Gesundheit als Thema der Medien

Vielfalt, Vorsorge, Autonomie und notwendige Kompetenzen

Joachim von Gottberg im Gespräch mit Eva Baumann

Die Medien geben heute Einblick in viele Bereiche, die bisher den meisten Menschen verborgen geblieben sind. Das betrifft insbesondere das Thema „Gesundheit“. Heute stehen zahlreiche Informationen über jede Krankheit in sozialen Netzwerken zur Verfügung, Serien und Spielfilme geben Einblick in Depressionen, Suchtprobleme, Sterbehilfe oder den Umgang mit Demenz. Anhand von Apps können wir unsere Körperfunktionen überwachen. Werte, die früher nur in Arztpraxen oder Laboren erhoben werden konnten, erfasst heute die Armbanduhr. Dr. Eva Baumann ist Professorin für Kommunikationswissenschaft am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) in Hannover. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Inhalten, der Nutzung und Wirkung medialer Gesundheits- und Risikokommunikation.

Printausgabe tv diskurs: 25. Jg., 4/2021 (Ausgabe 98), S. 18-23

Vollständiger Beitrag als:

 

Hat sich die Bedeutung von Gesundheit durch die Medien verändert?

Die Bedeutung der Medien für die Gesundheit hat sich für die Menschen im selben Maße verändert, wie sich die Rolle der Medien in unserem Alltag insgesamt verändert hat. Das gilt insbesondere für jene, die sich mit Gesundheit und Krankheit intensiv befassen. Vor allem digitale Medien sind in Gesundheitsfragen wichtige Informationsquellen, und sie haben Einfluss darauf, welche Vorstellungen wir von Gesundheit und Krankheit, Gesundheitsrisiken und deren Reduzierung erhalten. Sie bieten Zugang zu Themen und Informationen, zu denen man sonst keinen Zugang hätte. Wenn ein besonders aggressives Virus in Afrika ausbricht, dann erfahren wir das durch die Medien. Durch diese Alarmfunktion entwickeln die Medien eine Bedeutung für den Alltag der Menschen.

Gesundheit und Krankheit geben aber auch gute Geschichten her: Menschen, die verunfallen oder erkranken, dramatische Verläufe erleben oder sterben, bieten für fiktionale Erzählungen reichlich Stoff. Diese Geschichten involvieren, sie erleichtern den Menschen ein empathisches Einfühlen. Gleichzeitig vermitteln uns diese Geschichten Bilder von Krankheiten. Der Film Philadelphia von 1993 mit Tom Hanks hat Einblicke rund um Aids in einer Zeit gegeben, in der die Menschen noch sehr stereotype Vorstellungen davon hatten, was es bedeuten kann, HIV-positiv zu sein, und welche Menschen betroffen sind.

Aber natürlich wirkt nie ein Medienangebot alleine – wenn über Aids zur selben Zeit primär im Kontext des Drogenmilieus berichtet wird, mag dies einen letztlich größeren Einfluss haben.

Auch im Gesundheitsmarkt haben Medien eine Stimulationsfunktion. Sie werben mit und für Gesundheitsthemen sowie entsprechende Produkte. Das ist ein großer Markt, in dem nicht alle Produkte unmittelbar mit Gesundheit in Verbindung stehen, etwa ein Joghurt, dem zugeschrieben wird, sich positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden auszuwirken. Ob diese gestiegene Aufmerksamkeit für Gesundheit in der Werbekommunikation eher wirtschaftlich und kommunikationsstrategisch getrieben ist oder eine Reaktion auf die alternde Gesellschaft ist, ist schwer zu sagen. Es wird eine Wechselwirkung zwischen der von Medienseite erkannten gesellschaftlichen Relevanz und einem medialen Spiegel der Gesellschaft sein.

Eine spannende Frage ist dabei immer auch, ab wann es sich eigentlich um Gesundheitsthemen handelt. Hat beispielsweise Abnehmen oder Muskelaufbau immer gleich etwas mit Gesundheitsförderung zu tun? Vor dem Hintergrund immer extremer werdender Körper- und Schönheitsideale sicher nicht. Hier entfalten mediale Inhalte auch einige unerwünschte Wirkungspotenziale.
 

