Gemeinsam wirksame Kriterien entwickeln

Die Aufgaben der neuen Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz

Claudia Mikat im Gespräch mit Sebastian Gutknecht

Seit dem 1. Juni 2021 ist Sebastian Gutknecht erster Direktor der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ). tv diskurs sprach mit ihm über die Aufgaben der neuen Behörde, über die neuen Vorgaben des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) und darüber, was Modernisierung im Jugendmedienschutz bedeutet.

Printausgabe tv diskurs: 25. Jg., 4/2021 (Ausgabe 98), S. 74-78

Vollständiger Beitrag als:

 

Sie sind knapp 100 Tage im Amt und haben sich ein erstes Bild machen können: Was bedeutet es, die seit 1954 bestehende Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften bzw. Medien zu einer modernen Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz umzubauen? Und worin genau besteht die Modernisierung?

Vor allem konnte ich mir einen Einblick verschaffen, was jetzt schon hier in der ehemaligen Bundesprüfstelle geleistet wird, aber natürlich auch in die vielen spannenden Fragen, die sich uns stellen, wenn wir die bestehende Struktur in die neue Bundeszentrale weiterentwickeln. Ich würde hier den Begriff der Modernisierung nicht überstrapazieren. Letztlich geht es um die Frage: Was ist heute im Hinblick auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen geboten und welche Mittel sind wirksam und auch möglich? Wichtig ist dabei, was der Gesetzgeber an Neuerungen vorgegeben hat: nämlich erstens neue Möglichkeiten, auch Risiken über die rein inhaltliche Wirkung hinaus zu berücksichtigen, und zweitens im Bereich der Vorsorge Hinweise für Anbieter vorzusehen, wie sie ihre Angebote so gestalten können, dass sie für Kinder und Jugendliche idealerweise nicht nur nicht problematisch sind, sondern möglicherweise sogar eine gute Mediennutzung befördern. Hinzu kommt die neue Aufgabe, den Jugendmedienschutz weiterzuentwickeln und mit den verschiedenen Akteuren zu kooperieren.

Was verändert sich im Jugendmedienschutz dadurch, dass der Schutz der persönlichen Integrität im Gesetz festgeschrieben ist?

Das Ziel des Schutzes der persönlichen Integrität von Kindern und Jugendlichen und somit einer positiven Persönlichkeitsentwicklung erweitert die Dimension von staatlichem Kinder- und Jugendmedienschutz. Es geht nicht mehr allein um die Abschirmung von Gefährdungen. Wir haben auch die Aufgabe, die Stärken von Kindern und Jugendlichen, ihre Eigenverantwortung und Eigeninitiative und auch ihre Selbstschutzkompetenz zu fördern. Wie im Straßenverkehr oder in sozialen Gruppen müssen Kinder auch in der digitalen Kommunikation lernen, wo mögliche Konfliktherde liegen und wie sie sich verhalten und behaupten können. Neben den Schutz und die Förderung – bzw. als Klammer von beiden – tritt die Aufgabe, Orientierung zu schaffen, sowohl für Anbieter als auch für die Nutzenden, also Kinder, Jugendliche und Eltern. Es geht darum zu zeigen, wo möglicherweise Gefährdungen liegen und wie man sich in einem bestimmten Kontext verhält, sodass die Mediennutzung möglichst positiv ist. Wo die elterliche Zahnbürste nicht hinkommt, da greift der staatliche Kinder- und Jugendmedienschutz ein und sorgt über Gesetze, über konkrete Verfahren oder auch Kooperationen dafür, dass es möglichst eine gute Mediennutzung gibt und keine gefährliche.
 


Die elterliche Erziehung ist nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein Recht.



Die „elterliche Zahnbürste“ gelangt manchmal auch deshalb nicht in jede Ecke, weil Eltern nicht wissen, wie man gut putzt. Ist es auch Aufgabe des Jugendmedienschutzes, Eltern zu erziehen?

