Die digitale Selbstvermessung des Menschen

Medizinische und ethische Perspektiven

Joachim von Gottberg im Gespräch mit André T. Nemat

Seit Längerem werden immer mehr Uhren, Armbänder und entsprechende Apps für das Smartphone angeboten, die beim Nutzer den Puls, den Blutdruck, die Herztätigkeit und das Bewegungsprofil kontrollieren. Was noch vor einigen Jahren mit aufwendiger Technik bei Fachärzten erhoben wurde, kann ein Gerät am Handgelenk in wenigen Sekunden einigermaßen zuverlässig ermitteln. Wird die digitale Privatmedizin den Besuch eines Arztes demnächst weitgehend überflüssig machen? Was passiert mit den massenhaft gesammelten Daten und wie wird sich das Gesundheitssystem ändern? Mit den medizinischen und ethischen Folgen der Selbstvermessung beschäftigt sich der Mediziner Dr. André T. Nemat, Gründer und Managing Partner des Institute for Digital Transformation in Healthcare an der Universität Witten/Herdecke.

Printausgabe tv diskurs: 25. Jg., 4/2021 (Ausgabe 98), S. 43-47

Vollständiger Beitrag als:


Ich habe eine Uhr, die mir den Sauerstoffgehalt des Blutes mitteilt, ich kann ein EKG erstellen, meinen Schlaf überwachen und erfahre, ob ich genügend atme oder durch Schnarchen zu wenig Sauerstoff aufnehme. Ein Armband misst alle zwei Stunden automatisch meinen Blutdruck. Haben Sie so etwas auch?

Ich habe eine analoge, automatische Uhr, die mir mein Vater vor Jahren geschenkt hat. Aber ich kann mich sehr gut an den ersten Patienten erinnern, der vor ein paar Jahren in meiner Sprechstunde sein Handy auf den Tisch legte und meinte, da seien jetzt all seine relevanten Daten drauf. Mittlerweile kommen in jeder Sprechstunde Patienten mit ihren Fitbits oder Apple Watches und hoffen, dass der Doktor mit den Daten etwas anfangen kann. Der Patient kann so erstmals Selbstkontrolle ausüben: Er vermisst und kontrolliert sich selbst und gewinnt so Autonomie. Und das bringt ihn in der Kommunikation mit dem Arzt auf einen höheren Informationsstand. Jeder Erstbesuch beim Arzt ist mittlerweile die Einholung einer Zweitmeinung, weil zuvor bereits Dr. Google konsultiert wurde.

Ist das für den Arzt nicht auch manchmal nervig? Da glaubt ein Patient fest an eine Diagnose, die möglich, aber sehr unwahrscheinlich ist?

Sie meinen das Phänomen des gefährlichen Halbwissens? Der Arzt muss sich viel mehr Zeit nehmen, um den Patienten wieder auf den Pfad seiner eigenen Situation zu bringen und die Befunde zu erklären. Das ist eine neue Herausforderung an die Gesprächsführung und die Empathie, um schon gefestigte, aber falsche Selbstdiagnosen aus dem Weg zu räumen. Die Frage ist nicht so sehr, ob uns Ärzte das nervt oder stört. Vielmehr haben die Technologie und die Digitalisierung neue Bedürfnisse geschaffen.
 


Jeder Erstbesuch beim Arzt ist mittlerweile die Einholung einer Zweitmeinung, weil zuvor bereits Dr. Google konsultiert wurde.



Nun lösen sich Grenzen langsam auf: Ab wann sind Sie ein Patient? Es geht gar nicht mehr nur darum, einen Krankheitszustand wieder in einen normalen Gesundheitszustand zu überführen, sondern Sie können bereits einen bestehenden gesunden Zustand verbessern, aufrüsten oder „enhancen“, wie man im Neudeutschen sagt. Es geht nicht mehr nur um die Vermeidung oder Heilung von Krankheit, sondern um die Verbesserung des allgemeinen Zustandes.

