„Die Bundesnetzagentur regelt das.“
Wie weit ist Ihre Behörde mit den Vorbereitungen bei der Einrichtung der Koordinierungsstelle?
Wir konnten ja schon seit Monaten erahnen, dass da eine Aufgabe auf uns zukommt. Als im letzten Herbst die Bundesregierung den Gesetzentwurf beschlossen hat, haben wir gesagt, das ist jetzt der späteste Zeitpunkt, um einen sogenannten Aufbaustab vorzubereiten. Dieser hat die ganzen letzten Wochen und Monate einmal mit der Europäischen Kommission zusammengearbeitet und dann mit den anderen 26 digitalen Servicekoordinatoren der Europäischen Union. Außerdem haben wir uns auch schon in Deutschland mit den Kolleginnen und Kollegen beim Bundeskriminalamt, bei den Datenschützern und bei den Landesmedienanstalten vernetzt. Insofern kann man sagen: Wir sind startbereit.
Noch gibt es in Person den Koordinator nicht. Bis dahin sind das erst einmal Sie, Herr Müller, als Chef der Bundesnetzagentur. Wann wird der Koordinator ins Amt kommen?
Es braucht eine Stelle im Haushaltsplan, die im letzten Haushalt noch nicht geschaffen worden ist. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die mit der Arbeit schon anfangen können. Die Leitung dieser Einheit wird dann erst im nächsten Jahr besetzt werden können. Und so lange wird der Präsident der Bundesnetzagentur diese Aufgabe übernehmen. Das schaffen wir aber.
Die Meldestelle soll einen niederschwelligen Zugang bieten, das heißt, es soll unkompliziert sein, seine Beschwerde einzureichen. Wie kann man sich das praktisch vorstellen? Wie geht man da als Userin vor?
Wenn man z.B. im Internet ein Haushaltsgerät bestellt hat, das technisch nicht sicher ist, oder man in den sozialen Netzwerken übel beleidigt wird und das Gefühl hat, dass die Plattform das auch nach wiederholter Erinnerung nicht löscht oder nicht dagegen vorgeht, dann kann man sich auf dieser Seite melden. Wir können das überprüfen und an die zuständige Behörde in Deutschland weiterleiten, sodass es für die Verbraucherinnen einfach ist. Die Bundesnetzagentur regelt das und sorgt dafür, dass es hinter den Kulissen bei der richtigen Stelle ankommt.
Die Bundesnetzagentur regelt das und sorgt dafür, dass es hinter den Kulissen bei der richtigen Stelle ankommt.“
Wie Sie erwähnten, gibt es in Deutschland verschiedene Institutionen, die sich mit der Regulierung von Plattformen beschäftigen. Die Landesmedienanstalten tun das im Rahmen des Medienstaatsvertrags. Diese sind diesbezüglich auch schon tätig geworden. Dann haben wir außerdem die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, die vor allem präventiv arbeiten soll. Und es gibt europäische Institutionen, die auch noch für die Regulierung der Plattform verantwortlich sind. Wie kann man sich denn die Zusammenarbeit dieser verschiedenen Institutionen konkret vorstellen?
Da macht nach wie vor jeder das, was er auch schon bisher gut verantwortet hat. Das neue Gesetz gibt dem Ganzen eine Hülle, wenn man so sagen will. Einen Koordinator. Das heißt alles, was jetzt an neuen Verfahren und Regularien aus Brüssel kommt, wird von uns an die richtigen Behörden kommuniziert. Oder umgekehrt. Aus allen 27 Ländern werden in Brüssel Vorfälle gesammelt und können dann gegenüber den großen Plattformen mit vereinter Kraft auch durchgesetzt werden. Das alles soll aber die Bürgerin, den Bürger gar nicht interessieren müssen. Sie sollen eine einfache Adresse haben. Das ist die Bundesnetzagentur. Und die Frage behördlicher Zuständigkeiten, das regeln wir dann mit den Kolleginnen und Kollegen.
