibt Georg Restle, Leiter des Politmagazins Monitor (WDR), im Nachwort zur Neuauflage, „habe sich wie ein Turbolader auf den Journalismus“ ausgewirkt: „schneller, lauter, hemmungsloser“ (S. 318). Aber selbst, wenn die Zeitung im Vergleich zur überdrehten digitalen Konkurrenz „wie ein nervöses altes Schlachtross“ (Restle, S. 319) erscheint: „Bild“ ist nicht zuletzt dank des eigenen Internetauftritts sowie Bild TV immer noch ein Machtfaktor. Auch deshalb ist Wallraffs Buch nach wie vor aktuell, denn das Blatt ist die Urmutter jenes publizistischen Populismus, aus dessen Schoß schließlich die AfD gekrochen ist; kein Wunder, dass „Bild“ als einziges klassisches Medium am rechten Rand als Sprachrohr akzeptiert wird. Wallraffs Berichte lesen sich heute noch genauso spannend wie damals. Die eigentliche Bedeutung des Werkes offenbarte sich ohnehin erst später: Der Springer-Verlag überzog den Autor mit Klagen. Einige der damit verbundenen Urteile waren maßgeblich für das nach wie vor gültige Verständnis der durch Art. 5 des Grundgesetzes gewährleisteten Pressefreiheit.

Tilmann P. Gangloff