„Einsamkeit ist nichts, wofür man sich schämen muss.“

Eva Maria Lütticke im Gespräch mit Adanna Asamonye

Adanna Asamonye (21) begann ihr Studium während der Coronapandemie, als Begegnungen ausschließlich über Zoom stattfanden und der Austausch mit Gleichaltrigen stark eingeschränkt war. Im Interview teilt sie ihre Erfahrungen und Ansichten zu Einsamkeit und der Rolle sozialer Medien. Neben ihrem Studium engagiert sich Adanna bei der Konferenz für (digitale) Jugendkultur, der TINCON, und moderiert den TikTok-Kanal what.politik, der politische Themen für junge Menschen aufbereitet.

Printausgabe mediendiskurs: 28. Jg., 3/2024 (Ausgabe 109), S. 39-41

Vollständiger Beitrag als:

Was bedeutet Einsamkeit für Dich?

Einsamkeit ist für mich negativ konnotiert. Es bedeutet, sich alleine zu fühlen und niemanden zu haben, auf den man sich verlassen oder mit dem man schöne Momente teilen kann. Oft entsteht dieses Gefühl im Vergleich zu anderen, die in Gruppen unterwegs sind und Spaß haben. Ich fühle mich besonders einsam, wenn ich sehe, dass andere Leute gemeinsam etwas unternehmen und ich niemanden habe, mit dem ich etwas Schönes machen kann.

Hattest Du schon einmal längere Phasen, in denen Du Dich einsam gefühlt hast?

Ja, vor allem während der Coronazeit. Ich habe 2020 mein Abitur gemacht und bin dann für die Uni umgezogen. Es war sehr schwer, Anschluss zu finden, obwohl ich eigentlich offen und extrovertiert bin. In den ersten Semestern habe ich mich oft einsam gefühlt, auch weil ich alleine in einer Einzimmerwohnung gelebt habe.

Was waren Deine Strategien, um damit umzugehen?

Ich bin oft nach Hause zu meinen Eltern gefahren und habe viel telefoniert. Zudem habe ich versucht, zu lernen, mit mir alleine zu sein. Ich bin mutiger geworden, Dinge alleine zu unternehmen, z. B. ins Kino oder essen zu gehen. Auch Spaziergänge haben mir geholfen.
 


Ich fühle mich besonders einsam, wenn ich sehe, dass andere Leute gemeinsam etwas unternehmen und ich niemanden habe, mit dem ich etwas Schönes machen kann.“



Gibt es für Dich einen Unterschied zwischen allein und einsam sein?

Ja, auf jeden Fall. Allein sein kann mir Frieden und Glück bringen, es hilft mir, Energie zu tanken. Einsam sein ist hingegen negativ, weil ich weiß, dass ich keine Option habe, jemanden zu treffen, wenn ich möchte.

Auf dem TikTok-Kanal what.politik habt Ihr in einem Posting das Thema „Einsamkeit“ angesprochen. Gab es Feedback von Eurer Community?

Ein paar Menschen konnten sich damit identifizieren. Vor allem während Corona haben viele aus meiner Generation ähnliche Erfahrungen gemacht, insbesondere beim Umzug in eine andere Stadt und bei der Suche nach Uni-Freund*innen. Ich habe das Gefühl, dass Freundschaften in meinem Alter noch einen anderen Stellenwert haben als bei Erwachsenen, wodurch es besonders wichtig ist, Anschluss zu finden.

Hat das Selbstwertgefühl Einfluss darauf, ob sich jemand einsam fühlt?

Auf jeden Fall. Ein geringes Selbstwertgefühl kann dazu führen, dass man sich schneller einsam fühlt und Dinge negativer bewertet. Das kann sogar zu kleinen Depressionen führen, wenn man sich fragt, warum man keine Freund*innen hat, während andere ihre Gruppen gefunden haben.

Welche Rolle spielen soziale Medien in diesem Zusammenhang?

Soziale Medien verstärken oft das Gefühl der Einsamkeit, weil man sieht, dass andere Spaß haben. Man vergisst leicht, dass die Posts nur Momentaufnahmen sind und die Realität oft anders aussieht. Social Media ist Selbstdarstellung. Man zeigt fast immer nur das Positive, stellt alles ein bisschen besser dar, als es ist.

Wie sieht Deine tägliche Social-Media-Nutzung aus?

Ich bin etwa 5 bis 6 Stunden am Tag auf Social Media.

Welche Apps nutzt Du hauptsächlich?

Vor allem TikTok, dann Instagram und manchmal Snapchat.
 


Glaubst Du, dass Social Media auch helfen kann, wenn man einsam ist?

Ja, man sollte Social Media nicht per se verteufeln, weil es eben auch helfen kann, sich zu connecten. Für schüchterne oder introvertierte Menschen sind die Barrieren niedriger, um jemanden anzuschreiben und Kontakt zu halten. Ich teile mit Freund*innen oft Videos oder wir schreiben, um uns auszutauschen. Das ist auch jetzt für mich wichtig, diese Kontakte zu pflegen, auch wenn ich mich im Moment nicht einsam fühle.

Ist es einfacher, über soziale Medien Kontakte zu pflegen, wenn man sich vorher schon offline gekannt hat?

Nicht unbedingt. Ich habe auch viele Leute nur online kennengelernt, mit denen ich viel schreibe. Es hängt von der Person ab, wie gut sie im Schreiben ist und welche Art der Kommunikation bevorzugt wird.

Welche Strategien oder Maßnahmen würdest Du jemandem empfehlen, der sich einsam fühlt?

Offen auf Leute zugehen, auch wenn es Überwindung kostet. Man kann auch Leute auf Social Media anschreiben und nach einem Treffen fragen. Wichtig ist, sich vor Augen zu führen, dass nicht alles auf Social Media echt ist und es nicht schlimm ist, wenn man nicht tausend Freunde hat. Vielleicht auch auf Events gehen oder sich ein Hobby suchen, um dort neue Menschen kennenzulernen. Einfach mit einem offenen Mindset und positiver Energie auf Leute zugehen.

Hat Einsamkeit langfristige Auswirkungen auf junge Menschen?

Ich glaube schon. Für viele kann es eine Negativspirale sein, aus der man schwer herauskommt, vor allem, wenn man ohnehin Schwierigkeiten hat, Freundschaften zu schließen.

Können Institutionen etwas tun, um Einsamkeit bei jungen Menschen zu reduzieren?

Ja, vielleicht sollte es mehr Anlaufstellen für einsame Menschen geben oder Veranstaltungen, bei denen man weiß, dass man aufgenommen wird, auch wenn man alleine kommt.

Noch eine letzte Frage: Hast Du ein Learning zum Thema „Einsamkeit“, das Du mit unseren Leser*innen teilen möchtest?

Einsamkeit ist nichts, wofür man sich schämen muss. Viele Menschen fühlen sich einsam. Offen darüber zu sprechen, kann helfen, damit umzugehen und aus der Einsamkeit herauszukommen.

 

Adanna Asamonye hat ihren BA in Medien- und Kommunikationswissenschaft absolviert und arbeitet bei der TINCON.

Eva Lütticke studierte Medienwissenschaften (M.A.) an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Zurzeit arbeitet sie als Redakteurin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).