„Die UFA war immer Trendsetter und Trendmotor!“
Wird es die UFA auch in hundert Jahren noch geben?
Ja, davon bin ich fest überzeugt. So lange es das Fernsehen gibt, wird es auch die UFA geben.
Wird das Fernsehen nicht gerade totgesagt?
Das hört man derzeit oft, aber es gibt keinerlei Anzeichen dafür. Die klassische Fernsehnutzung liegt in Deutschland sehr stabil bei knapp vier Stunden pro Tag. Die Abweichungen sind marginal und betragen seit zehn Jahren maximal vier Minuten. Natürlich ist dieser Wert vor allem auf die älteren Zuschauer zurückzuführen, aber die Jüngeren, die heute vor allem mit ihrem Smartphone oder ihrem Tablet schauen, werden ja auch irgendwann älter, und wenn das passiert, wenden sie sich verstärkt dem klassischen Fernsehen zu.
Haben die Sender keine Marktanteile an Streamingdienste verloren?
Nein. Was sich verändert hat und sich auch weiter verändern wird, ist die Tatsache, dass immer mehr Menschen die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender nutzen. Aber das kommt „on top“ dazu. Alles, was online stattfindet, also die Nutzung von Diensten wie Amazon und Netflix oder der Mediatheken der TV-Sender, hat das klassische Fernsehen nicht verdrängt oder ersetzt, sondern ergänzt. Deutschland nimmt in dieser Hinsicht im internationalen Vergleich eine Sonderstellung ein, was für uns Produzenten eine ganz ausgezeichnete Nachricht ist, weil das automatisch zu mehr Programmbedarf führt.
Warum gibt es diesen Verdrängungswettbewerb auf dem deutschen Markt nicht?
Die Streamingdienste haben den Markt um ein völlig neues Angebot bereichert. Amerikanische Serien wie Game of Thrones, Breaking Bad oder House of Cards sind auf eine Weise erzählt, die es bislang bei uns nicht gab. Diese Produktionen sind „edgy“, also gerade im Vergleich zum deutschen Mainstreamfernsehen auf sehr radikale Weise kantig und unbequem. Deshalb haben sie auch zur Primetime nicht funktioniert, während sie bei den Streamingdiensten weltweit erfolgreich waren. Wir haben eine ganz ähnliche Erfahrung mit Deutschland 83 machen müssen; im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass die RTL-Serie auf einer Streamingplattform besser aufgehoben gewesen wäre. Der deutsche Markt ist groß genug für beide Formen des Fernsehens, und wir sind in der glücklichen Lage, alle Bedürfnisse bedienen zu können. UFA Serial Drama steht für Daily Drama wie Gute Zeiten, schlechte Zeiten, UFA Show & Factual produziert Shows wie Deutschland sucht den Superstar, aus der UFA Fiction kommen anspruchsvolle Produktionen wie Charité fürs lineare Fernsehen und die Fortsetzung von Deutschland 83 für den Streamingbereich. Der Markt erlebt eine Erweiterung, die vor allem Menschen anspricht, die bislang bevorzugt ins Kino gegangen sind. Wenn man also überhaupt von einem Verdrängungswettbewerb sprechen kann, dann ist das Kino davon deutlich stärker betroffen als das klassische Fernsehen.
Ist die UFA auch deshalb so erfolgreich, weil sie schneller als andere Produktionsfirmen auf neue Entwicklungen reagiert hat?
Das ist sicher eine unserer Stärken. Das Unternehmen hat neue Produktbereiche in den letzten 30 Jahren immer sehr rasch erkannt und erobert. Wir waren bei vielen neuen Programmformen die Ersten auf dem deutschen Markt. Unter der Leitung von Wolf Bauer sind z.B. sehr erfolgreich das erste Daily Drama und die erste Telenovela für den deutschen Markt hergestellt worden. Mit den von mir produzierten historischen Event-Mehrteilern wie Der Tunnel, Dresden, Die Flucht oder Unsere Mütter, unsere Väter haben wir das „Kino fürs Fernsehen“ erfunden, jedenfalls in dieser Größenordnung und mit diesem Aufwand. Die UFA war immer Trendsetter und Trendmotor.
Es gibt ja noch weitere große deutsche Unternehmen. Was unterscheidet die UFA von den anderen Firmen?