Durch eine Vermengung von Technologie und Mensch schaffen wir eine Entwicklung jenseits der bisher tradierten Gesundheitsvorstellungen. Und dafür braucht es erst einmal Instrumente der Selbstvermessung, um dann mithilfe algorithmischer Intelligenz weitere Handlungsanweisungen abzuleiten, die sich aus dieser Selbstvermessung ergeben.

Je früher der Mensch seinen Bluthochdruck erkennt, desto besser sind die Heilungschancen?

Genauso ist es. Wenn wir den Alterungsprozess als eine Art chronische „Erkrankung“ verstehen, dann werden wir dem Ziel eines langen und gesünderen Lebens näher kommen. Prädiktion und Prävention beflügeln den Traum von „Unsterblichkeit“. Aber Achtung: Bedingt durch die technologischen Möglichkeiten der Selbstvermessung und die konsequente, lebenslange Erhebung und Nutzung von Daten besteht auch die Gefahr, dass Prävention zur Bürgerpflicht wird.

In Zukunft wird es immer einfacher und bequemer sein, ein gesundes Leben zu führen. Sämtliche Informationen über unsere Körperfunktionen, wie z.B. über den Blutdruck, stehen uns kontinuierlich 24/7 zur Verfügung. Risiken lassen sich immer genauer abschätzen und berechnen. Erkrankungen verlieren das Schicksalhafte. Sie können aus Ihren gemessenen Daten bereits Konsequenzen ziehen und etwas unternehmen, bevor Sie überhaupt krank werden. Es geht um Krankheitsvermeidung und effektive Prävention. Und genau darin liegt die Chance für jeden Einzelnen von uns.

Aber das kann auch folgenreiche Veränderungen für unsere sozialen Versicherungssysteme mit sich bringen. Gesunde bzw. diejenigen, die die technologischen Möglichkeiten nutzen, könnten einwenden: Warum soll ich eigentlich noch so viel für meine Krankenversicherung zahlen und warum muss ich diejenigen mitfinanzieren, die sich nicht an die Hinweise ihrer Apps halten. Es stellen sich ethische Fragen, mit denen wir uns bereits heute beschäftigen müssen.

Was passiert mit den Daten, die durch die App-Anbieter erhoben werden? Brauchen wir hier einen politischen Diskurs, der letztlich gesetzliche Grenzen definiert? Beispielsweise ein Verbot, dass Krankenkassen Zugriff auf diese Daten erhalten?

Wir haben hier ein Dilemma: Die Technologien müssen „convenient“, bequem und anwenderfreundlich sein. Das hat dazu geführt, dass wir z.T. sehr sorglos und offen mit unseren Daten umgehen. Das ist vor allem bei der Nutzung sozialer Medien der Fall. Das Geschäftsmodell lautet: Du gibst mir deine Daten, dafür bekommst du ein immer besseres und scheinbar kostenloses Produkt. Aber damit wirst du selbst zum Produkt. Das befeuert zwar die Innovationen, aber es bleibt die Frage, was mit all den Daten passiert, wer sie nutzen, aber auch missbrauchen könnte? Wir können uns in Zukunft die Naivität, wie wir mit Daten umgehen, nicht mehr leisten. Jetzt muss man sich tatsächlich überlegen: Was sind mögliche unerwünschte Szenarien? Was passiert da eigentlich und was kaufe ich mir damit ein?
 


Wir können uns in Zukunft die Naivität, wie wir mit Daten umgehen, nicht mehr leisten.



Aber das ist ein bekanntes ethisches Dilemma: Wenn ich nicht alle Daten herausgebe, die eine App verlangt, kann ich den Dienst nicht richtig nutzen.

Das ist derzeit in erster Linie ein technisches Dilemma. Wenn ich meine Daten komplett an ein Technologieunternehmen abgebe, dann kann mir zwar dieses Unternehmen durch bestimmte Verfahren eine Privatsphäre zusichern, aber ich kann nicht souverän über den Umgang mit meinen eigenen Daten entscheiden. Ich kann beispielsweise meinen Daten-Fußabdruck nicht mehr verwischen. Das Facebook-Geschäftsmodell z.B. ist keines, was die Datensouveränität respektiert.

