Digital Services Act (DSA)

Gesetz über digitale Dienste

Franz Hofmann, Benjamin Raue (Hrsg.)

Baden-Baden 2023: Nomos Verlagsgesellschaft
Rezensent/-in: Marc Liesching

Printausgabe mediendiskurs: 27. Jg., 4/2023 (Ausgabe 106), S. 69-70

Vollständiger Beitrag als:

Digital Services Act (DSA)

Den teils als neue „Verfassung des Internets“ bezeichneten Digital Services Act mit seinen 93 umfangreichen Artikeln in einem Gesamtkommentar zu erläutern, stellt schon per se eine Herausforderung dar. Ein entsprechendes Erläuterungswerk bereits mehr als ein halbes Jahr vor der Geltung der meisten DSA-Bestimmungen (vgl. Art. 93 Abs. 2 UA 1 DSA) fertigzustellen und zu veröffentlichen, ist umso beeindruckender und verdienstvoll. Denn schon jetzt besteht erheblicher Bedarf an Orientierung zu einem nachgerade in Windeseile durch das Trilog-Verfahren geführten Regelwerk, das in zahlreichen Einzelbestimmungen – auch in der Gesamtschau mit den Erwägungsgründen – oftmals sehr vage und kryptisch erscheint und zuweilen sogar widersprüchlich anmutet.

Den Autorinnen und Autoren um die beiden Herausgeber Franz Hofmann und Benjamin Raue gelingt ein gut strukturiertes Kompendium, das weithin über die bloße Paraphrasierung von Erwägungsgründen hinausgeht und zu zentralen Fragestellungen rechtsmethodische Auslegungsansätze liefert. Dabei bilden die unterschiedlichen Perspektiven der Autorenschaft die teils heterogene Meinungslage gut ab, etwa zu der hinsichtlich der praktischen Auswirkungen sehr bedeutsamen Frage einer Geltung des Herkunftslandprinzips nach Art. 3 ECRL im Rahmen einzelner Bestimmungen des Digital Services Act (hierzu etwa Hofmann, Art. 3 Rn. 21; Rademacher, Art. 56 Rn. 5).

Auch wenn entsprechend des interdisziplinären Geltungsanspruchs zahlreicher „Meta“-Normen des Digital Services Act die Kommentierungen sowohl zivilrechtliche als auch öffentlich-rechtliche (einschließlich strafrechtliche) Implikationen im Blick haben, erfolgt in vielen Erläuterungen nach dem persönlichen Eindruck des Rezensenten eine gewisse Schwerpunktsetzung im Bereich des Zivilrechts. Dies wird selbst bei Erläuterungen zu Vorschriften deutlich, die von ihrer Ausrichtung eine nicht unerhebliche verwaltungsrechtliche Gewichtung aufweisen wie etwa Art. 9 DSA (Anordnungen zu Vorgehen gegen rechtswidrige Inhalte). Ausführungen zu möglichen behördlichen Anordnungen beschränken sich hier auf einen Satz (Art. 9 Rn. 20). Auch die zentrale Frage, welche Angebote überhaupt als anordnungsgegenständliche „rechtswidrige Inhalte“ in Betracht kommen, bleibt hier weitgehend unbehandelt (siehe aber die guten allgemeinen Auslegungsansätze im Rahmen der Legaldefinition bei Art. 3 Rn. 71 ff.).

Ist der Bereich des Jugendschutzes auch grundsätzlich nur ein untergeordneter Teilbereich des Rechts digitaler Dienste, so kommt ihm im Rahmen des DSA doch eine gewisse Bedeutung zu, die nicht nur in allgemeinen Normen wie Art. 9 DSA, sondern auch in konkreten Sorgfaltspflichtbestimmungen wie der für alle Onlineplattformen statuierten Pflicht zur Umsetzung geeigneter und verhältnismäßiger Maßnahmen zum Onlineschutz Minderjähriger nach Art. 28 DSA zum Ausdruck kommt. Wie sich in dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des DSA (RefE des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, Bearb.-Stand v. 07.07.2023) bereits abzeichnet, wird der Umsetzung des Jugendschutzes nach dem DSA ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden. Dies wird rechtspolitisch insbesondere dadurch zum Ausdruck gebracht, dass neben der Bundesnetzagentur lediglich die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) als zuständige Behörde nach Art. 49 Abs. 1 DSA benannt wird (vgl. § 12 Abs. 1 RefE), der insbesondere die Aufgabe der Durchsetzung der Art. 14 Abs. 3 und 28 Abs. 1 DSA zufallen wird.

Die Erstauflage des hier besprochenen Kommentars konnte dies aufgrund des frühen Publikationszeitraumes noch nicht berücksichtigen. Es ist aber davon auszugehen, dass den bundesgesetzlichen Folgeregulierungen mit Inkrafttreten des DSA in weiteren Auflagen ebenfalls breit Rechnung getragen werden wird. Insgesamt stellt der Gesamtkommentar zum DSA angesichts des frühen Veröffentlichungszeitpunktes eine solide Möglichkeit der Orientierung für die Rechtsanwendung dar. Insbesondere für die zivilrechtliche Anwendungspraxis bietet das Werk vertiefende Erläuterungen und Auslegungshilfen. Dem Kommentar ist weite Verbreitung zu wünschen.

Dr. Marc Liesching