Der Digital Services Act (DSA) tritt in Kraft
Ähnlich wie das NetzDG soll der DSA auf Online-Plattformen und in sozialen Medien Hassbotschaften verhindern oder zumindest reduzieren. Im Visier des Gesetzes stehen vor allem die großen Plattformen, die monatlich über 45 Mio. aktive Nutzerinnen und Nutzer aufweisen. Für sie gelten strengere Regeln als für kleine Unternehmen. Nach einer Einstufung durch die EU im April betrifft das derzeit 19 Anbieter, darunter Amazon Marketplace, Apple AppStore, Booking.com, Facebook, Google Play, Instagram, LinkedIn, Pinterest, Snapchat, TikTok, X (Twitter), YouTube und Zalando. Diese Unternehmen mussten bis zum Inkraftttreten des DSA ihre Geschäftsbedingungen für jedermann verständlich formulieren. Online-Marktplätze wie Amazon oder Alibaba AliExpress sollen Maßnahmen ergreifen, um gefälschte Artikel (Kleidung, Schmuck, Spielzeug etc.) so gut es geht aus ihrem Angebot zu entfernen, Käuferinnen und Käufer sollen von den Plattformen entsprechend gewarnt werden. Außerdem müssen die Plattformen verdächtige kriminelle Aktivitäten den Strafverfolgungsbehörden melden, sollten sie diese bemerken (vgl. Beckmann 2023).
Die EU will gegen folgende Problemfälle vorgehen: „Ein zentrales Anliegen ist der Handel und der Austausch illegaler Waren, Dienstleistungen und Online-Inhalten. Online-Dienste werden auch von manipulativen algorithmischen Systemen missbraucht, um die Verbreitung von Desinformation zu verstärken, und für andere schädliche Zwecke. Diese Herausforderungen und die Art und Weise, wie Plattformen sie angehen, haben erhebliche Auswirkungen auf die Grundrechte im Internet.“ (EU 2023)
Große Plattformen werden direkt von der EU überwacht
Die großen Plattformen und Suchmaschinen werden von einer neuen Institution der EU direkt überwacht und müssen illegale Beiträge schnell löschen, in der Regel innerhalb von 24 Stunden. Weiterhin müssen sie der EU-Kommission regelmäßig detailliert Bericht über die Risiken erstatten, die für die Bürgerinnen und Bürger in Europa bestehen. „Diese Risikobewertungen sind umfangreich und könnten womöglich weitreichende Folgen für die Dienste haben. Sie müssen etwa ihre Empfehlungs- und sonstige algorithmische Systeme unter die Lupe nehmen, ihre Moderation von Inhalten untersuchen und offenlegen, wie sie personalisierte Werbung ausspielen. Sollte sich herausstellen, dass sie dabei systemische Risiken eingehen, müssen sie diese Systeme anpassen. Die ersten Risikoeinschätzungen werden Mitte des Jahres fällig.“ (Reuter 2023)
Wie will man die Risiken realistisch bewerten?
Ob diese Risikoeinschätzung aber realistisch gelingt, kann bezweifelt werden: „Snapchat oder YouTube müssen also zum Beispiel prüfen, ob ihr Angebot Cybergewalt fördert, die Meinungsfreiheit untergräbt oder sich ihr Algorithmus negativ auf die menschliche Psyche auswirkt. Entsprechend müssen die Unternehmen dann Maßnahmen ergreifen.“ (Tagesschau 2023) Ob solche Risiken aber tatsächlich sicher prognostiziert werden können, ist eher unwahrscheinlich und wird zudem sehr von der Persönlichkeit der Nutzer abhängen. So wird seit Jahren diskutiert, ob mediale Gewaltdarstellungen bei den Nutzern zu mehr realer Gewalt führen – bisher mit widersprüchlichem Ergebnis. Es gibt Mediensucht, ebenso Depressionen bei negativen Reaktionen in sozialen Netzwerken – aber eben nur vereinzelt.
Kleinere Plattformen werden nicht von der EU, sondern von den Mitgliedsstaaten kontrolliert. In Deutschland ist die Bundesnetzargentur dafür zuständig und spricht von etwa 5.000 Anbietern, für die sie sich zuständig fühlt. Aber auch andere Behörden wie die Landesmedienanstalten oder das Bundesamt für Justiz wollen in der Sache mitreden. Man kann nur hoffen, dass daraus keine Konkurrenzen entstehen und die koordinierte Zusammenarbeit klappt.