Wir werden an einem Punkt aufwachen, an dem wir das Bedürfnis nach rechtlicher Regulation und politischer Einflussnahme haben und dann merken, wie wirkmächtig diese Algorithmen und die Unternehmen sind, die unsere Daten besitzen. Das ethische Problem wird unsere gesamte Souveränität als Bürger und als Staat infrage stellen. Über das Thema „Datenethik“ wird gegenwärtig sehr intensiv diskutiert, ebenso über alle technologischen Entwicklungen und alle damit befassten Industrien. Das stellt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar.

Könnte man nicht gesetzlich den Grundsatz der Datenspärlichkeit festlegen: Unternehmen dürfen persönliche Daten nur erheben, soweit das für die Geschäftsbeziehung notwendig ist. Mit Gesundheitsapps könnte ich dann über eine Codierung kommunizieren, die ich in meinem Smartphone hinterlege. So könnten meine Daten genutzt werden, ohne sie mit mir konkret in Verbindung bringen zu können. Sie hätten dann einen großen Pool von Daten, aber eben anonym.

So etwas ist nicht nur theoretisch möglich, sondern wird auch schon in der Praxis umgesetzt. Wir sprechen dann von sogenannten Metadaten, die je nach Modell um die persönlichen Datenanteile gekürzt sind. Trotzdem wissen wir, dass jedes Metadatum im Grunde genommen wieder auf seinen Urheber zurückverfolgt werden kann. Solche technologischen Feinheiten wären aber wahrscheinlich lösbar.

Problematisch ist eher die Dynamik der technologischen Entwicklung. Die Geschwindigkeit der Innovationszyklen führt dazu, dass Regulation und die Gesetzgebung mit dieser Dynamik nicht mehr Schritt halten können. In der Welt der Digitalität ist die Gesetzgebung völlig damit überfordert, eine nötige Kontrolle und entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen: Hat sie gerade ein Problem gelöst, gibt es schon mehrere neue Produkte und Dienstleistungen, auf die diese Gesetze nicht passen.
 


Ethik ist viel agiler als die Gesetzgebung: Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.



Deshalb plädiere ich für eine Renaissance der Ethik: Sie ist an dieser Stelle ein Kompass und eine Orientierung, die ein Rahmenwerk, einen internen Gestaltungsraum ermöglicht. Ethik ist viel agiler als die Gesetzgebung: Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Und die Legitimität von bestimmten Produkten, Entwicklungen, Applikationen und dem Umgang mit Daten könnten wir mit den Methoden der Ethik als wertebasierte Anwendungswissenschaft angehen. Dann können wir auch dort tätig werden, wo das Recht immer hinterherhinkt. Und später kann diese Art der freiwilligen Selbstverpflichtung in die Rechtsprechung übergehen und so verbindlich werden.

Die Leitethik der meisten Unternehmen lautet: Gewinne erzielen. Die Einschränkung der Gewinnmargen wird nur dann funktionieren, wenn entsprechender Druck entsteht.

Ja. Leider. Aber bevor wir Druck ausüben können, brauchen wir Aufklärung – und eine breite gesellschaftliche Debatte über die Vor- und Nachteile, über die Wirkungen und Nebenwirkungen dieser Technologien, das, was man Digital Literacy nennt. Diese Fragen betreffen uns Bürger auch im Alltag. Bei entsprechender ethischer Kritik könnten Unternehmen im Sinne einer freiwilligen Selbstverpflichtung einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten garantieren und so dann auch wirtschaftlich erfolgreicher sein.

Wenn Sie als Konsument zwischen mehreren Typen von Vermessungsuhren wählen können, kann eine bessere Datensicherheit für Sie das entscheidende Kaufargument sein. So haben Unternehmen einen Anreiz, aus einem normalen ein ethisch wertvolles Produkt herzustellen. In der Autoindustrie beispielsweise hat die ethische Diskussion über den Klimawandel dazu geführt, dass Pkws mit Verbrennungsmotoren nun zunehmend auf der Müllhalde der Geschichte landen werden. Insofern werden ähnliche Katastrophen aufgrund von Datenmissbrauch zu mehr Vorsicht im Umgang mit Daten führen.