Trailer: Philadelphia (1993)



Per E-Mail erhält man regelmäßig Angebote für Mittel, die den Blutdruck ohne Betablocker senken oder mit natürlichen Wirkstoffen Diabetes beseitigen. In einem Video erklärt dann ein angeblich berühmter Professor für Medizin, dass bestimmte Produkte auf keinen Fall gegessen werden dürften, weil sie gespritzt seien und die Leber zerstörten. Dann wird ein Mittel empfohlen, damit die Lebensmittel ihre Nebenwirkungen nicht entfalten, das kann man sofort für 50 Euro bestellen. Der Laie kann das in keiner Weise verifizieren. So wird mit dem Unwissen der Menschen und dem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein Profit gemacht.

Unsere Medien- und Kommunikationswelt verändert sich radikal. Wir haben es längst nicht mehr nur mit professionellen Medienanbietern zu tun, sondern jede und jeder – also auch Menschen, die einfach mit wirkungslosen Mitteln Geld machen wollen – kann über soziale Netzwerke in Kontakt mit den eigenen Zielgruppen treten, sofern man sich dabei in rechtlichen Grenzen bewegt. Dadurch werden wir ganz anders mit Themen und Informationen konfrontiert, als wir das unter den Bedingungen klassischer Massenmedien wie Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften gewohnt waren.

Im besten Fall werden die Nutzenden unsicher und hinterfragen, wer qualitativ hochwertige Informationen liefert, wer vertrauenswürdig, was glaubwürdig ist. Im schlechten Fall erkennen sie nicht, wann es sich um informierende und wann um interessengeleitete Kommunikation handelt. Hier müssen wir nicht nur die Kommunikator*innen in die Pflicht nehmen, sondern auch die Gesundheits- und Medienkompetenz der Rezipient*innen fördern.

Die Anforderung an die Verbraucher*innen, sich aktiv mit ihrer Gesundheitsvorsorge und ihrem Gesundheitsverhalten zu beschäftigen, steigt – und das ist gesundheitspolitisch gewollt, weil sie mehr Verantwortung für Entscheidungen übernehmen sollen, die die eigene Gesundheit betreffen. Dafür müssen sie aber die nötigen Kompetenzen entwickeln, um unterscheiden zu können, was glaubwürdig und vertrauenswürdig ist, wer Expert*in und wer Laie ist und wo man verlässliche Informationen findet. Wir müssen die Patient*innen, Versicherten und Bürger*innen also beispielsweise schulen, Erfahrungsberichte anderer Patient*innen oder Verbraucher*innen kritisch zu hinterfragen, wir müssen ihnen bewusst machen, dass eine Diagnose, die ein anderer oder eine andere bekommen hat, auf die eigene Person nicht unbedingt übertragbar ist.

Die Medien eröffnen insgesamt Chancen für mehr Autonomie, und das bringen die Menschen auch in die ärztliche Gesundheitsversorgung mit ein. Das medizinische Fachpersonal muss aber auch damit umgehen können.

In letzter Zeit werden viele Apps angeboten, die mit ein paar Zusatzgeräten Blutdruck, Gewicht, Muskelmasse etc. messen. Meine Waage hat mir mitgeteilt, dass mein vaskuläres Alter fünf Jahre über meinem tatsächlichen Alter liegt. Sind solche Informationen für einen selbst eher hilfreich oder werden nicht auch sinnlose Ängste aufgebaut?

Ich bin selbst auch Userin einer Smartwatch, die viele Gesundheitsdaten automatisch über das Handy erfasst. Dieses Selbstmonitoring bietet Chancen, aber es kann auch problematisch werden – dann, wenn sich jemand zu sehr auf diese Daten fokussiert. Wer sein ganzes Bewegungsverhalten am Schrittzähler ausrichtet, verliert die Selbstbestimmung. Die Selbstreflexion und die Gesundheitskompetenz sind die entscheidenden Faktoren, die mit solchen Apps verbunden werden müssen, um sie sinnvoll für sich zu nutzen – denn die Apps haben durchaus Potenziale.

Wenn jemand ein bestimmtes Ziel formuliert und sich dabei unterstützen lassen möchte oder bei Menschen, die vielleicht tatsächlich mithilfe dieser Tracking-Optionen ihr Gesundheitsverhalten nachhaltig verbessern möchten, hilft das durchaus. Die Forschung zeigt allerdings, dass die Nachhaltigkeit dieser Verhaltensänderungen nicht sehr hoch ist. Viele fangen damit an, nutzen solche Apps am Anfang intensiv, hören dann aber sehr schnell wieder damit auf.

