„Die haben nur Glück gehabt, die Schweinebullen“

Die Dramaserie „4 Blocks“

Fabrice Laroche

Fabrice Laroche ist studierter Medien- und Kommunikationswissenschaftler und bekennender Serienjunkie. Er war viele Jahre in der FSF für die technische Administration und Videoschnitt zuständig. Inzwischen lebt er in Neuseeland und ist als Referent im Bereich Umwelt und Naturschutz tätig.

Programm 4 Blocks
 Drama, D 2017
SenderTele 5, ab 06.07.2023

Online seit 06.07.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/die-haben-nur-glueck-gehabt-die-schweinebullen-beitrag-1124/

 

 

Drogen, Gewalt, krumme Geschäfte - die Serie um den Clanboss Ali “Toni” Hamady lag der FSF im Jahr 2017 erstmals vor. Zu dem Zeitpunkt erschien auch der folgende Artikel, der 4 Blocks vorstellt, zeigt, was daran fasziniert, und ausführt, welche Gründe für die Altersfreigabe ausschlaggebend waren.



Auf den Straßen Neuköllns

Hektik. Zwielichtige Gestalten. Nervöse Blicke werden getauscht, Geldbündel und Tütchen wechseln den Besitzer. Alltägliche Szenen in Berlin Neukölln, in diesem Fall aber der Auftakt zur Serie 4 Blocks. Die neue Hoffnung der deutschen Serienproduktionen stammt erneut aus der Schmiede von TNT Serie, nach den Grimme-Preis-prämierten Erfolgstories Add a Friend und Weinberg keine große Überraschung.

Im Zentrum der Handlung steht Toni, überzeugend gespielt von Kida Khodr Ramadan, der die Führung eines arabischen Clans übernimmt, nachdem sein Schwager Latif (gespielt vom Rapper Massiv) bei einer Razzia wegen Drogenbesitzes verhaftet wird.

Er ist jetzt der ‚Pate‘ von vier Häuserblocks rund um die Neuköllner Sonnenallee, wo er Drogenhandel, Prostitution und Glücksspiel kontrolliert. Toni ist Familienvater und sucht eigentlich einen Ausweg aus den kriminellen Strukturen. Szenen, wie z.B. jene, in der er mit seiner Frau auf klapprigen Behördenstühlen auf seinen unbegrenzten Aufenthaltsstatus wartet, wirken nahezu surreal, wenn man ihn vorher noch in einem schummrigen Zimmer zur Lagebesprechung mit Clanmitgliedern gesehen hat.
 

Trailer 4 Blocks (Moviepilot Trailer, 29.09.2016)



Die Serie spielt mit Klischees, aber die meisten Charaktere bleiben authentisch, ihre Hintergrundgeschichten haben Hand und Fuß. Drei Jahre haben die Autoren für die Serie recherchiert, unterwegs auf den Straßen Neuköllns, und haben auch mit Polizisten und echten Clanmitgliedern gesprochen. Ein Wahnsinnsaufwand, der sich aber bezahlt macht.

4 Blocks ist bildgewaltig und brutal, überzeugt aber auch auf der dramaturgischen Ebene. Die Serienmacher nutzen gezielt stilistische Mittel, wie zum Beispiel hohe Anteile an Handkamerafahrten, um den Zuschauer in den Bann zu ziehen. Auch musikalisch passt alles wie die Ghettofaust aufs Auge – in der Eingangsszene läuft im Hintergrund Neukölln Boss 4 von Hasan.K & Gringo.

Man könnte den Autoren vorwerfen, dass sie die Clanstrukturen, wie sie tatsächlich ein großes Problem in Berlin darstellen, glorifizieren. Toni ist ein klassischer Antiheld und lässt die Zuschauer mitfühlen, vielleicht sogar Verständnis für viele seiner Handlungen zeigen. Zudem wird Gewalt besonders ästhetisch in Szene gesetzt, wie man es sonst nur aus amerikanischen Produktionen kennt. Aber die Serie gewährt auch seltene Einblicke in Parallelwelten, wie sie in unserer multiethischen Gesellschaft leider entstanden sind, ohne dabei den erhobenen Zeigefinger zu bedienen.

Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen immer mehr, als Tonis alter Freund Vince (Frederick Lau) plötzlich auftaucht. Gleichzeitig drängt sein unberechenbarer Bruder Abbas (Veysel Gelin) auf Tonis Posten als Clanführer und bringt ihn in einen Gewissenskonflikt. Wie viel ist er der Familie schuldig? Ein paar ehrgeizige und übereifrige Polizisten dürfen natürlich nicht fehlen und vervollständigen das Ensemble.

Eine packende Story, gute Bilder und ein überzeugender Cast – man kann sich nur schwer der Faszination von 4 Blocks entziehen.
 


Freigegeben ab …
 

Die Serie beinhaltet zahlreiche Bedrohungsszenarien und Gewaltszenen mit brutalen Gewaltspitzen und vermischt dabei mitunter Täter- und Opferperspektive. Aufgrund ihrer Gestaltung, Erzählweise und Thematik erweist sich die Serie als jugendaffin und bietet dem Publikum aufgrund ihrer Realitätsnähe zahlreiche Anknüpfungspunkte. Gleichzeitig wird jedoch ein einseitiges und klischeebeladenes Bild von Kriminellen präsentiert, das sowohl Ängste als auch Attraktivität vermitteln kann. Frauen tauchen nur am Rande oder aber passiv und schutzlos auf, es überwiegt die Selbstherrlichkeit der männlichen Darsteller. Toni, der zwar aussteigen will, handelt als Charakter eher widersprüchlich, da er dennoch unhinterfragt Gewalt als Mittel einsetzt, um seine Geschäfte zu führen. Ab 16-Jährigen wird zugetraut, die Gewaltspitzen zu verkraften und die Stereotype als solche zu erkennen. Für jüngere Jugendliche birgt die Serie ein zu hohes Beeinträchtigungspotenzial.
 

Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Weiterlesen:
Sendezeiten und Altersfreigaben

Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1§ 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

Weiterlesen:
Jugendschutz bei Streamingdiensten