Nein, auf keinen Fall. Die elterliche Erziehung ist ja grundgesetzlich nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein Recht. Insofern ist sie auch geschützt vor übermäßigem staatlichem Einfluss. Das ist eine wichtige Errungenschaft, die der Grundgesetzgeber nicht zuletzt aufgrund der Erfahrung im Dritten Reich eindeutig festgeschrieben hat: Eltern entscheiden selbst, in welcher Form sie ihr Kind erziehen. Das elterliche Erziehungsrecht endet, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Dann greift der Staat ein, und es kommt – abgestuft nach Gefahrenlage – zu verschiedenen Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe, angefangen von allgemeinen Angeboten des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes über individuelle erzieherische Hilfen bis hin zur Inobhutnahme in akuten Gefahrenlagen für das Kindeswohl in der Familie. Die Mediennutzung und Medienerziehung in der Familie sind dabei eher am Beginn der Gefährdungskette anzusiedeln. Natürlich können sich hier Probleme zeigen, diese können aber auch darauf hindeuten, dass der pädagogische Hilfebedarf woanders liegt und die Mediennutzung eher ein Symptom als die Ursache einer Gefährdung ist. Es geht also im Kontext der elterlichen Unterstützung im Kinder- und Jugendmedienschutz vor allem darum, ihnen das Rüstzeug zu geben, um ihrer Medienerziehungsverantwortung gegenüber ihren Kindern gerecht zu werden. Dazu dienen nicht nur die neuen Vorschriften zur Anbietervorsorge. Es geht auch um die Förderung von Elternkompetenz durch kommerziell unabhängige Angebote, die Eltern nicht erziehen wollen, sondern ihnen Orientierung und Handlungssicherheit bieten. Das kann übrigens sowohl in die eine wie auch die andere Richtung gehen: Handlungssicherheit, um genauer hinzuschauen – oder auch, um sich nicht arg zu viele Sorgen zu machen, dass jedes Medium, dass man selbst nicht kennt, prinzipiell gefährlich ist.

Neu im Jugendschutzgesetz ist auch die Aufnahme des Partizipationsgedankens. Wie kann Partizipation im Jugendmedienschutz aussehen, in dem es doch nach wie vor auch darum geht, potenzielle Gefährdungen einzuschätzen?

Hier muss man etwas sortieren. Grundsätzlich ist die Perspektive der Partizipation ein elementarer Bestandteil sämtlicher Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe. Es gilt immer, die Sichtweise von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen, sei es bei einer einzelnen Einschätzung wie der Prüfung von Inhalten oder auch bei strukturellen Entscheidungen z. B. über bestimmte Verfahren oder Kooperationen. Wir haben in Deutschland viel Erfahrung mit Gremienstrukturen, in denen weltanschauliche und professionelle plurale Sichtweisen möglichst intensiv nutzbar gemacht werden sollen. Was wir vertiefen müssen, ist, nicht nur über Kinder und Jugendliche zu sprechen, sondern direkt Sichtweisen von Kindern und Jugendlichen zu integrieren. Der Grundgedanke ist also, Partizipation mitzudenken. Im Jugendmedienschutz bedeutet Partizipation, diejenigen in Gefährdungsbewertungen einzubinden, die eigentlich zu schützen sind, Kinder und Jugendliche also selbst dabei mitreden zu lassen, was für sie gefährlich ist. Das kann ein Widerspruch, aber auch eine große Hilfe sein, wenn es beispielsweise nicht um konkrete Medieninhalte, sondern um die Kriterienentwicklung oder um die Einschätzung von Mediennutzung an sich geht. Dass professionelle Kräfte, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, in Gremienprüfungen ihre Sichtweisen einbringen, ist weiterhin gut. Wenn es aber darum geht, sich ein Bild zu machen, was emotional bei einer bestimmten Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen passiert, dann sollte man auch ihre Sicht einbeziehen, ihre Emotionen, Interessenlagen und auch Unsicherheiten. Das ist aus meiner Sicht der große Gewinn, wenn wir Partizipation besser organisieren.
 


Partizipation bedeutet, diejenigen in Gefährdungsbewertungen einzubinden, die eigentlich zu schützen sind, Kinder und Jugendliche also selbst dabei mitreden zu lassen, was für sie gefährlich ist. Das kann ein Widerspruch, aber auch eine große Hilfe sein.