Wie sehen in Zukunft Arztbesuche aus?

Aus der Perspektive eines technologiebegeisterten Arztes sehe ich in all diesen faszinierenden Möglichkeiten wie digitaler Medizin, Telemedizin, der algorithmischen Intelligenz bei bestimmten Diagnoseverfahren – wie z.B. Mustererkennung in Röntgenbildern –, aber auch der Roboterchirurgie einen großen technologischen Fortschritt. Früher war ein diagnostisches Gerät nur in einer Arztpraxis oder in einem Krankenhaus verfügbar, jetzt tragen Sie ein Gerät mit ähnlicher Funktion an Ihrem Handgelenk. Bestimmte ritualisierte Arztbesuche werden damit hinfällig. Das wird unseren Umgang mit der Medizin verändern.
 


Aber menschliche Zuwendung und Vertrauen, die Interaktion zwischen Arzt und Patient:in lassen sich nicht digitalisieren.



Wir werden uns aber auch auf eine Übergangszeit vorbereiten müssen. Tradierte Versorgungsstrukturen können verschwinden, für die es noch keinen adäquaten Ersatz gibt. Aufgrund des demografischen Wandels und vieler ökonomischer Faktoren gehen immer weniger Ärzte in die ländlichen, strukturschwachen Gebiete. Für diese Regionen ist der Zugang zu ärztlicher Expertise z.B. über Telemedizin eine durchaus erstrebenswerte Entwicklung. Man wird vielleicht auch feststellen, dass medizinische Versorgungsprozesse gar nicht so personalintensiv und damit so teuer wie in Krankenhäusern zu sein brauchen. Und das wird hinsichtlich der Kostenreduktion Begehrlichkeiten erzeugen. Aber menschliche Zuwendung und Vertrauen, die Interaktion zwischen Arzt und Patient:in lassen sich nicht digitalisieren. Es darf deshalb aber auch nicht zum Privileg werden.

Darum sollten wir die technologischen Errungenschaften nicht unkritisch einfach über uns ergehen lassen. Wir sollten die Vorteile der Technologie nutzen, aber gleichzeitig die Nebenwirkungen diskutieren, die die Digitalisierung und die Datenwirtschaft mit sich bringen und die wir im Moment noch gar nicht umfassend überblicken können.

Krankheiten haben ja immer auch eine psychosoziale Seite, die nicht allein medizinisch durch ein digitales System zu bearbeiten ist.

Absolut. Empathische Kompetenz wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Wir müssen sicherstellen, dass bei dem Einsatz von Technologie und algorithmischer Intelligenz der Mensch immer im Mittelpunkt bleibt. In den nächsten zwei, drei Jahren ändert sich nicht viel, aber in 15 bis 20 Jahren sollten wir nicht in eine Situation geraten, in der wir uns vielleicht fragen: Wo finde ich im Krankheitsfall menschliche Zuwendung und wo sind eigentlich die ganzen Arztpraxen geblieben?

Kann ein Vermessungstool zukünftig auch ein MRT ersetzen und die digitale Medizin Operationen durchführen?

Was die technologischen Standards angeht: Im Moment schauen wir durch ein Schlüsselloch in die Zukunft. Vieles steckt noch in den Kinderschuhen, aber einiges, wie z.B. die rasante Entwicklung von Impfstoffen mit völlig neuen Methoden, ist bereits möglich. Im Moment sind bestimmte Labor- oder Röntgenuntersuchungen nicht ersetzbar. Aber die Bilder von Röntgen- und computertomografischen Untersuchungen werden bereits mithilfe algorithmischer Intelligenz analysiert und interpretiert. Auch bestimmte Ultraschallgeräte passen schon in die ärztliche Kitteltasche. Operationen werden mithilfe von Robotern immer präziser und schonender durchgeführt. Die technologische Entwicklung schreitet voran. Personalisierte Medizin und Präzisionsmedizin sind bereits möglich. In Zukunft erwarte ich Prädiktions- und Präventionsmedizin.

