Gremien fordern unterscheidbare Konzepte für ARD-Talkshows

Die Rundfunk- und Fernsehräte öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten haben die Aufgabe, die Sender und die Intendanten nicht zuletzt hinsichtlich der Vielfalt der Programminhalte zu kontrollieren. Dass sie allerdings angesichts ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeiten die Zeit haben, ausreichend fernzusehen, um die Vielfalt der Programme beurteilen zu können, kann durchaus bezweifelt werden. Öffentlich war von einer Kritik der Gremien an den Programmen bisher nicht allzu viel zu hören. Das könnte sich nun ändern.

Online seit 30.08.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/gremien-fordern-unterscheidbare-konzepte-fuer-ard-talkshows-beitrag-1122/

 

 

Nach einem aktuellen Papier, das der „Süddeutschen Zeitung“ vorliegt, gibt es jetzt eine ungewöhnlich scharfe Kritik an den Talkshows der ARD. Die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK), eine Versammlung der leitenden ARD-Kontrolleure, hätte bereits im April den ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke und Programmdirektorin Christine Strobl gebeten, Auskunft über die Gesamtkonzeption der zukünftigen Politik-Talks zu geben. Konkret geht es um die Sendungen hart aber fair (WDR), Anne Will (NDR) und Sandra Maischberger (WDR). Kern der Kritik: Die Talkshows müssten sich mehr als durch das Konzept und die Moderation unterscheiden. Ziel müsse es sein, unterschiedliche Zuschauergruppen anzusprechen. „Als Lösungsvorschläge regen die zentralen ARD-Aufseher Brisantes an. Sie fordern, ‚die Themen besser und verbindlicher auf einander abzustimmen, Doppellungen zu vermeiden und aktuelle Ereignisse und Themen zielgerichteter aufzugreifen‘, heißt es in dem internen Papier. Wie genau so eine neue Struktur, etwa mit einer zentralen Talk-Redaktion aussehen könnte, ist noch unklar.“ (Kress 2023)
 

Unterscheidungsmerkmale und differenzierte Zielgruppenansprache

Bereits im Juni hatte die ARD-Programmdirektorin Christine Strobl Änderungen angekündigt: „Eine Neujustierung der politischen Gesprächssendungen ist erforderlich. Sie ist Teil der umfassenden Programmreform, die den digitalen Umbau mit der Stärkung der ARD Mediathek und der gleichzeitigen Profilierung des Ersten zum Ziel hat.“ (Ebd.) Ziel müsse es sein, mit den Themen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen anzusprechen, die Konzepte der Talkshows müssten sich unterscheiden, die Gesprächsformen, aber auch die Gästeauswahl müssten voneinander abgegrenzt werden, so Strobl. (Ebd.)
 

Ob ARD oder ZDF: Themen und Gäste sind austauschbar

Ob das Problem allein ARD-intern so ohne Weiteres zu lösen ist, kann bezweifelt werden, wenn man die ARD im Kontext mit dem ZDF sieht. Denn die Polit-Talkshows dort unterscheiden sich thematisch und von der Auswahl der Gäste her nur wenig von denen der ARD. In ZDF talkt von Dienstag bis Donnerstag Markus Lanz, am Donnerstag läuft vorher noch Maybritt Illner, die thematischen Schwerpunkte und die Gästeauswahl beider Shows sind sehr ähnlich. Ob das an der mangelnden pluralen Ausrichtung der Redaktionen oder einfach an der unterschiedlichen Bereitschaft mancher Gäste liegt, den Weg in die Talksendungen auf sich zu nehmen, ist schwer einzuschätzen. Relevant ist sicher auch die in der Vergangenheit festgestellte Zuschauerattraktivität bestimmter Gäste: Wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass die Zuschauer bei bestimmten Personen sofort umschalten, lädt man sie nicht mehr ein.

Und so kumulieren die Auftritte bestimmter Persönlichkeiten: „Das Branchenmagazin Meedia zählt jährlich, welche Gäste am häufigsten in den fünf großen Talkshows der Öffentlich-Rechtlichen auftauchen, neben den drei im Ersten also auch in den ZDF-Sendungen von Maybrit Illner und Markus Lanz. 2022 gewann das Ranking der CDU-Politiker Norbert Röttgen mit 21 Talkshow-Auftritten, gefolgt vom Welt-Journalisten Robin Alexander (19 Auftritte) und dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil (18 Auftritte). Die Wahrscheinlichkeit, einem von ihnen in einer beliebigen Talksendung des vergangenen Jahres zu begegnen, war hoch. In früheren Jahren hielten sich Karl Lauterbach, Sahra Wagenknecht oder Wolfgang Bosbach sehr beständig als Stars auf den Studiosesseln.“ (Blazekovic 2023)
 

Chance für bevorstehende Änderungen

Der Zeitpunkt der Gremienkritik ist nach Blazekovic brisant, da im nächsten Jahr eine Reihe von Veränderungen anstehen: Anne Will wird ihre Sendung an Carmen Miosga abgeben, die Sendung wird seit 16 Jahren von ihrer eigenen Firma Will Media GmbH produziert. Louis Klamroth hat hart aber fair Anfang des Jahres übernommen, im nächsten Jahr läuft aber der Vertrag mit der bisherigen Produktionsfirma Ansager & Schnipselmann des früheren Moderators Plasberg aus. Klamroth gilt als ausgewiesener Moderator für ein jüngeres Publikum, jetzt müssten noch das Konzept, die Themen und die Gäste angepasst werden.

Ist die Gremienkonferenz mit der Reaktion der ARD zufrieden? Auf Anfrage äußerte man sich zurückhaltend: „Aber ein Referent des Gremiums teilt der SZ mit, man würde ‚gerne bis nach der Sitzung im September warten, um zu Ihren Fragen Stellung zu nehmen‘. Mitte September nämlich trifft sich die GVK in Frankfurt, um mit Programmverantwortlichen der ARD über die Talkshows zu diskutieren. Aus der ARD heißt es zur Kritik des Gremiums bislang versöhnlich: ‚Wir sind uns einig im Ziel, vielfältige Foren für einen pluralen und kontroversen Austausch zu den Themen unserer Zeit zu bieten.‘“ (Ebd.)

Quellen:

Blazekovic, A. v.: ARD-Talkshows. Überall dieselben Nasen. In: Süddeutsche Zeitung, 20.08.2023. Abrufbar unter: www.sueddeutsche.de

Kress:ARD-Aufseher kritisieren die Talks von Will, Klamroth und Maischberger scharf. In: Kress News, 21.08.2023. Abrufbar unter: https://kress.de