Die Anzahl der heruntergeladenen Apps und der gekauften Wearables liegt weit über der tatsächlichen Nutzung. Tracking und Monitoring können in bestimmten Krankheitsfällen durchaus hilfreich sein. Es gibt Apps, die als Medizinprodukte zugelassen sind und vom Arzt verschrieben werden können. Da müssen Diabetiker*innen ihre Messungen nicht mehr manuell erfassen, sondern das nimmt ihnen die App ab – eine Erleichterung für den Alltag und das Krankheitsmanagement.

Warum funktioniert das Thema „Gesundheit“ so gut? Ob als Titelthema in Zeitschriften, in TV-Magazinen oder in Foren im Netz: Das ist ein Thema, das die Menschen mehr anspricht als die Politik oder der Klimawandel.

Es wirkt so gut, weil es unsere zentralsten Werte berührt – das Wichtigste im Leben ist die eigene Gesundheit. An Corona wird deutlich, dass Krankheiten zu existenziellen Bedrohungen werden können. Das ist nah am Leben und den Grundbedürfnissen der Menschen. Gleichzeitig sind solche Themen von hohem Nachrichtenwert. Es geht oft um dramatische Geschichten, vor allem bei einer Pandemie, die von vielen Menschen als etwas Unvorhersehbares und mit Unsicherheiten behaftetes Phänomen wahrgenommen wird. Je näher sie kommt, je mehr Menschen betroffen sind und daran sterben, desto eher ist das Thema auf den Titelseiten.

Gesundheitskommunikation ist interessengeleitet, der Staat hat ein Interesse, Geld zu sparen, gegenwärtig wird diskutiert, ob Nichtgeimpfte bei einer Infektion mit Corona die Quarantäne selbst bezahlen müssen.

Jede Kommunikation ist in gewisser Weise interessengeleitet, auch in Politik, Wirtschaft oder anderen Bereichen. Wünschenswert wäre es, wenn das Interesse, die Menschen zu unterstützen und aufzuklären, stärker im Vordergrund stünde. Wenn für Gesundheits- oder Medizinprodukte und angeblich gesunde Lebensmittel geworben wird, ist die Absicht eindeutig erkennbar. Manche Anbieter bedienen sich aber auch anderer Wege, um ihre Interessen durchzusetzen. Wenn der werbende Charakter nicht erkennbar ist, kommen wir in einen Graubereich, der rechtlich zwar reguliert ist, was aber nicht immer greift.
 


Das Wichtigste im Leben ist die eigene Gesundheit.



Auch gesundheitspolitische Akteure sind letztlich interessengeleitet. Sie betreiben politische PR, indem sie bestimmte Themen auf eine bestimmte Art und Weise für die Medien aufbereiten und dabei ihre Positionen zum Ausdruck bringen und um öffentliche Unterstützung „werben“. Dazu gehören auch die Vertreter*innen von Krankenkassen, wenn sie von Journalist*innen interviewt werden. Die Verantwortung liegt hier bei den Journalisten, die über Gesundheitsthemen berichten. Sie sollten besonders sorgfältig recherchieren, verschiedene Perspektiven abbilden und diese einordnen.

Früher gab es Arztromane, da ging es sehr um Liebe und Verehrung. Heute haben wir im Fernsehen Arztserien wie In aller Freundschaft, Der Bergdoktor, Emergency Room oder Dr. House. Das sind andere Typen als die in den Arztromanen. Hat sich das Bild des Arztes verändert?

Ärztinnen und Ärzte werden heute in vielfältigeren Rollen und Kontexten gezeigt. Der Klassiker der deutschen Krankenhausserie, Die Schwarzwaldklinik, hatte noch ein ganz anderes Arztbild, die gezeigte Vielfalt der Lebensbereiche des Arztes ist größer geworden. Das macht heute deutlicher, dass Ärzt*innen auch „nur Menschen“ sind und nicht nur Expert*innen, die heilen und helfen können, sondern auch Fehler machen. Die Vielfalt ist gestiegen, aber die Kernbotschaft ist doch immer noch dieselbe.

