Digitale Desökonomie

Unproduktivität, Trägheit und Exzess im digitalen Milieu

Sebastian Althoff

Bielefeld 2023: transcript
Rezensent/-in: Lothar Mikos

Buchbesprechung

Printausgabe mediendiskurs: 28. Jg., 3/2024 (Ausgabe 109), S. 81

Vollständiger Beitrag als:

Digitale Desökonomie

Der Philosoph Sebastian Althoff entwirft in seinem Buch das Konzept einer digitalen Desökonomie, die er anhand von mehreren künstlerischen Werken verdeutlicht. In einem Drei-Schritt gelangt er von der digitalen Ökonomie über die digitale Gegenökonomie hin zur Desökonomie. In der digitalen Ökonomie werden Daten benutzt, um Nutzer*innen zu kategorisieren und für den Konsum von Waren oder Dienstleistungen verfügbar zu machen. Geschult an der Terminologie des französischen Philosophen Michel Foucault bestimmt der Autor „Big-Data-Praktiken […] als algorithmische Gouvernementalität“ (S. 42), indem es um Quantifizierbarkeit geht, die eine automatische Sammlung von Daten ermöglicht mit dem Ziel der Beeinflussung.

Die digitale Gegenökonomie fokussiert auf die Nutzer*innen, „das heißt, sie stellt den bewussten Konsument*innen bewusste Nutzer*innen zur Seite“ (S. 69, H. i. O.). Am Beispiel des Data Detox Kit der Berliner Gruppe Tactical Tech macht Althoff klar, dass die Konzentration auf bewusste Nutzer*innen zugleich die nicht bewussten Nutzer*innen stigmatisiert. Zudem wird das Problem der digitalen Daten auf die Menschen abgewälzt, die nun selbst für ihre Daten verantwortlich sein sollen und eben nur den bewussten Umgang lernen müssen.

Die digitale Desökonomie hingegen widersetzt sich dem Fluss der Daten, wie der Autor anhand von künstlerischen Werken von Hito Steyerl, Seth Price, Hasan M. Elahi, Katherine Behar und Zach Blas illustriert. In den Werken werden digitale Daten für eine ökonomische Nutzung unbrauchbar gemacht. „Wenn Daten stören, insofern sie sich nicht in einer algorithmischen Gouvernementalität produktiv machen lassen, insofern sie nicht reduziert und vergleichbar gemacht sind, lässt sich ein Mehr an Daten nicht mit einem Mehr an Datenreichtum gleichsetzen“ (S. 218). Ein theoretischer Versuch, sich dem Umgang mit Big Data zu widersetzen.

Prof. i. R. Dr. Lothar Mikos