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Die Fülle an Möglichkeiten, sich über die sozialen Medien zu informieren und Wissen anzueignen, hat auch negative Seiten. Verschiedene Begriffe in diesem Zusammenhang werden hier kurz gefasst erklärt.

Printausgabe mediendiskurs: 26. Jg., 4/2022 (Ausgabe 102), S. 38-39

Vollständiger Beitrag als:

NEWS FATIGUE

Sich Informationen und Wissen anzueignen, ist seit jeher ein menschliches Bedürfnis. Neu sind jedoch die unendlichen Möglichkeiten, an Informationen zu gelangen (vgl. Fitzpatrick 2022, S. 146). Durch das Internet und damit einhergehend über die sozialen Plattformen sind Informationen immer und überall abrufbar.

News Fatigue beschreibt das Phänomen, dass vor allem der unerlässliche Strom von negativen Nachrichten und Informationen viele Menschen ermüdet zurücklässt. Die Ermüdung kann so starke Formen annehmen, dass ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko bei Betroffenen entsteht – von Angstzuständen bis hin zu Depressionen (vgl. ebd.).

Um dem Gefühl der Hilf- und Machtlosigkeit zu entkommen, schalten manche, quasi als letzter Ausweg, ganz ab (vgl. Mohr 2022).


Literatur:

Fitzpatrick, N.: No News is Not Good News: The Implications of News Fatigue and News Avoidance in a Pandemic World. In: Athens Journal of Mass Media and Communications, 3/2022/8, S. 145–160. Abrufbar unter: https://www. athensjournals.gr (letzter Zugriff: 22.09.2022)

Mohr, R.: Burnout oder die Flucht vor den Nachrichten – Wie entkommen wir der Überdosis an Kriegs- und Katastrophenmeldungen?. In: Neue Zürcher Zeitung, 21.07.2022. Abrufbar unter: www.nzz.ch (letzter Zugriff: 15.09.2022)
 


 

FACT-CHECKING

Im Netz gibt es zahlreiche Falschmeldungen sowie bewusst manipulierte Fotos und Videos, sogenannte Deepfakes (vgl. Sturm 2022). Für die Nutzenden sind derartige Inhalte schwer zu identifizieren. Fakten auf ihre Echtheit zu überprüfen, ist eine wichtige Kernkompetenz in professionell-journalistischen Zusammenhängen. Mittlerweile gibt es einige Organisationen wie den CORRECTIV-Faktencheck und den ARD-Faktenfinder, deren Hauptaufgabe das „Checken von Fakten“ ist. Die Organisationen bestehen größtenteils aus Journalist*innen, die Meldungen und Nachrichten zu aktuellen Themen überprüfen. Im besten Fall wird die Falschnachricht entlarvt und gleichzeitig eine Richtigstellung ergänzt (vgl. Braatz 2022). Für das Überprüfen von Bild- und Videomaterial hat sich in den letzten Jahren ein neues Berufsfeld, die digitale Bildforensik, etabliert.

Bei der Masse an Informationen, die uns täglich begegnen, hebt sich jedoch diese Gatekeeper-Funktion zunehmend auf und ist jede*r Einzelne gefordert, bei der Rezeption Informationen kritisch zu prüfen. Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen fordert gar eine redaktionelle Gesellschaft: „Wir alle müssen Journalisten sein“ (vgl. Pörksen 2018).


Literatur:

Braatz, N.: Faktenchecker: Welche es gibt und wie du sie nutzt. In: Utopia, 03.03.2022. Abrufbar unter: www.utopia.de (letzter Zugriff: 17.09.2022)

Pörksen, B.: Umgang mit Medien. Alle müssen Journalisten sein. In: Zeit online, 20.02.2018. Abrufbar unter: www.zeit.de (letzter Zugriff: 16.09.2022)

Sturm, F.: Finde den Fehler. Wie man digitale Inhalte auf ihre Echtheit prüft. In: Medienradar, 09/2022. Abrufbar unter: www.medienradar.de (letzter Zugriff: 16.09.202
 


DOOMSCROLLING

Doomscrolling bezeichnet das exzessive Browsen im Newsfeed sozialer Medien mit einem fast zwanghaften Fokus auf negative Nachrichten und Informationen. „Doom“ kann in etwa übersetzt werden mit „Untergang“ bzw. „Verderben“, während „Scrolling“ das ständige Wischen in den Apps benennt.