Der Arzt ist immerhin nicht mehr der nur ältere „Herrgott in Weiß“, der dem weiblichen Pflegepersonal Anweisungen erteilt. Heute haben wir eine größere Vielfalt, was natürlich auch an den internationalen Serien liegt. Wir erhalten Einblicke über die Qualifikationsherausforderungen, vor denen junge Ärzte und vermehrt auch Ärztinnen in ihrer Ausbildung stehen. Wir erleben mit, dass Ärzt*innen Menschen sind, die einen harten Job machen und oft krasse Entscheidungen zu treffen haben, die viel Verantwortung übernehmen müssen und für die wenig Privatleben, allenfalls Zeit für romantische Beziehungen im Krankenhaus oder in der Arztpraxis bleibt, so mein Eindruck.

Manchmal werden auch die Zwänge, die Ärzte im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit ihrer Arbeit haben, gezeigt. Da gibt es dann einen fiesen Krankenhausmanager, der gegen die Patient*innen agiert. Auch Gesundheitssysteme, Gesundheitsversorgung und das Verhalten der Krankenversicherten werden sichtbar.
 

Operation Karriere: Schauen Sie Arztserien?



Wenn wir an die Coronakrise denken: Wäre das ohne Medien überhaupt zu managen gewesen? Wie hätten die ständig wechselnden Bestimmungen so schnell mehr als 80 Mio. Menschen vermittelt werden können?

Das ist eine positive Rahmung der Rolle der Medien in dieser Pandemie. Im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs haben wir uns besonders darauf fokussiert, was die Fehler oder die mangelnde Qualität der Berichterstattung angeht. Von daher finde ich das einen guten und wichtigen Zugang, weil wir ohne Medien die Menschen gar nicht erreicht hätten. Aber das betrifft jedes Thema, auch die Bundestagswahl würde ohne Medienkommunikation nicht in dieser Form stattfinden, weil die Menschen über Parteien, Programme und die Kandidierenden nicht viel wüssten. Medien tragen zum Funktionieren unserer demokratischen Gesellschaft bei.

Im Kontext von Corona haben die Medien natürlich eine maßgebliche Informationsfunktion übernommen. Wir haben hier aber auch gesehen, dass zu viel Information auch dazu führen kann, dass ein Informations-Overload und eine Informationsverdrossenheit entstehen, sodass sich manche Menschen nicht mehr aus unabhängigen Quellen informieren und mit den sich täglich ändernden Zahlen, Daten und Fakten konfrontieren wollten. Auch, dass eine Erkenntnis von gestern übermorgen schon überholt oder anders interpretiert werden kann, dass sich die Evidenzlage schnell ändert und Auswirkungen auf das eigene Leben haben kann, hat die Menschen teilweise überstrapaziert, überlastet und überfordert. Die Risikowahrnehmung war phasenweise sehr hoch, es wurde eine hohe Bedrohung empfunden; gleichzeitig hatten die Menschen das Gefühl, selbst wenig ausrichten zu können.
 


Medien tragen zum Funktionieren unserer demokratischen Gesellschaft bei.



Das Gefühl zu haben, sich schützen zu können, gerade wenn die Unsicherheit und die Angst groß sind, schützt auch davor, relevante Informationen zu ignorieren oder falsch einzuordnen. Jeden Tag wurden die Infektionsstatistiken in Bezug auf Corona veröffentlicht, das ist ja auch durchaus kritisiert worden, weil hier das Problem sehr auf diese Kennwerte reduziert wurde, während die diesen Werten zugeschriebene Bedeutung sich ja im Verlauf auch änderte.

Es gab auch den Vorwurf, dass manche Virologen und Epidemiologen wie Christian Drosten, Hendrik Streeck oder Alexander Kekulé zu sehr in den Vordergrund gestellt wurden. Aber als Journalist*in ist man auch darauf angewiesen, eloquente und vertrauenswürdige Expert*innen zu haben, die eine gute Einordnung vornehmen können und die sich auch laienverständlich ausdrücken. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass die Journalist*innen – gerade jene, die nicht aus dem Wissenschafts- oder Medizinressort kommen – täglich vor der Herausforderung standen, die Dynamiken einzufangen und mit Erkenntnissen zu arbeiten, die oft noch auf einer wackligen Grundlage standen. Außerdem hat auch eine Selbstreflexion der Medien stattgefunden, nämlich eine Diskussion darüber, wie der Journalismus in der Coronakrise funktioniert hat.