Und wird es auch transparenter? Bisher wird immer beklagt, dass Entscheidungen der Plattformen nicht nur sehr lange dauern, wenn sie überhaupt kommen, sondern dass sie auch nicht transparent sind. Bei Facebook zum Beispiel hat es einen massiven Personalabbau gegeben, was zur Folge hatte, dass man mit Autorespondern kommunizieren muss. Das wird jetzt schneller und transparenter werden?
Ob es schnell geschieht, das werden wir versuchen, das können wir noch nicht versprechen. Das liegt an den Plattformen. Aber es gibt das Instrumentarium. Und es gibt zwei weitere wichtige Errungenschaften des Digitalen-Dienste-Gesetzes oder des europäischen Pendants.
Es wird einerseits sogenannte Trusted Flaggers, also vertrauenswürdige Akteure, geben. Das können zivilgesellschaftliche Organisationen sein oder andere, die sagen, wir haben sehr, sehr viel Erfahrung zum Beispiel mit Hatespeech im Netz oder aber vielleicht auch im Bereich von Marktpiraterie und ähnlichen Themen. Diese Akteure bekommen einen besonderen Zugang, mit dem sie die Themen schon einmal vorstrukturieren können.
Die zweite Errungenschaft ist ein Zugang für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, denn es ist natürlich enorm wichtig, dass sich nicht nur Behörden mit den Plattformen auseinandersetzen und diese analysieren, sondern eben auch die Wissenschaft. Alles muss noch implementiert werden, darum kann ich nicht versprechen, dass das morgen oder übermorgen schon alles klappt. Aber das wird jetzt alles europaweit abgestimmt, vorbereitet und damit wollen wir mehr Transparenz, auch mehr Verbraucherschutz auf den Plattformen sehen.
Das neue Gesetz gibt dem Ganzen eine Hülle, wenn man so sagen will. Einen Koordinator. Das heißt alles, was jetzt an neuen Verfahren und Regularien aus Brüssel kommt, wird von uns an die richtigen Behörden kommuniziert. “
Herr Müller, woher erfahre ich denn als Userin, dass es Sie gibt? Wie kommunizieren Sie das nach außen? Über Plakatwerbung? Oder wie erfahren die Menschen davon, außer dass wir es hier gerade medial besprechen?
Genau damit haben Sie mir vielleicht einen Punkt schon vorweggenommen. In der Tat, wir vertrauen darauf, dass es ein mediales Interesse gibt. Und sobald es natürlich Erfolge gibt. EU-Kommissar Thierry Breton hat schon im letzten Herbst für die Kommission gesagt, dass mit der Plattform X, vormals Twitter, ein erstes Verfahren geprüft wird, wegen der Meinungsbeiträge rund um den Angriff der Hamas. Er hat jetzt gerade angekündigt, dass gegen TikTok ein Verfahren eröffnet werden soll, da es die Plattform darauf anlegt, Nutzer:innen süchtig zu machen. Und wenn es da Erfolge und Ergebnisse gibt, können wir das transparent machen und es spricht sich vielleicht auch rum. Von unserer Seite wird es keine Kampagne, keine Plakatkampagne geben; so gut sind wir finanziell nicht ausgestattet. Aber Organisationen im Verbraucherschutz, bei der Stiftung Warentest, in der Zivilgesellschaft, oder der Wissenschaft werden die Information weitergeben, dass man sich bei bestimmten Problemen an die Bundesnetzagentur wenden kann. Vor allem bei strukturellen Problemen.
Der Digital Services Act (DSA) soll die Medien und Meinungsfreiheit schützen, was für die bevorstehende Europawahl am 9. Juni besonders relevant ist. Man fragt sich allerdings, was der DSA und das Digitale-Dienste-Gesetz hier in Deutschland mit Blick auf diese Wahlen tatsächlich bewirken können? Kritik kam z.B. von der Organisation AlgorithmWatch, die bedauert, dass das Gesetz wohl zu spät kommt, um eine Wirkung zur Europawahl zu entfalten. Wie bewerten Sie das?