Einschränkungen auch für personalisierte Werbung
Auch die Werbung wird eingeschränkt. Anzeigen, die auf sensiblen Daten wie der Religion oder politischen Überzeugungen basieren, sind verboten, ebenso das Sammeln personenbezogener Daten von Kindern und Jugendlichen zu Werbezwecken. Außerdem müssen Plattformen künftig mehr Informationen über ihre Arbeitsweise preisgeben.
„Für die Online-Anbieter wird das deutlich mehr Arbeit und deutlich mehr Aufwand bedeuten, für die Kommission auch. Wer gegen die europäischen Regeln verstößt, dem drohen empfindliche Geldstrafen. Wann tatsächlich allerdings ein Verstoß vorliegt, wann etwas gelöscht werden muss, und wie hoch möglicherweise ein Strafgeld ausfällt, darüber muss im Einzelfall entschieden werden. Im Zweifel vor Gericht.“ (Beckmann 2023) Als Obergrenze für die Bußgelder sind 6 % des Jahresumsatzes des jeweiligen Unternehmens vorgesehen. „Für den Onlineriesen Amazon wären das mehr als 28 Milliarden Euro, gemessen am Umsatz des vergangenen Jahres. Als letztes Mittel kann die EU-Kommission einen Onlinedienst unter dem neuen Gesetz sogar sperren.“ (Magoley 2023)
Was unternehmen die Konzerne?
Meta hat nach eigenen Angaben zur Bewältigung der Arbeit in Zusammenhang mit dem DSA nach eigenen Angaben ein Team von 1000 Mitarbeitern bereitgestellt. Google verspricht bezüglich seiner Richtlinien mehr Transparenzund will in seinem Ads Transparency Center Informationen über die Werbetreibenden bereitstellen. TikTok hat angekündigt, für Nutzer in der EU einen weniger personalisierten Algorithmus mit mehr Transparenz hinsichtlich Werbeanzeigen auf der Plattform einzuführen. (vgl. Spiegel 2023)
Aber es gibt auch Widerstand bei den Verkaufsplattformen. „Nach Zalando hat auch Amazon Klage gegen die Einstufung als sehr große Internetplattform eingereicht. Wenn andere große Einzelhändler nicht ebenfalls unter die damit verbundene verschärfte Regulierung fielen, wäre dies eine unfaire Behandlung, teilte der US-Onlinehändler mit. Das Unternehmen bezweifelt demnach, eine Very Large Online Platform (VLOP) im Sinne des EU-Digitalgesetzes DSA zu sein. Daher solle ein Gericht die Einstufung widerrufen.“ (Zeit online 2023)
Laut EU haben Klagen keine aufschiebende Wirkung für die Umsetzung der strengeren Regeln. Außerdem gehe es nicht nur um Hassrede, Desinformation und Cybermobbing, sondern auch um Maßnahmen gegen die Einfuhr illegaler oder unsicherer Produkte.
Quellen:
Beckmann, H.: Digital Services Act. Was illegal ist, muss raus aus dem Netz. In: Tagesschau,25.08.2023.Abrufbarunter: www.tagesschau.de
Deutscher Bundestag: Recht. Bundestag beschließt Gesetz gegen strafbare Inhalte im Internet. In: Deutscher Bundestag, 30.06.2017. Abrufbar unter: www.bundestag.de
Europäische Union: Das Paket des Digital Services Act. In: Europäische Kommission, o. J. Abrufbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu (Letzter Zugriff: 28.08.2023)
Magoley, N.: Digital Services Act: Mehr Sicherheit im Netz?. In: WDR-Nachrichten, 25.08.2023. Abrufbar unter: www1.wdr.de
Reuter, M.: Liste der EU-Kommission: Das sind die „sehr großen Online-Plattformen“, die unter den Digital Services Act fallen. In: Netzpolitik.org, 25.04.2023. Abrufbar unter: https://netzpolitik.org
Spiegel: Digital Services Act. Was das neue EU-Gesetz für Plattformen und Nutzer bedeutet. In: Spiegel Netzwelt, 25.08.2023. Abrufbar unter: www.spiegel.de
Tagesschau: Neues EU-Gesetz, Welche Regeln nun für Facebook & Co. gelten. In: Tagesschau, 25.08.2023. Abrufbar unter www.tagesschau.de
Zeit: Europäische Union: Amazon reicht Klage gegen Digital Services Act ein. In: Zeit Online, 11.07.2023. Abrufbar unter: www.zeit.de