An Stammtischen wurde vor der Zeit der sozialen Medien auch nicht immer reflektiert und inhaltlich präzise diskutiert …

Absolut, der Unterschied ist nur, dass es heute schneller geht, sich Stammtischparolen also viel schneller verbreiten, sie dekontextualisiert, dann geteilt werden. So besteht die Gefahr, dass die Community Absendern vertraut, die einen Post von irgendwem geteilt haben und ihm Glauben schenken. Und wir wissen, wie man die soziale Netzwerkkommunikation nutzen kann, um bestimmte Haltungen zu untermauern. Da ist das Wirkungspotenzial viel größer, als wenn es auf einen Stammtisch in der Eckkneipe begrenzt bleibt. Aber auch das hat zwei Seiten. Über Social Media kann man die Menschen schnell erreichen und alarmieren, wenn Gefahr droht. Gut ist auch, dass es partizipativ ist und man verschiedene Meinungen und Informationen teilen kann. Aber genauso gibt es die Möglichkeit, das System bei negativen Intentionen zu missbrauchen.

Haben Gesundheitsapps oder andere Informationen, die früher dem Laien nicht zur Verfügung standen, ein anderes Verhältnis von Gesundheit und Krankheit vermittelt? Wir könnten heute durch die Information so leben, dass sich viele Krankheiten vermeiden ließen.

Dadurch, dass Gesundheitsthemen im Alltag mehr Relevanz haben, haben wir ein breites Verständnis von gesundheitsbewusstem Verhalten bekommen. Früher lag der Fokus noch mehr auf Krankheitskommunikation und weniger auf Gesundheitskommunikation, als es heute der Fall ist. Heute lesen, sehen und hören wir mehr darüber, was uns gesund hält, welche Rolle Resilienz spielt und vieles mehr. Auch Themen wie Achtsamkeit gewinnen an Bedeutung. Auch für diejenigen, die keine diagnostizierte Problematik haben, ist die Gesundheit eine Herausforderung, die durch Informationsangebote unterstützt werden kann. Im Gesundheitssystem wird mehr, wenn auch immer noch nicht genug, der Fokus auf Prävention gerichtet. Auch Probleme der psychischen Gesundheit haben an Sichtbarkeit gewonnen und rücken allmählich aus der Tabuzone. Wir haben insgesamt etwas mehr Öffnung in unser Gesundheitsverständnis gebracht.

Die Mediennutzung kann auch selbst Einfluss auf die Gesundheit haben, denken wir an Spielsucht oder daran, permanent das Smartphone zu benutzen.

Diese Verhaltenssüchte können sich tatsächlich auf die Mediennutzung beziehen – und das hat sich in der Coronazeit sicher verstärkt. Man kann empirisch beobachten, dass eine stark erhöhte Bildschirmzeit mit einer Vernachlässigung anderer kommunikativer oder körperlicher Aktivitäten einhergehen kann und dass Menschen ihre Bedürfnisse nach sozialer Zugehörigkeit und Orientierung über Medien zu kompensieren versuchen. So kann am Ende die Mediennutzung selbst – seien es Computerspiele oder auch nur das „permanently online and connected“ – ein Problem darstellen.

Auch gibt es Phänomene wie die Cyberchondrie, bei der eine sehr intensive Internetnutzung zu Gesundheitsthemen mit einer Krankheitsangst einhergeht und wie in einem Spiraleffekt die Suche nach Gesundheitsinformationen verstärken kann. Wir müssen immer schauen, was die Motive, der Bedarf und die Ressourcen der Menschen sind, um in einem gesunden Maß zu bleiben. Mediennutzung kann gesundheitsunterstützend sein, während permanente Nutzung des Smartphones für manche Personen sehr problematisch sein kann. Wichtig ist, die eigene Nutzung kritisch zu reflektieren.
 

Dr. Eva Baumann ist Professorin für Kommunikationswissenschaft am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) in Hannover. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Inhalten, der Nutzung und Wirkung medialer Gesundheits­ und Risikokommunikation.

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrft tv diskurs.