Neben den Uhren gibt es auch eine Art von Tattoo, das inzwischen den Körper und seine Funktionen vermessen kann …

Es geht dabei um eine Art Aufkleber, der so dünn und so fein ist, dass er auf die Haut geklebt wird und dann aussieht wie ein Tattoo. Darin sind die Halbleiter derart miniaturisiert, dass sie fast keine Höhendimension mehr haben, also sehr flach sind, Sie können diese über längere Zeit tragen. Die Entwicklungen sind auch hier rasant: Sie werden immer feiner, dünner und flexibler, sie können in Hemden, T-Shirts, Hosen, Strümpfen oder Schuhen verbaut werden. Einige Unternehmen haben schon die ersten Prototypen hergestellt. Die Gesundheitssparte von Google Alphabet hat eine Augenkontaktlinse entwickelt, die u.a. aus der Tränenflüssigkeit den Blutzucker messen soll – eine enorme Erleichterung für Millionen von Diabetikern, die sich dann nicht mehr in den Finger piksen müssen.

Es gibt in Zukunft wohl eine Art digitalen Zwilling. Was können wir uns darunter vorstellen?

Wenn in der Automobilindustrie neue Automodelle entwickelt werden, geschieht das bereits ausschließlich auf dem Reißbrett. Und das betrifft nicht mehr nur das Design, sondern den gesamten Lebenszyklus dieses Fahrzeugs inklusive Zulieferer und Materialeigenschaften. So können Sie das Auto schon testen und simulieren, ohne dass Sie je auch nur eine Schraube angefasst haben. Die Sensorik, die in den Autos verbaut ist, gleicht die Daten in Echtzeit ab und erkennt, ob in Zukunft ein technisches Problem entstehen wird. In der Automobilindustrie wird das als Predictive Maintenance bezeichnet.
 


Ihre Uhr könnte Ihnen irgendwann sagen, dass Sie mit der gegenwärtigen Ernährung und dem Zigarettenkonsum bei gleichbleibend wenig Bewegung mit einer Wahrscheinlichkeit von 93,7 % innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre einen Herzinfarkt erleiden werden.



Wird das in Zukunft auch beim Menschen durch Selbstvermessung möglich sein? Wenn von Geburt an alle messbaren Daten erhoben werden, so lässt sich durch die große Datenmenge ein digitales Abbild des Selbst erschaffen. Aus diesem humanen digitalen Zwilling können sich ähnliche Präventionsmaßnahmen ableiten lassen, wie jetzt schon in der Automobilindustrie zu beobachten ist. Ihre Uhr könnte Ihnen irgendwann sagen, dass Sie mit der gegenwärtigen Ernährung und dem Zigarettenkonsum bei gleichbleibend wenig Bewegung mit einer Wahrscheinlichkeit von 93,7 % innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre einen Herzinfarkt erleiden werden. Sie wissen, was passiert, wenn Sie so weitermachen. Der digitale Zwilling schafft eine digitale Abbildung unseres analogen Lebens und damit die Möglichkeit, in der Digitalität Simulationen zukünftiger Ereignisse vorzunehmen, mit denen wir echte präventive Medizin umsetzen können.

Die Digitalisierung hat unser Leben in kurzer Zeit rapide verändert. Brauchen wir nicht mehr Zeit und Reflexion, um eine neue Kultur zu entwickeln, um damit umzugehen?

Absolut, ja. Wir brauchen eine Kultur des Umgangs mit der Selbstverständlichkeit der Digitalität. Aber Kulturen sind global völlig unterschiedlich. Deshalb müssen wir uns in Europa unserer Werte bewusst sein und technologischer Entwicklung auch mit einem aufgeklärten Menschenverstand und humanistischer Bildung begegnen. Eine digitale Ethik kann uns dabei als Orientierung dienen.
 

Dr. André T. Nemat ist Gründer und Managing Partner des Institute for Digital Transformation in Healthcare an der Universität Witten/Herdecke.

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrft tv diskurs.