Dexter ist bei euch!

Ein Serienkiller als Spiegel unseres Wertesystems

Torsten Körner

Im 20. Jahrhundert geht alles in Serie, auch der Serienkiller. Er wird zur Mythenfigur einer Medienöffentlichkeit, die nach immer neuen aufregenden Geschichten und schaurigen Gestalten sucht. Zugleich ist der Serienkiller ein Gesellschaftsdiagnostiker, weil an und mit ihm verhandelt wird, was seinen Hass stimuliert und wie wir mit seinen Augen die Gesellschaft sehen. Dexter ist unser Sei-bei-Uns, unsere hochwillkommene ethische Provokationsfigur, unser Bewährungshelfer und unser emotionaler Entlastungsgefährte. Er ist ein Held für die postheroischen Zeiten und eine böse Parodie auf unser beschleunigtes Leben in digitalen Zeiten. Kurz vor dem Burn-out entspannen wir uns mit Dexter, der selbst immer am Rande der totalen Erschöpfung balanciert, zerrissen von Unvereinbarkeit: echt sein, falsch sein, lieben, töten, Windeln wechseln, Leichen zersägen, Blut deuten und Blut vergießen.

Printausgabe tv diskurs: 17. Jg., 4/2013 (Ausgabe 66), S. 84-87

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