Die Mitwirkung von Heranwachsenden im Beirat der BzKJ ist jetzt ausdrücklich im Gesetz verankert. Ist es Teilhabe genug, zwei Jugendliche in einen Beirat aufzunehmen?

Hiermit ist es das erste Mal gelungen, die Mitwirkung von Jugendlichen in einem beratenden Gremium auf Bundesebene zu verankern. Unser Beirat ist ein Wegweiser, ein Berater. Noch mehr Musik der Partizipation spielt aber auch vor Ort. Partizipation muss laufend organisiert und gelebt werden – in den Lebenswelten, in denen der Staat oder auch andere Akteure regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen in Berührung kommen und wo auch diese Diskurse laufen. Diese Transferleistung aus der Praxis sollen auch Jugendliche in unserem Beirat leisten und so die Bundeszentrale konstruktiv-kritisch begleiten.

Kommen wir zurück zu den Aufgaben und Grenzen des Staates. Im Gesetzgebungsverfahren wurde die Notwendigkeit des Aufbaus einer neuen Bundesbehörde z. T. infrage gestellt, weil sie dem Gedanken einer föderalen, staatsfernen Ausgestaltung der Medienregulierung widerspreche. Wie sehen Sie die Aufgaben der Bundeszentrale vor dem Hintergrund dieser Debatte?

Der Kinder- und Jugendschutz ist schon immer eine originäre staatliche Aufgabe gewesen und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien oder früher jugendgefährdende Schriften war immer eine staatliche Behörde, die jugendgefährdende Medien indiziert hat. Auch die Obersten Landesjugendbehörden kennzeichnen seit Jahrzehnten – vor allem über ihre Ständigen Vertreterinnen und Vertreter bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) – Medieninhalte. Frei von staatlicher Weisung ist hierbei die Ausübung der Prüftätigkeit, der Kinder- und Jugendschutz auf Grundlage des Jugendschutzgesetzes ist aber nicht staatsfern organisiert. Der Begriff kommt aus der Medienregulierung und ist aus guten Gründen ein hohes Gut in unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Staatsferne Regulierung soll, vereinfacht gesagt, sicherstellen, dass Meinungsbildung und Information möglichst ausgewogen und frei von politisch gelenktem Einfluss sind. Wir haben im Kinder- und Jugendmedienschutz also zwei strukturelle Wurzeln: zum einen den schon seit den 1950er-Jahren bestehenden Kinder- und Jugendschutz, der sich aus der Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge entwickelt hat, zum anderen die Rundfunkregulierung und deren Fortentwicklung, die auf entsprechenden Länderhoheiten zur Sicherung insbesondere der Meinungsvielfalt basiert. Die Herausforderung besteht jetzt darin, aufgrund der Medienkonvergenz diese beiden Historien mit ihren Strukturen und Denkweisen zusammenzubekommen. Die grundsätzlichen Strukturdebatten sind in einem komplexen System wie dem deutschen Kinder- und Jugendmedienschutz wohl systemimmanent, sollten aber nicht von der eigentlichen Aufgabe eines wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutzes in den jeweiligen Zuständigkeiten ablenken. Ich schlage deshalb vor, die aktuelle Regelung gemeinsam so auszugestalten, dass wir die heutige Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen gut in den Griff bekommen. Hier bietet die Novelle durch die sehr starke Betonung von Kooperation und Austausch die Chance, Schnittstellen zu bauen und pragmatische und wirksame Perspektiven zu entwickeln.

Aus Sicht einer Selbstkontrolle an der Schnittstelle von Jugendschutzgesetz und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) wäre es wünschenswert, die Regelwerke besser aufeinander abzustimmen. Wie weit sind wir von einem kohärenten Rechtsrahmen entfernt?

