Die Relevanz des Alters für die erfolgreiche Werbung

Fernsehsender diskutieren über Neudefinition der relevanten Zielgruppe

Die Fernsehzuschauer*innen werden immer älter, arbeiten länger und verfügen so über mehr Kaufkraft. Seit Langem gilt die Altersgruppe der 14 bis 49‑Jährigen als relevant, vor allem für die Werbepreise der Sender. RTL hat nun vorgeschlagen, als Anpassung an den demografischen Wandel die Zielgruppe auf bis 59‑Jährige zu erweitern.

Online seit 14.02.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/die-relevanz-des-alters-fuer-die-erfolgreiche-werbung-beitrag-1122/

 

 

Wenn jemand für sein Produkt Werbung schaltet und dafür bezahlt, will er wissen, wie viele potenzielle Käufer*innen er damit erreicht, ob die angesprochenen Rezipient*innen für Werbung empfänglich sind und sich zum Kauf bewegen lassen. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) misst deshalb täglich in einem repräsentativen Panel, wie viele Zuschauer*innen in welchem Alter eine Sendung ansehen. Natürlich sind auch andere Faktoren dafür ausschlaggebend, ob Rezipient*innen für Werbung ansprechbar sind. Aber sie alle zu berücksichtigen, wäre sehr kompliziert und aufwendig. Deshalb hat man sich darauf geeinigt, bei der werberelevanten Zielgruppe allein das Alter zu berücksichtigen: Und das sind bisher die 14- bis 49‑jährigen.
 

Relevante Zielgruppen der Sender schwer vergleichbar

Je nach Programm des Senders und der damit zusammenhängenden Altersstruktur der Zuschauer*innen variiert auch das Alter der jeweils relevanten Zielgruppe. Ein Sender wie Super RTL, der sich vorwiegend an Kinder richtet, wirbt wahrscheinlich eher für Produkte, die vor allem für die junge Zielgruppe interessant sind. Insofern müsste jeder Sender eine eigene Zielgruppe für die Berechnung des Werbepreises festlegen. Dann wäre aber die Effektivität der Werbung bei den Sendern nicht mehr so leicht vergleichbar. Hinzu kommt, dass die jüngeren Zuschauer immer häufiger auf Streamingdienste oder soziale Netzwerke ausweichen und dadurch die Fernsehzuschauer im Schnitt immer älter werden.

Das hat nun zu einer neuen Diskussion geführt: „Im Januar preschte RTL im Alleingang vor und kündigte an, sich künftig nur noch auf die erweiterte Zielgruppe der 14- bis 59‑Jährigen zu konzentrieren. Während ProSieben Sat 1 dem Vorstoß skeptisch gegenübersteht, signalisiert die AGF Zustimmung für den Vorschlag. Mediaplanern macht indes eher der Rückgang der Reichweiten in den jungen Zielgruppen Sorgen. In der Planungspraxis würden willkürliche Zielgruppendefinitionen ohnehin keine große Rolle spielen.“ (Hein 2023) Der Vorschlag von RTL würde eine Erweiterung auf eine immer größer werdende Publikumsgruppe bedeuten, die offen für Werbung ist und sich bestimmte Produkte auch leisten kann.
 

Unterschiedliche Sichtweisen

Unterstützt wird RTL vom Werbevermarkter Sky-Media, der bei manchen kleineren Sendern schon seit einiger Zeit die Zielgruppe auf die 14- bis 59‑Jährigen erweitert hat, was aber auch keine vernünftige Lösung sein kann. „Grundsätzlich vertreten wir den Standpunkt, dass jeder Werbekunde seine eigene Zielgruppe hat, insofern ist die Diskussion etwas mühsam“, so Sky-Media-Geschäftsführer Ralf Hape gegenüber DWDL. Man brauche einen gemeinsamen Nenner, um die Leistungen der unterschiedlichen Sender zu vergleichen. Mit Blick auf die Entwicklung der TV-Landschaft und die demografische Entwicklung sowie das Nutzungsverhalten erscheint ihm die Zielgruppe 14 – 59 am sinnvollsten. Diese Gruppe würden sie seit einiger Zeit bereits für ihre Berechnungen heranziehen. (Vgl. Krei 2023)

Der Vermarkter von RTLzwei, El Cartel Media, ist da anderer Meinung. Der Sender steuert eine jüngere Zielgruppe an, ist allerdings durch Sendungen wie Glücksrad oder Genial daneben auch für ältere Publikumsschichten interessant. Geschäftsführer Stephan Karrer sieht auch, dass das Fernsehpublikum immer älter wird: „Das spiegeln wir in unserem Programm, ohne junge Zielgruppen aus den Augen zu verlieren, die einfach zur Marke RTLzwei gehören. Deshalb passt 14-49 weiterhin gut.“ (Ebd.)
 