Solche Unterschiede haben immer mit Menschen zu tun. Unser Team hat ein gutes Gespür für den Zeitgeist und ein Näschen für aufkommende weltweite Programmtrends. Bestes Beispiel ist die derzeitige Internationalisierung des Medienmarktes. Nehmen wir Deutschland 86, die Fortsetzung zu Deutschland 83: Das ist ein gewaltiger Deal mit Amazon in zigfacher Millionenhöhe, der erst durch die Zustimmung von RTL ermöglicht wurde. Die Serie wird zu einem bestimmten Zeitpunkt im nächsten Jahr weltweit verfügbar sein; das ist schon etwas Besonderes für eine deutsche Firma.
Bei internationalen Produktionen wurde deutsches Geld immer gern genommen, aber Mitspracherechte gab es kaum. Das hat sich demnach geändert?
Teilweise ist es mittlerweile sogar fast andersrum. Für unsere geplante Hitler-Serie z.B. haben wir einen amerikanischen Abnehmer, aber uns fehlt noch ein deutscher Co-Produktionspartner. Aus den USA bekommen wir z.T. ganz erhebliche Beträge von so gut wie allen Platt formen, also nicht nur von Amazon und Netflix. Aber um bei dem Beispiel Amazon und der Fortsetzung von Deutschland 83 zu bleiben: Hier haben wir völlige kreative Freiheit.
Seit dem 1. September sind Sie alleiniger Geschäftsführer der UFA. Welche neuen Aufgaben kommen auf Sie zu?
Die größte Herausforderung wird in der Detailarbeit liegen. Dort verbirgt sich der Teufel, wie man weiß, aber genau darin sehe ich auch den großen Reiz meiner neuen Verantwortung. Ich lerne z.B., wie viel Energie nötig ist, um eine gute Show auf die Beine zu stellen. Davon abgesehen muss ich mit unserer Mannschaft vor allem Antworten suchen, etwa auf die Frage, wohin sich das Event-Fernsehen entwickelt. Wie lange interessieren sich die Menschen noch für historische Stoffe? Welche Erzählformen aus dem Plattformfernsehen lassen sich ins lineare Fernsehen transferieren? Grundsätzlich gilt es, schon heute zu erahnen, wohin sich die großen Trends des Geschichtenerzählens in den nächsten Jahren entwickeln werden. Ich bin sicher, dass dies ein ganz wesentlicher Bestandteil unseres Schaffens bleiben wird.
Kein Name wird so sehr mit aufwendigen Filmen über historische Stoffe verbunden wie Ihrer. Werden Sie in Zukunft überhaupt noch Zeit fürs Produktionsgeschäft haben?
Ich habe in den letzten 20 Jahren ein erstklassiges produzentisches Team aufgebaut. Durch die langjährige Zusammenarbeit ist eine intensive gegenseitige Vertrauensbasis entstanden, das macht es mir leichter, loszulassen und Verantwortung abzugeben. Ich werde demnächst 58, und es ist längst eine Generation nachgewachsen, die mittlerweile selbst über 40 ist; es wäre Nonsens, wenn ich denen erzählen würde, wie ich ihre Arbeit vor zehn Jahren gemacht hätte. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich komplett aus diesem Bereich zurückziehe. Bei Projekten, die mir besonders am Herzen liegen, aktuell z.B. Ku’damm 59, die Fortsetzung zum ZDF-Mehrteiler Ku’damm 56, behalte ich mir vor, Muster und Rohschnitte zu sichten. Und bei den internationalen Projekten bin ich schon allein deshalb involviert, weil sie für das Unternehmen Neuland sind. Die englischsprachigen Produktionen stellen auch für mich eine ganz neue Erfahrung dar, in dieser Größenordnung habe ich noch nie gearbeitet.
Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Ihnen die Event-Projekte auch aus ganz persönlichen Gründen wichtig waren. Ist dieses Kapitel Ihres Lebenswerkes mit Unsere Mütter, unsere Väter beendet?
In gewisser Weise ja. Ich habe mich in den letzten 17 Jahren intensiv mit der deutschen Geschichte befasst, das bezog sich ja nicht nur auf das Dritte Reich, den Zweiten Weltkrieg und die unmittelbaren Folgen, sondern auch auf die DDR. Ich würde nicht sagen, dass dieser Teil meiner Arbeit abgeschlossen ist, aber ich empfinde eine tiefe Befriedigung, dass ich über einen derart langen Zeitraum so viel Aufmerksamkeit für diese Themen gewinnen konnte. Ich habe das nie als selbstverständlich betrachtet, möchte aber auch betonen, dass diese vielen Projekte das Ergebnis eines echten Teamworks waren.
Nico Hofmann (Foto: UFA)
Tilmann P. Gangloff (Foto: privat)