Ich glaube, dass wir in vielen Fällen diesen kohärenten Rechtsrahmen haben. Es gibt Widersprüche, die natürlich angepasst werden müssen, wenn beispielsweise der JMStV in bestimmten Zitaten auf eine jetzt veraltete Rechtslage wie eine Liste jugendgefährdender Medien mit vier Listenteilen Bezug nimmt. Insgesamt haben wir aber – auch im europäischen Vergleich – ein sehr austariertes System, in dem nicht nur die eine Lösung möglich ist, sondern an vielen Stellen viele Akteure durch Austausch und kritisches Miteinander dafür sorgen, dass am Ende qualitativ gute Entscheidungen stehen. Das System in Deutschland ist so aufgestellt, dass es nicht nur staatliche Gremien gibt, sondern auch von den Anbietern getragene Gremien, die wiederum mit hoheitlichen Akteuren verschränkt und durch plurale Strukturen innerhalb der Gesellschaft unterstützt sind. Es wirkt auf den ersten Blick etwas schwerfällig und unübersichtlich, funktioniert aus meiner Sicht aber dem Grunde nach recht gut. Und wie die Novelle des JuSchG und die anstehende Novellierung des JMStV zeigen, ist es trotz aller Schwierigkeiten auch in der Lage, sich fortzuentwickeln.
 


Das System in Deutschland wirkt auf den ersten Blick etwas schwerfällig und unübersichtlich, funktioniert aus meiner Sicht aber recht gut.



Wird die Inhaltebewertung in Gremienprüfungen Ihrer Ansicht nach erhalten bleiben? Oder wird die Entscheidungsfindung in Gremien zunehmend durch einfachere, technisch basierte Verfahren abgelöst?

Ich glaube nicht, dass wir bei der Inhalteprüfung einen Abgesang bisheriger Prüfpraktiken erleben werden, diese sind weiterhin die Grundlage des öffentlichen Kinder- und Jugendmedienschutzes. Aber wir sehen seit Jahren, dass die Anzahl der Inhalte durch das Internet exorbitant steigt und dass wir diese Masse an Inhalten nicht nur mit Gremienprüfungen bewältigen können. Von daher ist es das Gebot der Zeit, Verfahren zu entwickeln, mit denen mehr Inhalte nach Altersstufen klassifiziert werden können und die idealerweise vom Schutzniveau her auf derselben Qualitätsstufe liegen wie aufwendige Gremienprüfungen. Hier muss das Augenmerk auf die Kriterienentwicklung gelegt werden, die dann auch die Grundlage für mögliche technische Einstufungen ist.

Ist nicht auch die Idee anachronistisch, alle Inhalte lückenlos vor der Veröffentlichung einer Kontrolle zu unterziehen? Ist das sogenannte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt im 21. Jahrhundert nicht langsam überfällig?

Das Jugendschutzgesetz wurde an dieser Stelle nicht novelliert. Die Regelungen für öffentliche Filmvorführungen und für den Vertrieb von Bildträgern gelten weiterhin, d. h., dass alles, was nicht mit Altersstufen gekennzeichnet ist, einer Einstufung ab 18 gleichkommt und nicht vertrieben werden darf. Ob an diesem Ansatz vor dem Hintergrund der medialen und technischen Entwicklungen weiter festzuhalten ist, muss der Gesetzgeber entscheiden. Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz trägt in ihrer neuen Koordinierungs- und Vernetzungsfunktion zur Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendmedienschutzes bei und wird – wie auch der neue Beirat – jeden Diskurs zu dieser Frage gerne aufgreifen. Ein Anbieter hat grundsätzlich kein Interesse daran, Kinder und Jugendliche zu gefährden, deshalb kann möglicherweise die Etablierung weiterer Koregulierungsinstrumente eine zukunftsweisende Lösung sein. Jugendmedienschutz geht heutzutage aus meiner Sicht in Richtung Compliance-Unterstützung. Dabei geht es immer weniger um den Einzelfall oder das einzelne große Medienereignis. Es geht immer mehr um die Struktur, um die Form der Kommunikation und um die Kriterienentwicklung.

Jugendschutzmaßnahmen haben wenig Sinn, wenn die großen Player, bei denen sich Kinder und Jugendliche am meisten aufhalten, den Regelungen nicht unterworfen sind. Wie schätzen Sie die Möglichkeiten einer dialogischen Regulierung durch die Bundeszentrale mit Blick auf Anbieter ein, die ihren Sitz im Ausland haben?