Der Begriff tauchte erstmals 2018 auf und wurde später von der Anthropologin Karen Ho bekannt gemacht (Garcia-Navarro 2020, zitiert nach Sharma/Lee/Johnson 2022, S. 1). Die Begriffsprägung hing eng mit der weltweiten Coronapandemie zusammen, während der viele Menschen im Lockdown nur durch die Medien mit der Außenwelt verbunden waren. Der Wunsch, immer auf dem neuesten Nachrichtenstand zu sein und sich gegebenenfalls durch Wissen vor dem Virus schützen zu können (Maske tragen, Kontakte minimieren, Hände waschen etc.), war groß. Die sozialen Medien mit ihren algorithmusbasierten Feeds, die die Nutzenden möglichst lange auf der jeweiligen Plattform halten sollen, befeuerten zudem das Verlangen, immer mehr (negative) Informationen zu konsumieren (vgl. Watercutter 2020).

Krieg, Umweltzerstörung, Klimakrise – auch abseits der Coronapandemie finden sich genügend Schlagzeilen, um die Nutzenden ständig weiter an die Plattformen zu binden.

Doomscrolling kann, genauso wie der Scary-World-Effekt, zu angstbestimmten Weltbildern führen – eine Welt voller Gefahren, Gewalt und Verbrechen (vgl. ebd.). In ihrem diesjährig erschienenen Sachbuch Wie wir die Welt sehen beschreibt Ronja von Wurmb-Seibel ein ähnliches Gefühl: Menschen könnten eine Art traumatische Belastung erleben, ohne dass dieses traumatische Erlebnis je eintreffe. Die Angst, es könne einem widerfahren, sei ausreichend. „Je mehr Warnungen wir über eine Bedrohung hören, desto mehr Angst haben wir, dass wir selbst davon betroffen sein könnten. Das, was uns eigentlich schützen soll – Information –, macht uns kaputt, wenn wir es zu oft hören“ (Wurmb-Seibel 2022, S. 19).
 

Literatur:

Sharma, B./Lee, S. S./Johnson, B. K.: The Dark at the End of the Tunnel: Doomscrolling on Social Media Newsfeeds. In: Technology, Mind, and Behavior, 1/2022/3. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1037/tmb0000059

Watercutter, A.: Doomscrolling Is Slowly Eroding Your Mental Health. Checking your phone for an extra two hours every night won’t stop the apocalypse – but it could stop you from being psychologically prepared for it. In: Wired, 25.06.2020. Abrufbar unter: www.wired.com (letzter Zugriff: 15.09.2022)

Wurmb-Seibel, R. von: Wie wir die Welt sehen. Was negative Nachrichten mit unserem Denken machen und wie wir uns davon befreien. München 2022
 


 

FOMO

„Fear of missing out“ (kurz FOMO) beschreibt die Angst, etwas zu verpassen – und das dadurch entstehende Gefühl, man müsse ständig online sein (vgl. Elhai/Yang/Montag 2020). Der Begriff wurde erstmalig in den 2010er-Jahren verwendet und entstand parallel zu der immer größer werdenden Popularität sozialer Plattformen (vgl. ebd.). Dass Social Media und FOMO Hand in Hand gehen, ist kaum verwunderlich. Die Plattformen bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen zu vernetzen; und gleichzeitig können Nutzende sehen, was andere (gefiltert) erleben. Insbesondere bei Heranwachsenden beeinflusst FOMO die Handynutzung und führt teilweise zu risikoreicherem Kommunikationsverhalten, beispielsweise durch das Teilen von unangemessenen Inhalten und das Mitwirken bei Cyberbullying (vgl. Hefner/Knop/ Vorderer 2018, S. 39).
 

Literatur:

Elhai, J. D./Yang, H./Montag C.: Fear of missing out (FOMO): overview, theoretical underpinnings, and literature review on relations with severity of negative affectivity and problematic technology use. In: Brazilian Journal of Psychiatry, 2/2020/43. Abrufbar unter: DOI:10.1590/1516-4446-2020-0870 (letzter Zugriff: 15.09.2022)

Hefner, D./Knop, K./Vorderer, P.: „I Wanna be in the Loop!“ – The Role of Fear of Missing Out (FoMO) for the Quantity and Quality of Young Adolescents’ Mobile Phone Use: Current Perspectives on Media Use and Effects. In: R. Kühne/S. E. Baumgartner/T. Koch/M. Hofer (Hrsg.): Youth and Media. Current Perspectives on Media Use and Effects. Baden-Baden 2018, S. 39–54