Jugendschutz auf neuem Niveau

Das Family Feature von Sky

Claudia Mikat im Gespräch mit Eva Flecken, Sandra Singer

Sky hat mit dem Family Feature ein neuartiges Jugendschutzinstrument entwickelt, das die sendungsbezogene Vorsperre durch individuell konfigurierbare PIN-Eingaben ersetzt und dabei die rechtlichen Anforderungen an ein technisches Mittel im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) erfüllt. Eva Flecken ist Leiterin der Medienpolitik, Sandra Singer Jugendschutzbeauftragte bei Sky. tv diskurs sprach mit ihnen darüber, was sich für die Zuschauerinnen und Zuschauer verbessert und welche Bedeutung der Anbieterverantwortung für einen gesellschaftlich akzeptierten Jugendmedienschutz zukommt.

Printausgabe tv diskurs: 24. Jg., 2/2020 (Ausgabe 92), S. 56-59

Vollständiger Beitrag als:

Im Mai 2019 hat die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) das Family Feature von Sky als technisches Mittel positiv bewertet. Was bedeutet das?

Singer: Wir können damit nun ein Jugendschutzfeature anbieten, das es unseren Kunden ermöglicht, individuelle Jugendschutzeinstellungen zu wählen, und zwar sowohl für lineare und nonlineare Inhalte als auch für das Archiv. Das ist ein Novum und es freut uns sehr, dass es möglich geworden ist. Vor 20 Jahren haben wir die sendungsbezogene Vorsperre entwickelt und damit als erster Anbieter in Deutschland einen technischen Jugendmedienschutz etabliert. Aus heutiger Sicht und angesichts der anderen Sehgewohnheiten wird die Vorsperre von vielen Kunden allerdings als starr und unflexibel wahrgenommen. Schließlich ist sie aus technischen Gründen nicht in der Lage, auf die individuelle Haushaltssituation der Kunden und die Vielzahl der damit einhergehenden Nutzungsszenarien einzugehen. Das ist aber etwas, was heutzutage erwartet wird, schließlich bieten Medienangebote zunehmend eine Personalisierung und Individualisierung an.

Welche rechtlichen Hürden mussten Sie nehmen?

Singer: Zu klären war zunächst, dass vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 2 JMStV die in der Jugendschutzsatzung geregelte sendungsbezogene Vorsperre nicht abschließend ist und daneben weitere technische oder sonstige Mittel erlaubt sind. Das konnte bejaht werden: Auch in den Jugendschutzrichtlinien werden „weitere technische Mittel“ als vorstellbar genannt. So wurde das Jugendschutzkomfortfeature von Sky vor einigen Jahren bereits als technisches Mittel anerkannt. Im zweiten Schritt war zu klären, wie solch eine weitere technische Lösung konkret ausgestaltet sein muss, um den rechtlichen Anforderungen Genüge zu tun.
 


Aus heutiger Sicht und angesichts der anderen Sehgewohnheiten wird die Vorsperre von vielen Kunden als starr und unflexibel wahrgenommen.



Muss nun nicht mehr jede einzelne Sendung immer wieder per PIN-Eingabe freigeschaltet werden?

Flecken: Wenn der Kunde proaktiv seine Settings ändert, dann hat er die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche Inhalte mit der PIN geschützt werden sollen und welche nicht. Ein Haushalt ohne Kinder und Jugendliche mag sich für eine seltenere PIN-Eingabe oder sogar das Ausschalten der PIN entscheiden. Für Haushalte mit Kindern bedeutet das Family Feature aber auch, dass strengere Regeln gesetzt werden können. Die Technik erkennt den einzelnen Inhalt und damit Anfang und Ende einer Sendung sowie das dazugehörige Rating. Stellt der Kunde ein, dass Inhalte, die ab 12 Jahren freigegeben sind, vorgesperrt sein sollen, dann ist eben jede einzelne Sendung, die ab 12 oder höher freigegeben ist, vorgesperrt. Das bedeutet: Die rechtliche Anforderung wird weiterhin erfüllt oder sogar übererfüllt und wir können anders mit ihr umgehen, es nutzerfreundlicher gestalten.

Singer: Die Grundeinstellung ist also nach wie vor die althergebrachte. Ergänzend kann der Kunde nun aktiv individuelle Anpassungen vornehmen. Mit dem Family Feature ist es sogar so, dass wir eine strengere Grundeinstellung als bei der Vorsperre haben: Alle Inhalte ab 12 Jahren sind zwischen 6.00 und 20.00 Uhr vorgesperrt und erfordern eine PIN-Eingabe. Im linearen Bereich haben wir die 18er erst ab 20.00 Uhr programmiert und nicht im Tagesprogramm. Jeder Haushalt kann nun für sich selbst entscheiden, eine Änderung vorzunehmen und diese Default-Regelung, die Einstellung ab Werk, eventuell anders zu gestalten. Beispielsweise ein strengeres Schutzniveau zu programmieren, weil man ein 3‑jähriges Kind im Haus hat und alle ab 6 Jahren freigegebenen Inhalte vorsperren möchte, oder auf die PIN-Eingabe zu verzichten, wenn man etwa in einem Singlehaushalt lebt.