Die Regelungen im neuen Jugendschutzgesetz sehen ein mehrstufiges Verfahren vor. An der ersten Stelle steht der Dialog mit Anbietern, um Schutzperspektiven im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zu klären. Auf der zweiten Stufe, die aus meiner Sicht besonders wichtig ist, kann über eine Selbstkontrolle unabhängig von einzelnen Anbieterinteressen eine Plattform geschaffen werden, um die Prozesse zu steuern. Wenn die dialogischen Ansätze und die Selbstregulierung nicht wirksam sind, besteht auf der dritten Stufe die Möglichkeit der Intervention. Man muss berücksichtigen, dass das Jugendschutzgesetz als Adressaten die großen Anbieter, die mehr als 1 Mio. Nutzende haben und damit eine besondere Verantwortung tragen, im Blick hat. Es ist davon auszugehen, dass diese ein originäres Interesse daran haben, in ihren Angeboten den Kinder- und Jugendschutz zu beachten.
 


Für einen gelingenden Kinder- und Jugendmedienschutz ist es wichtig, einen vertrauensvollen Dialog zu führen und gemeinsam wirksame Kriterien zu entwickeln.



Große Unternehmen im EU-Ausland könnten sich auf das Herkunftslandprinzip berufen und beispielsweise die irischen oder niederländischen Jugendschutzbestimmungen umsetzen, die dann für den gesamten EU-Raum hinreichend wären. Wie bewerten Sie die Chancen, die deutschen Maßstäbe international durchzusetzen?

Wir werden im Dialog – oder auch in der Auseinandersetzung – darstellen, dass das Jugendschutzgesetz für Deutschland einen klaren Rahmen vorgibt, den wir auch zur Wirkung bringen möchten. Möglicherweise sind bestimmte Vorgaben auch im Interesse der Anbieter, sodass sich die Frage nach den Regeln in anderen europäischen Ländern gar nicht stellt. Im Übrigen gibt es auch viele Anbieter, die außerhalb von Europa ihre Hauptwirkungsstellen haben. Das heißt, wir müssen es als einen ständigen Prozess begreifen, den Wirkungsbereich des nationalen Kinder- und Jugendmedienschutzes auf die internationale Ebene auszuweiten und so zu harmonisieren, dass man zu supranationalen Lösungen kommt. Dieser Austausch auch auf internationaler Ebene wird ein wichtiger Teil unserer Arbeit sein, wir stehen da aber erst am Anfang der Entwicklung. Für einen gelingenden Kinder- und Jugendmedienschutz ist es wichtig, einen vertrauensvollen Dialog zu führen und gemeinsam wirksame Kriterien zu entwickeln. Die Interventionsmöglichkeit des Staates ist aber auch wichtig. Über den Schutz von Grundrechten entscheidet am Ende der Staat und nicht eine Konzernzentrale.

Wie sieht Ihrer Ansicht nach in Zukunft die Zusammenarbeit zwischen der BzKJ und der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) aus?

Das Gesetz sieht als systemische Vorgabe die Zusammenarbeit aller Stellen vor, die Spruchpraxis im Jugendmedienschutz erzeugen und Kriterien für entwicklungsbeeinträchtigende, jugendgefährdende oder auch die persönliche Integrität gefährdende Angebote entwickeln. Dazu gehört selbstverständlich auch die FSF. Insofern haben wir eine enge Verbindung, werden uns über die Spruchpraxis austauschen, über neue Merkmale beim Schutz der persönlichen Integrität oder über die Regelung für Film- und Spieleplattformen sprechen. Um im Kinder- und Jugendmedienschutz neben der klassischen hoheitlichen Regulierung verstärkt auch dialogische Prozesse zu etablieren, bedarf es einer guten Kommunikation und einer regelmäßigen, klar strukturierten Form der Zusammenarbeit. Dazu möchte die Bundeszentrale beitragen – als ein kooperierender und organisierender Akteur, der die verschiedenen Perspektiven zusammenführt.

 

Sebastian Gutknecht ist Direktor der Bundeszentrale für Kinder­ und Jugendmedienschutz (BzKJ)

Claudia Mikat ist Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).