EU richtet Blick auf Influencer

Stefanie Lefeldt

Stefanie Lefeldt ist Juristin und Leiterin Europaangelegenheiten beim Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Zuvor hat sie mehr als fünf Jahre als stellvertretende Justiziarin und Referentin Werbung bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) das Thema „Influencer Marketing“ betreut.

Im Februar 2024 teilte die Europäische Kommission mit, dass in einer EU-weiten Untersuchung (einem sogenannten Sweep) das Verbraucherschutz-Netzwerk Consumer Protection Cooperation Network (CPC) festgestellt hat, dass vier von fünf Influencern gegen die Kennzeichnungspflicht von Werbung verstoßen. Für die Untersuchung wurden 576 Social-Media-Profile von Influencern auf den Plattformen Instagram, TikTok, YouTube, Facebook, X (ehemals Twitter), Snapchat und Twitch überprüft.

Printausgabe mediendiskurs: 28. Jg., 2/2024 (Ausgabe 108), S. 74-75

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Bislang bewegten sich die Influencer weitestgehend unter dem Radar des EU-Gesetzgebers. Hauptsächlich wurde in den letzten Jahren diskutiert, welche Art von Kanälen und Influencern überhaupt unter die Regelungen der AVMD-Richtlinie fallen. Nun tauchen die Influencer in einigen EU-Untersuchungen und Gesetzentwürfen auf – so sollen z. B. im Rahmen der Kleinanlegerstrategie auch die sogenannten Finanz-Influencer (Finfluencer) erfasst und reguliert werden. In gezielten Befragungen, die im Rahmen des Fitness Checks des EU-Verbraucherrechts erfolgen, tauchen immer wieder Fragen zu ungekennzeichneter Werbung auf Social-Media-Profilen auf. Die Kommission veröffentlichte im Herbst 2023 den Influencer Legal Hub – eine kostenlose Übersicht zum europäischen Verbraucherrecht, welches für Influencer gilt, die in der Europäischen Union ansässig sind oder sich an ein Publikum in der Europäischen Union wenden. Ende Februar 2024 veranstaltete die belgische Ratspräsidentschaft eine Konferenz zum Thema, bei der es im Wesentlichen darum ging, wie man die Branche unterstützen kann.

In Deutschland ist es ruhig geworden, nachdem die Branche durch die Abmahnungen des VSW (Verband Sozialer Wettbewerb) und die dazugehörigen BGH-Urteile Klarheit in Bezug auf die Kennzeichnung von Werbung geschaffen hat. Einzig Bundesminister Cem Özdemir hat die Influencer mit seinem Gesetzesvorhaben zum Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG) derzeit in Deutschland im Visier.1 Während in Italien die Stimmung gegenüber Influencern nach einem Skandal um einen Weihnachtskuchen für (vermeintlich) wohltätige Zwecke kippt, müssen Influencer in Norwegen Fotos kennzeichnen, die retuschiert sind. In Frankreich hält man die Leine schon seit einer Weile etwas kürzer: Im letzten Jahr startete neben zahlreichen gesetzlichen Neuerungen auch die „Name and Shame“-Kampagne der Regierung, bei der Influencer 30 Tage lang eine Nachricht auf ihrem Profil anzeigen müssen, in der sie die von der zuständigen Behörde festgestellten Verstöße erwähnen. Außerdem debattiert das Parlament derzeit über einen Gesetzentwurf, der ein Werbeverbot für „Fast Fashion“ vorsieht.
 


Zahlreiche Regeln – auch jetzt schon

In Deutschland gelten bereits zahlreiche Gesetze, Regeln und Kodizes, an die Influencer sich halten müssen – schließlich beschäftigen sich mit diesen Regeln Konkurrenten und Verbände, die Abmahnungen aussprechen können; die Landesmedienanstalten und die Wettbewerbszentrale können anklopfen und auch der Deutsche Werberat sichtet regelmäßig die Inhalte auf Social-Media-Kanälen. Die Kennzeichnung von Werbung und sektorspezifische Besonderheiten bei Werbung wie Verhaltenskodizes zu Alkohol- und Lebensmittelwerbung, Impressumsvorgaben, Urheber- und Lizenzrechte, Vorgaben bei Gewinnspielen, das Verbot irreführender Werbung oder Werbung für illegales Glücksspiel – es gibt zahlreiche Stolperfallen.

Gleichzeitig gibt es aber auch Hilfsangebote für Influencer, die vielleicht nicht immer alle kennen: Die Werbematrix der Landesmedienanstalten zeigt detailliert auf, wann man Werbung wie kennzeichnen soll. Die European Advertising Standards Alliance (EASA) hat ein Tool herausgebracht, bei dem man angibt, in welchem europäischen Land man werben will – und dann die notwendige Kennzeichnung für dieses Land angezeigt wird (DiscloseMe-Tool). Seit Langem informiert auch der Deutsche Werberat mit dem online abrufbaren Leitfaden zum Werbekodex über das Thema „verantwortungsvolle Werbung“.
 

Onlinetraining für Influencer

Zumindest für einen Teilbereich dieser unübersichtlichen Materie wird es in diesem Jahr ein weiteres Projekt in Deutschland geben. Gemeinsam mit anderen europäischen Selbstkontrolleinrichtungen aus der EASA startet der Deutsche Werberat im Spätsommer 2024 ein Onlinetraining für Influencer im Bereich Werbung.

Geplant ist die Abdeckung eines breiten Spektrums: von der richtigen Werbekennzeichnung über die Regeln des Deutschen Werberats bis hin zur Sensibilisierung für irreführende Werbung und zur sozialen Verantwortung, die Influencer als Teil der Werbewirtschaft haben.

Das Influencer-Training wird als zweistündiger Onlinekurs auf einer E-Learning-Plattform angeboten und besteht aus interaktiven Elementen wie Videos, Beispielen und Bildern, die mit Wissensabfragen verbunden werden. Influencer können sich schnell über die wesentlichen Regeln für Onlinewerbung in allen Märkten, in denen sie tätig sind, informieren. Durch die Teilnahme am Training können sie zeigen, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind und ihnen die Einhaltung von Werbebestimmungen wichtig ist. Sie erhalten durch das Training außerdem eine schnell zugängliche, attraktive und erschwingliche Fortbildung, die sie bei der Akquise von Kooperationspartnern von anderen unterscheidet. Kooperationspartner wie werbende Unternehmen und Agenturen wiederum können sich gezielt für eine Zusammenarbeit mit verantwortungsbewussten Influencern entscheiden.

Vorbild für dieses Projekt ist die französische Selbstregulierung Autorité de régulation professionnelle de la publicité (ARPP), die bereits seit 2021 Influencer trainiert und sogar noch einen Schritt weitergeht: Sie erteilt ein Zertifikat und überwacht die Onlinetätigkeiten der Influencer, die das Zertifikat bestanden haben. Über 1.000 französische Influencer haben das Zertifikat bereits erlangt.

Letztlich wird sich zeigen, ob die Branche aus sich selbst heraus für eine weitere Professionalisierung sorgen kann. Die Weichen sind jedenfalls gestellt.

 

Anmerkung:

1 Interview mit Spreeradio, 28.09.2023: „Unser Hauptproblem ist [sic!] eher die Influencer im Netz“