Die erwachsenen Nutzerinnen und Nutzer bekommen also eine PIN, mit der sie nach individuellen Bedürfnissen die per Werk voreingestellten Jugendschutzeinstellungen anpassen können …

Singer: So ist es. Es ist natürlich entscheidend, dass die Jugendschutz-PIN nur an Erwachsene ausgegeben wird. Deshalb führen wir eine Altersverifikation durch und überprüfen, dass der Kunde volljährig ist. Dann erst erhält er die Jugendschutz-PIN, mit der die beschriebenen Anpassungen im Jugendschutzmenü möglich sind.

Flecken: Und diese Einstellung kann von Gerät zu Gerät unterschiedlich erfolgen. Bekommt ein 5‑Jähriger das iPad grundsätzlich nicht in die Hand, weil er hier auch relativ unbeobachtet Zugriff auf das Internet hat, sondern darf stattdessen ganz klassisch fernsehen, so ist es sinnvoll, iPad und TV-Gerät jugendschutzseitig unterschiedlich zu behandeln. Für Haushalte mit mehreren Kindern ist das besonders interessant, da die Kunden auf den verschiedenen Geräten verschiedene Einstellungen wählen können – je nach Alter des kleinen oder großen Zuschauers.

Neben der Möglichkeit, verschiedene Devices auf bestimmte Altersstufen einzustellen, gibt es außerdem Sendezeitbeschränkungen?

Singer: Neben der PIN-Abfrage entlang von Altersfreigaben kann der Kunde auch festlegen, ob diese Abfrage nur für einen bestimmten Zeitraum gültig sein soll, z.B. zwischen 6.00 und 20.00 Uhr, weil die Kinder am Abend im Bett sind und die Eltern ohnehin allein fernsehen. Für eine 17‑Jährige, die das Smartphone nutzt, könnte man die PIN-Abfrage aber rund um die Uhr einstellen, damit Inhalte wie The Walking Dead auch nachts um halb drei nur nach PIN-Eingabe zugänglich sind. Das Feature ist also wirklich individuell konfigurierbar, während die Vorsperre, wie wir sie bisher kannten, doch deutlich unhandlicher war.

Wie kommt Sky zu den Altersfreigaben?

Singer: Sofern Altersfreigaben der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) existieren, werden diese gemäß JMStV abgebildet und umgesetzt. Sind Prüfungen der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) vorhanden, wird das Rating vermerkt, das aus dieser FSF-Prüfung hervorging. Gibt es weder FSK- noch FSF-Prüfungen, dann bewerten wir, die Jugendschutzabteilung von Sky, diese Inhalte selbst und hinterlegen die entsprechende Altersfreigabe. Die Ratings auf den Partnersendern werden von den Partnersendern selbst geliefert.

Für die Auslesbarkeit im Family Feature ist also nur wichtig, dass es Freigaben gibt – spielt noch eine Rolle, wie die Freigaben zustande kommen?

Flecken: Aus technischer Sicht nicht. Das Family Feature nimmt die Ratings, die – wie früher in der alten Welt auch – aus unterschiedlichen Quellen kommen, und verarbeitet diese. Es ist ein Feature, das mit den vorhandenen Ratings und Alterskennzeichen umgeht.

Singer: Entscheidend ist, dass das Rating die Jugendschutzrelevanz des Inhalts valide abbildet, also aus einer kompetenten Quelle stammt. Das Feature selbst kann keine Bewertungen vornehmen, keine Bild- oder Texterkennung anwenden, sondern es ist auf das Vorhandensein von Ratings angewiesen. Je nach nutzerdefinierter Einstellung wird dann eine PIN-Abfrage veranlasst oder eben nicht.
 


Jugendschutz sollte positiv besetzt sein und nicht stören oder den Medienkonsum Erwachsener unsinnig beeinträchtigen.



Ist das Family Feature, so wie es jetzt gebaut ist, auch ein Resultat von Rückmeldungen von Eltern, die sich mehr individuelle Modi gewünscht haben?

Singer: Ja. Es gab Eltern, die sich gemeldet haben und sich mehr Verantwortung wünschten. Diese Eltern fühlten sich bevormundet und haben ganz dezidiert nach individuellen Einstelloptionen gefragt. Und wenn man sich mal in der Welt umschaut, kann jeder alles Mögliche individuell konfigurieren, jedes Smartphone, jeden Computer. Deswegen war es höchste Zeit, auch im Jugendschutzbereich etwas zu entwickeln, das sich individueller konfigurieren lässt und damit auch eine höhere Zufriedenheit bringt und vor allen Dingen auch eine höhere Akzeptanz.