Ja, das ist eine legitime Kritik. Der Digital Services Act ist auf europäischer Ebene schon am 17. Februar in Kraft getreten. Insofern ist die EU-Kommission schon ein bisschen weiter. Wir in Deutschland hinken ein bisschen hinterher. Darum ist das leider eine berechtigte Kritik. Die EU-Kommission hat sogenannte Integritätsrichtlinien für Wahlen veröffentlicht, in denen sie sagt: Ihr Plattformen müsst bestimmte Qualitätskriterien zur Information von Wahlen, zu algorithmisch basierten Empfehlungen, zu politischer Werbung, zur Löschung von Fake Accounts und Bots, zu Deep Fakes auf den Weg bringen. Und das werden wir natürlich versuchen, jetzt mit Blick auf den Juni, auch noch mit in Deutschland umzusetzen. Aber ja, weil wir auch noch nicht das Personal haben, weil wir Erfahrungen sammeln müssen, haben wir zwar jetzt schon angefangen, mit den Plattformen auch in Deutschland zu sprechen und das vorzubereiten. Wir sprechen auch mit den Parteien, um uns bekannt zu machen, für den Fall, dass Kandidatinnen und Kandidaten Probleme haben. Aber es wäre vermessen, das jetzt für die Europawahl zu versprechen. Richtig, das hätte man sich früher gewünscht. Aber jetzt nicht hinterhergucken, sondern nach vorne schauen.
Wie stellen Sie sich denn auf diese Landtagswahlen ein? Welche Vorkehrungen treffen Sie?
Wir führen jetzt schon Gespräche mit den Plattformen, da, wo es Ansprechpartner in Deutschland gibt. Das gilt nicht für alle, aber doch für einige. Wir lassen uns ihr Qualitätsmanagement, ihr Beschwerdemanagement vorführen und gleichen das ab. Die EU-Kommission hat bereits einen sogenannten Stresstest für Wahlen durchgeführt. Was passiert z.B., wenn auf Plattformen das Gerücht geht, die Wahlen fallen aus? Da würden manche Menschen drüber lachen, aber andere sind vielleicht verunsichert. Die Kommission bereitet solche Szenarien mit den Digitale-Dienste-Koordinatoren in den verschiedenen EU-Ländern und den großen Plattformen vor, damit alle wissen, wir gucken hin und wir erwarten von ihnen, dass sie hier einen Beitrag zu ihrer Verpflichtung leisten.
Und dann machen wir uns natürlich bekannt bei den Parteien oder auch interessierten Verbänden, die eben sagen, da gibt es eine Fehlmeldung über die Partei XYZ. Dann kann man das bei den Plattformen melden und wir können überprüfen, wie sie damit umgehen. Diese systemischen Risiken müssen jetzt anders gehändelt werden als in der Vergangenheit.
Was wir jetzt machen, ist ein erster, ein machtvoller Schritt, der diesen internationalen Plattformen, die ja in der Regel eben nicht europabasiert sind, dass denen klar wird, wenn ihr in Europa Geschäfte machen wollt, dann müsst ihr euch an europäisches Recht halten.“
Wie bewerten Sie insgesamt das Potenzial des DSA? Er ist ja nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, zumindest mit Blick auf die großen Plattformen wie Facebook oder X. Wir wissen doch, dass die Geschäftsmodelle dieser Plattformen klickbasiert sind und immer ein Stück weit dafür sorgen werden, dass dort vielleicht auch fragwürdige Inhalte gepusht werden.
Ich glaube, wir sollten nicht so vermessen sein zu versprechen, dass sich das Übel damit an der Wurzel packen lässt. Was wir jetzt machen, ist ein erster, ein machtvoller Schritt, der diesen internationalen Plattformen, die ja in der Regel eben nicht europabasiert sind, dass denen klar wird, wenn ihr in Europa Geschäfte machen wollt, dann müsst ihr euch an europäisches Recht halten. Und dafür ist der Digital Services Act ein ganz erster wichtiger Schritt. Der ist nicht perfekt, aber er ermöglicht, Erfahrungen zu sammeln. Und mit den Bußgeldern, die im Digitalservice verankert sind, kann es sehr teuer werden. Die EU-Kommission ist fest entschlossen, hier auch durchzugreifen.
Das Gespräch fand im Rahmen der Sendung Breitband am 27. April 2024 statt.
Klaus Müller (Foto: © Bundesnetzagentur)
Vera Linß (Foto: Jörg Wagner)