Suche nach enger definierten Zielgruppen

Warner Bros. Discovery ist noch unentschlossen: „Einerseits erscheint eine Erweiterung der als werberelevant definierten Altersgruppe im Hinblick auf den demografischen Wandel sinnvoll, andererseits bedingt diese durch die größere Reichweite auch eine zunehmende Streuung relevanter Daten und damit einhergehend eine geringere Vergleichbarkeit der einzelnen Leistungswerte“, so eine Unternehmenssprecherin gegenüber DWDL. „Davon abgesehen ist der Werbemarkt vermehrt auf der Suche nach enger definierten Zielgruppen, die thematisch passend zu den jeweiligen Kampagnen angesprochen werden können, was Trends wie Programmatic Advertising beweisen. Es wird spannend, zu beobachten, wie sich diese Entwicklungen mit den Diskussionen rund um die Zielgruppen vereinen lassen.“ (Ebd.)
 

Alter nicht allein entscheidend

Hans Peter Gaßner von der ARD-Werbung SALES & SERVICES GmbH, Frankfurt a. M. sah schon 2006 einen anderen, wichtigeren Faktor als das Alter: „Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Aspekt ist der so genannte Kohorteneffekt. Danach werden Personen, die gemeinsam bestimmten Einflüssen ausgesetzt sind, von diesen Umständen geprägt und behalten dabei erworbene Einstellungen und Verhaltensweisen ihr Leben lang bei. Solche prägenden Einflüsse können ähnliche Sozialisationsbedingungen oder das gemeinsame Erleben historischer Umbruchsituationen sein. Insbesondere der letztgenannte Punkt ist für die Betrachtung des älteren Teils der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre relevant. Diese Personen wurden in den 60er-Jahren sozialisiert, sind demnach mit der damaligen Protest- und Jugendkultur aufgewachsen. Die dort erworbenen Einstellungen und Verhaltensweisen werden sie auch jenseits der 50-Jahre-Grenze, die Personen aus dieser Kohorte derzeit nach und nach überschreiten – nicht aufgeben. Dieser Effekt wird häufig übersehen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht meist der Lebenszykluseffekt, wonach Menschen ihr Verhalten altersbedingt ändern. Doch auch die in diesem Zusammenhang angeführten Punkte, wonach Ältere für die werbliche Ansprache uninteressant, weil unter anderem auf ‚ihre‘ Marken festgelegt und nicht experimentierfreudig seien, verlieren zunehmend an Bedeutung bzw. sind differenziert zu betrachten.“ (Gaßner 2006)

Die Sichtweisen divergieren je nach Senderprofil: „Gänzlich einig in der Betrachtung der Zielgruppen-Diskussion sind sich noch nicht einmal die Vermarkter des öffentlich-rechtlichen Werberahmenprogramms. ‚Die realitätsferne Einengung der Referenzzielgruppe auf 14‑49 wurde von uns bereits seit vielen Jahren hinterfragt und für unsere Marktpositionierung im TV-Markt auch nicht herangezogen‘, sagt Uwe Esser, TV-Chef von ARD Media. Für die Vermarktung des Ersten habe man sich daher immer an der demografischen Entwicklung und den Kernzielgruppen des Programms orientiert – ‚und da war unsere Kernzielgruppe die 20- bis 59-Jährigen‘, so Esser.“ (Krei 2023)

Hans-Joachim Strauch, Geschäftsführer des ZDF-Werbefernsehens, hält ebenfalls nicht viel davon, sich auf eine altersspezifische Zielgruppe festzulegen: „Soziodemografische Merkmale wie das Alter waren und sind nicht alleinig mitentscheidend für Absatzwerbung. Eine Erweiterung der Zielgruppe auf 14 – 59 entspricht aus Vermarktungssicht auch nicht der Marktrealität. […] Vielmehr gilt es, innerhalb der Gesamtseherschaft Zielgruppen mit größerem Käuferpotenzial zu erreichen. Um bei TV-Kampagnen Streuverluste möglichst zu minimieren, sollte daher mit Konsumzielgruppen geplant werden“, erklärt er gegenüber DWDL.de. (Ebd.)

Quellen:

Gaßner, H. P.: Konsum ist entscheidender als Alter. Werberelevante Zielgruppen im Wandel. In: Media Perspektive 01/2006, S. 16 ff. Abrufbar unter: www.ard-media.de

Hein, D.: 14-49 ODER 14-59? Was Pro Sieben Sat 1 und Mediaexperten zur TV-Zielgruppendiskussion sagen. In: Horizont, 26.02.2023. Abrufbar unter: www.horizont.net

Krei, A.: Welche Zielgruppe darf’s sein? Debatte um 14-59: Deutsche TV-Branche bleibt gespalten. In: DWDL.de, 02.02.2023. Abrufbar unter: www.dwdl.de