Die Zukunftsfabrik

Catalina Hasselmann

Catalina Hasselmann besucht die 9.Klasse der Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg-Winterhude.

Unsere Schülerpraktikantin Catalina (14) berichtet für tv diskurs von ihren Eindrücken bei der Jugendmesse TINCON in Hamburg am 19. September 2018.

Online seit 05.10.2018: https://mediendiskurs.online/beitrag/die-zukunftsfabrik/

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Stimmung
 

Gleich vorweg: Die TINCON war lehrreich, spannend und generell als Veranstaltung toll, denn alles war locker und super an die Jugendkultur angepasst. Es gab tolle Themen, fantastische Gäste und es herrschte eine super Atmosphäre. Neben einem vielfältigen Angebot an Vorträgen gab es auch die Möglichkeit, in Workshops die Seele baumeln zu lassen oder kreativ tätig zu werden. Unter anderem konnten wir Jutebeutel selbst gestalten, Videospiele zocken oder Schilder mit unseren Gedanken beschriften. Das war toll, um darüber nachzudenken, wo wir gerade stehen und was uns bewegt. Wir konnten unseren Tag also völlig frei gestalten, uns von unseren Interessen hierhin und dorthin treiben lassen und dabei ganz zwanglos mit Stars aus den Medien in Kontakt kommen. Das waren u.a. Lisa Sophie Laurent (YouTuberin), coldmirror (YouTuberin), Liberiarium (Bloggerin, Moderatorin und Cosplayerin), KostasKind (YouTuber), darkviktory (Animationskünstler und YouTuber), Maggie Herker (YouTuberin und Expertin fürs Scheitern), Paul | Ultralativ (YouTuber) und Fynn | Ultralativ (YouTuber).


Bei der großen Eröffnung war die Halle voll besetzt. Alle Speaker wurden uns einmal kurz vorgestellt, und auch die Erfinder der TINCON, Tanja und Johnny Haeusler, waren da. Sie erklärten, dass sie sich das Konzept der TINCON für die Digitalisierung der Gesellschaft und vor allem für Jugendliche ausgedacht haben, damit diese auch mitreden können. Es gebe nämlich nur einen kleinen Teil von jungen Leuten, die beteiligt seien. Die über 60-Jährigen würden überwiegen, sodass diese mehr Einfluss hätten. Dies sei ungerecht und deshalb wolle die TINCON Jugendliche näher an Politik und Gesellschaft heranführen. So meinte Johnny Haeusler:

Wir nutzen für die heutige TINCON die alte Maschinenfabrik1 als Zukunftsfabrik.“

Im Folgenden möchte ich einen kleinen Einblick in die Veranstaltungen geben, die ich besucht habe und die mir besonders gefallen haben.
 

„Bist du zufrieden mit deinem Körper?“
 

Bei diesem Workshop war ich nicht etwa wegen des Themas, sondern weil ich wissen wollte, wie die Leute auf der Bühne mit pubertierenden Jugendlichen über dieses Thema sprechen, ohne dass großes Gelächter ausbricht. Erstaunlicherweise hat dies auch ziemlich gut geklappt, denn es waren fast nur Zuhörer da, die sich für das Thema wirklich interessierten. Abwechslungsreich waren auch die Leute auf der Bühne. Da war zum Beispiel die Drag Queen Absinthia Absolut, die mit ihren bunten Haaren, viel Glitzer im Gesicht und schrillen Klamotten natürlich auffiel. Dahinter steckt Sascha, der tagsüber ein schwuler Junge von nebenan ist und nachts seine Vorliebe für schöne Kleider und exzentrisches Make-up auslebt. Absinthia erzählte sehr eindrücklich, wie sie früher belächelt und auf der Straße als eklig beschimpft wurde. Sie schämte sich für ihre Körperbehaarung und war sehr unzufrieden mit sich. Bis sie eines Tages die Idee bekam, sich in eine Drag Queen zu verwandeln. Nun konnte sie die verschiedenen Facetten ihrer Identität ausleben und sogar mit Auftritten Geld verdienen. Ihr Motto: Sich selbstbewusst niemals unterkriegen lassen und sich so akzeptieren, wie man ist.

Auch im Gespräch mit den anderen Gästen auf der Bühne wurde klar, dass wir uns in unserer Unterschiedlichkeit akzeptieren sollten. Grundsätzlich wäre es aber noch spannender gewesen, wenn die Moderatorin nicht immer ähnliche Fragen gestellt hätte.
 

Fanfiction
 

Der Workshop Fanfiction als kreatives Gedankenchanneling – The Awakening of being a fanboy/girl hat mich am Anfang eigentlich gar nicht interessiert. Bis ich mich im Internet ein bisschen über die Speakerin coldmirror informiert hatte. Coldmirror, im echten Leben Kathrin Fricke, ist 34 Jahre alt und hat Kunstwissenschaft und Philosophie studiert. Sie ist eine deutsche Video-Bloggerin und als Moderatorin in Rundfunk- und Fernsehsendungen tätig. Sie hat drei YouTube-Kanäle; ihr Hauptkanal ist mit einer Million Abonnenten am erfolgreichsten. Ich habe durch ihre Präsentation viel über Fanfiction gelernt und nachdem coldmirror mit ihrer Freundin (Lea Kaib) eine ihrer ersten Jugend-Fanfiction vorgelesen hatte, habe ich selbst Feuer gefangen und möchte eigene Fanfictions schreiben.