Flecken: Jugendschutz sollte positiv besetzt sein und nicht stören oder den Medienkonsum Erwachsener unsinnig beeinträchtigen. Das ist uns besonders wichtig: ein positives Image von Jugendmedienschutz.

Sie setzen mit den sichtbaren Altersangaben auf Information und Verständnis der Zuschauerinnen und Zuschauer. Wie ist Ihre Haltung gegenüber der novellierten AVMD-Richtlinie, insbesondere der neu eingeführten Regelung zur Kennzeichnung von Inhalten? Wäre ein Mehr an Information wünschenswert?

Flecken: Die viel diskutierten Inhaltsdeskriptoren, eine Spinne für das Angstrisiko z.B., sehen wir eher kritisch, weil wir glauben, dass mit den Alterskennzeichnungen ein System geschaffen wurde, das gelernt ist und mit dem die Erziehungsberechtigten etwas anfangen können. Wenn ich darüber hinausgehend weitere Informationen haben möchte, kann ich die Beschreibung des Films lesen und erfahren, worum es geht. Ob die verpflichtende Einführung vergleichsweise willkürlicher Symbole, die kulturell noch nicht gelernt sind, für mehr Klarheit sorgt, möchte ich bezweifeln. Deswegen plädieren wir dafür, dass bei der Umsetzung der AVMD-Richtlinie Alterskennzeichnungen als ausreichend betrachtet werden sollten.
 


Unser Jugendschutz ist jetzt sehr viel lebensnaher und viel bedürfnisorientierter, sodass er die Familien auch besser in ihrem Medienalltag unterstützt und so mehr Akzeptanz findet. Jugendschutz wird umgesetzt, wo und wie ihn die Eltern brauchen. 



Was für Informationen geben Sie den Kunden da genau an die Hand?

Singer: Wir haben zu allen Inhalten im Elektronischen Programmguide (EPG) Inhaltsbeschreibungen. Wir übererfüllen damit die gesetzlichen Vorgaben, indem wir Altersfreigaben zu allen Inhalten – linearen und nonlinearen – anbieten. Wir finden es wichtig, dass Eltern Informationen haben, welche Altersfreigabe ein Inhalt hat. In der Kombination der Altersfreigabe plus Inhaltsbeschreibung des Films bekommt man einen guten Eindruck davon, um was es hier geht: Zombieapokalypse, ab 18 beispielsweise. Oder Der Bergdoktor, ab 6. So können Eltern einschätzen, ob eine Sendung geeignet ist für ihr Kind oder nicht.

Warum ist die Anerkennung durch die KJM nur befristet erfolgt?

Flecken: Sicherlich geht man mit der Anerkennung des Family Features als eines technischen Mittels neue Wege, wir waren die Ersten, die ein solch konvergentes Jugendschutzsystem der KJM vorgestellt haben. Ich verstehe, dass die KJM mit uns nach zwei Jahren dazu noch einmal in den Austausch treten möchte und entsprechend um einen Evaluationsbericht gebeten hat.

Gibt es aus Ihrer Sicht politischen Handlungsbedarf, oder lassen die bestehenden Regelungen genug Spielraum, um zu guten Lösungen zu finden?

Flecken: Ich glaube, es ist unabdingbar, die Anbieterverantwortung weiterhin zu stärken und als oberste Prämisse eines funktionierenden Jugendschutzes zu verstehen. Und ich meine, dass sich die Anbieter, die solche technischen Mittel aufsetzen, verantwortungsvoll verhalten und konstruktive Vorschläge vorlegen, rechtlich wie pädagogisch. Sky ist eine Familienmarke. Von entsprechend zentraler Bedeutung ist das Thema „Jugendschutz“ für uns. Und genau deshalb betreiben wir den Jugendschutz mit aller Ernsthaftigkeit und großem Elan.

Singer: Unser Jugendschutz ist jetzt sehr viel lebensnaher und viel bedürfnisorientierter, sodass er die Familien auch besser in ihrem Medienalltag unterstützt und so mehr Akzeptanz findet. Jugendschutz wird umgesetzt, wo und wie ihn die Eltern brauchen. Damit können unsere Abonnenten Sky als Familienplattform sicher und verlässlich nutzen, und zwar auf eine komfortable, zeitgemäße Art und Weise.
 

Eva Flecken ist Leiterin der Medienpolitik bei Sky.

Sandra Singer ist Jugendschutzbeauftragte bei Sky.

Claudia Mikat ist Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).