Fanfiction, kurz Fanfic oder im Deutschen auch Fangeschichte(n), ist kreatives Schreiben, Umschreiben und Weiterschreiben von bereits existierenden Werken. Es sind Geschichten, die man mit bereits bestehenden Charakteren beispielsweise aus Büchern schreiben kann.

Coldmirror erzählte uns ihre Lebensgeschichte, wie sie zu Fanfiction gekommen ist und wie es ihr Leben verbessert hat. Zu Fanfiction kam sie durch Harry Potter. Zu dem ersten Harry-Potter-Film wurde sie quasi mitgeschleift, sie hatte darauf eigentlich gar keine Lust, denn sie mochte ihn von Anfang an nicht und hat ihn offiziell gehasst. In Wirklichkeit aber hatte sie sich nach dem ersten Film in Dr. Snape verknallt, schrieb mit anderen darüber und malte als Teenagerin entsprechende Liebesbilder. Dann kam sie auf die verrückte Idee, eine Harry-Potter-Website zu erstellen. Ab da konnte sie es dann nicht mehr leugnen: Sie war ein Harry-Potter-Fan. Danach arbeitete sie sich hoch, sie veröffentlichte Harry-Potter-Filme, die sie mit ihrer eigenen Stimme und eigenen Geschichten synchronisiert hatte. Damit kam sie auf YouTube super an.

Am Autogrammstand von coldmirror war die Stimmung einzigartig. Ein Junge hielt ein selbstgemaltes Schild hoch, auf dem ein Zitat von ihrer Fanfiction aus jungen Jahren stand. Ich lernte ein nettes Mädchen kennen, von dem ich noch mehr über coldmirror und Fanfiction erfuhr. Und irgendwie sprachen nicht nur wir über Fanfiction, sondern auch die anderen um uns herum erzählten von ihren ersten Geschichten und wie sie auf coldmirror gestoßen waren. Es war eine schöne, ausgeglichene Stimmung, und obwohl wir alle in unterschiedlichen Altersgruppen waren, haben wir uns super verstanden. Das Thema Fanfiction gab uns Redestoff und hat uns irgendwie verbunden.
 

Onlinemagazin TIERINDIR
 

Als Letztes habe ich dann noch bei dem Workshop Das, was ich nicht sagen kann von TIERINDIR mitgemacht. Zwei von den drei Gründerinnen, Imina und Luka, haben von ihrem Onlinemagazin erzählt, und wir durften unserer kreativen Seite für ein kleines Bastelheft freien Lauf lassen. TIERINDIR soll irgendwann auch ein Printmagazin werden und der BRAVO Konkurrenz machen. In ihrem Magazin werden Tabuthemen angesprochen, aber auch Themen, die die Leser im Moment interessieren und bewegen. Was mich fasziniert hat, war das Selbstbewusstsein und die Entschlossenheit der zwei Studentinnen, die gerade einmal 19 und 21 Jahre alt sind.

Die TINCON 2018 in Hamburg war bunt, inspirierend, bereichernd und hat Lust auf mehr gemacht. Ich hoffe, es gibt nächstes Jahr nochmal eine so spannende Messe.

 

Über die TINCON
TINCON steht für Teenage Internetwork Convention und ist eine Konferenz von und für die junge digitale Gesellschaft. Sie findet seit 2016 in Berlin und seit 2017 auch in Hamburg statt. Jugendlichen zwischen 13 und 21 Jahren wird mit der TINCON ein Forum geboten, auf dem sich alles um die Themen Kultur, Technik & Games, Bildung & Science, YouTube-Kultur, Code, Musik & Lifestyle, Politik & Gesellschaft dreht. In verschiedenen Formaten, wie Talks, Workshops, Q & As, DIY-Formaten und in Gaming Areas nehmen sich Akteure der Jugendkulturszene ebenso dieser Themen an wie die Jugendlichen selbst. Ihre Zielgruppe sind Jugendliche, darum werden Erwachsene erst um 15 Uhr eingelassen. Mit Vorlage der Registrierungsbescheinigung bei der Schulleitung erhalten Hamburger Schülerinnen und Schüler für das Event eine Unterrichtsbefreiung. Die Tickets sind gratis, müssen aber im Voraus gebucht werden.

 
Anmerkung

1) Damit meinte er den Veranstaltungsort, Kampnagel, eine ehemalige, 1865 gegründete Maschinenfabrik in Hamburg-Winterhude, die seit 1982 als Veranstaltungsort für zeitgenössische darstellende Kunst genutzt wird.